Das Mysterium der Einheit in der Vielheit. Stefan Ahmann

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Das Mysterium der Einheit in der Vielheit - Stefan Ahmann

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dieses Körpers und Verstandes gibt, jenseits des Leids, gleichgültig, ob man diese nun Gott oder Nirvana oder was auch immer nennt. Dieser Schritt findet statt, als der Weise vorbeikommt und zunächst sagt: „Beruhigt euch, glaubt mir, es ist alles gut.“ Der fünfte Schritt ist die methodische Analyse, die philosophische Selbstbetrachtung, die Unterscheidung („Viveka“). Dieser Schritt vollzieht sich, als der Weise den Finger des Zählenden auf den Zählenden selbst richtet, sodass dieser mit einem Mal erkennt: Er selbst ist der verloren geglaubte „zehnte Freund“. Plötzlich wird ihm klar: Er ist nicht der Körper und der Verstand. Er ist mit einem Mal frei. Darauf folgt das Verschwinden der Trauer und des Leids. Denn es gab kein Problem: Der zehnte Freund war nie verschwunden und ertrunken, er ist da. Das Problem war nur durch die Unwissenheit entstanden. Und schließlich der siebte Schritt: Die zehn Freunde freuen sich und sind glücklich. Sie finden die Freude, die Seligkeit. Sie erkennen: „Ich bin die zehnte Person. Ich bin eins mit Gott. Ich bin Sat-Chit-Ananda.“

      Die Beziehung zwischen Brahman (reinem Bewusstsein) und der Welt wird oft am Beispiel der goldenen Halskette erklärt: Die Halskette (Welt der Objekte) ist aus Gold (Brahman/ Bewusstsein). Die Halskette (Welt) ist ihrem wahren Wesen nach nichts außer Gold (Brahman) und alle anderen Attribute der Halskette (Name, Form und Zweck) sind nicht Brahman oder sind nicht Teil des Wesens von Brahman. Aber was bleibt von den Dingen der Welt ohne Form, Name und Zweck? Diese drei zusammen sind Maya, die Illusion der absoluten Realität der Objekte.

      Die Schritte des Verstehens, die jenseits der „natürlichen“, unreflektierten Ansicht („Ich bin eine kleine physische Einheit in der großen Welt“) liegen, sind die folgenden: 1) Alles in der Welt ist in mir, ist in meinem Bewusstsein. Die Welt (der Vielheit, der Formen) existiert nur im (bzw. aus) Bewusstsein („Gold“). Wenn man das Gold wegnähme, würde auch keine Halskette („Form“) mehr existieren. 2) Die Form der Halskette (die Welt der Objekte) gehört nicht zum Wesen des Goldes (des Bewusstseins). Insofern existiert sie nicht. Die Formen der Welt gehören nicht zum Wesen des Bewusstseins. Insofern existieren sie nicht. Keine Halskette ohne Gold - keine Welt ohne Bewusstsein. Du bist Sein. Außerhalb dieses Seins gibt es kein zweites Sein. Insofern die Objekte unabhängig von dir zu existieren scheinen, existieren sie nur als „Name-Form-Zweck“ und das ist alles - wie die Buddhisten sagen - „leer“. Aber das Konzept der Leere ist nur ein Werkzeug zum Verstehen. Wenn man „Leere“ versteht als absolute Nicht-Existenz der Welt, ist das ein Missverständnis und eine Sackgasse. Es ist nur eine relative Nicht-Existenz.

      Warum sind zwei Schritte erforderlich, um das „Nichtwissen“ zu überwinden? Es ist evident, dass ich bin, aber es ist nicht unmittelbar deutlich, dass ich bereits vollkommen und vollständig bin, dass nur Vollkommenheit und Vollständigkeit existiert und dass ich diese bin, dass also alles eins ist. Die Lehren der Upanishaden und des Advaita Vedanta zeigen nun zunächst, dass ich nichts von dem, was im Lichte meines Bewusstseins erscheint, sein kann. Die falsche Unterscheidung zwischen innen und außen wird aufgehoben. Während jeder sagt „Ich bin nicht die äußere Welt“, erkennt er nun auch, dass er nicht sein Körper und nicht seine Gedanken sein kann. Wenn er sein Ich nirgendwo in der Welt der Objekte finden kann, wird er zu der Einsicht gezwungen, dass er Bewusstsein ist, das, was alles wahrnimmt. Dies ist der erste Schritt. Der zweite Schritt ist es, zu erkennen, dass die Objekte insofern Illusion sind, als sie nichts wirklich getrennt Existierendes sind, kein für sich existierendes Anderes, dass sie aber insofern wirklich sind, als sie auch das Selbst, auch Bewusstsein sind. Dies ist es, was die berühmte Formel „tat tvam asi - dies bist du“ aussagt. Die Überwindung des hier beschriebenen Nichtwissens und die Etablierung des Wissens sind das, was man als Erleuchtung bezeichnet. Durch hören, lesen, lernen, verstehen und innerlich nachvollziehen wird diese Erkenntnis langsam vorbereitet, aber sie realisiert sich tatsächlich in der Gegenwart. In dem Moment, wo sie sich realisiert, kommt es zu einer Auflösung der psychologischen Zeit.

      Das Ende der psychologischen Zeit ist auch das Ende der Täuschung. Das Entdecken der Wahrheit ist aber nichts anderes, als das Verschwinden der Täuschung, denn die Wahrheit muss ja nicht konstruiert werden, sie muss nur entdeckt oder wiedergefunden werden. Es ist ein bisschen wie die Methode von Sherlock Holmes: Wenn man alles durchdacht und alles untersucht hat und es nur noch eine Möglichkeit gibt, dann muss diese Möglichkeit die Wahrheit sein. Das Ausschließen all dessen, was falsch ist, erfordert Zeit. Aber wenn alles ausgeschlossen ist, steht mit einem Mal die Wahrheit da. Sie war schon immer da, aber den Außenstehenden, Dr Watson, Inspector Lestrade usw. erscheint die plötzlich auftauchende Wahrheit wie ein Wunder.

      Da das Wirkliche kein Objekt ist, kann es auch nicht gewusst werden, nicht mit dem Verstand erkannt werden. Daher ist der Weg des Wissens, Jnana-Yoga, ein Weg des Ausschließens alles Unwirklichen, wirklich vergleichbar der Methode von Sherlock Holmes. „Wenn ich das nicht bin und wenn ich das nicht bin und wenn ich das nicht bin, dann muss ich das sein, was übrig ist, auch wenn ich mit dem Verstand nicht sagen kann, was es ist.“ Der Weg des Verstandes ist der Weg der Auflösung des Verstandes als Instrument des spirituellen Suchens. Schließlich wird er dafür nicht mehr benötigt; für alles andere kann er hervorragend weiter funktionieren.

      Es gibt keine „für sich existierenden“ bewussten Objekte. Es gibt keine „für sich existierenden“ bewussten Gedanken und auch keinen „für sich existierenden“ bewussten Körper, sondern alles ist nur bewusst oder existent im Lichte meines Bewusstseins. Auch künstliche Intelligenz - egal wie komplex - ist nie bewusst. Nur ich bin bewusst, nur ich bin. Das ist das tiefste Geheimnis: Wer ist bewusst? Wer „ist alles“? Auch das uns am nächsten Liegende, Gedanken und Gefühle, sind erst bewusst im Lichte des Selbst, im Lichte des Atman. Nichts existiert ohne dieses Licht und gleichzeitig wird sich dieses Licht auch durch die Objekte seiner selbst bewusst. Es ist auch die Objekte. Wo ist das Licht der Sonne, wenn um die Sonne herum nur leerer Raum ist? Die Planeten leuchten durch das Licht der Sonne, nicht aus sich selbst. Die Sonne könnte denken, sie würden aus sich selbst leuchten, aber irgendwann versteht sie, dass das Licht, das die Planeten erleuchtet, sie selbst ist und dass ihr Licht unabhängig ist von einzelnen Planeten (Objekten).

      Die Nicht-Dualität besteht darin, dass alles, was das Selbst wahrnimmt, die „Welt“, nicht von ihm verschieden ist. Die Welt der Objekte ist das Selbst, das sich in ihnen darstellt. Sie ist kein dualistisch getrenntes Zweites.

      Die „Dreieinigkeit“ ist der Erkennende, das Erkannte und das Erkennen. Gott ist derselbe, obwohl er in zwei Formen erscheint: wandelbar und unwandelbar, manifest und unmanifest.

      Das Gesetz von Karma, von Ursache und Wirkung gilt für die physische und für die Astralebene, aber nicht für das wahre Selbst. Das persönliche Karma löst sich in dem Moment auf, in dem man die Identifikation mit der physischen Welt, dem Körper und dem Verstand ganz aufgegeben hat, in dem Moment, in dem das wahre Wesen sich selbst erkennt.

      Da das wahre Wesen des Menschen, seine tiefste göttliche Essenz, Liebe und Freude ist, bedeutet Selbsterkenntnis und Selbstverwirklichung auf eben jenem Standpunkt jenseits aller Standpunkte zu stehen, wo man auch alles an sich selbst (sein Körper, seine irdischen Verhältnisse) mit Liebe und Akzeptanz sieht. Alle Schwächen, Probleme und Bedürfnisse werden nicht bloß „wahrgenommen“, sondern liebevoll angenommen. Der Standpunkt des wahren Selbst ist der Standpunkt der Freude und der Erfüllung. Von diesem Standpunkt aus ist es nur natürlich, allem, was in der eigenen irdischen Person, aber auch in anderen irdischen Manifestationen des Geistes, an Schmerz, Mangel usw. entsteht, mit Liebe und Mitgefühl zu begegnen. So bleibt kein Raum mehr für Konflikte, weder für innere Konflikte, noch für äußere Konflikte.

      Wenn das Selbst sich verwirklicht (erkannt) hat, handelt man aus der Freude heraus. „Freude“ bedeutet also nicht Passivität. Es ist eben nicht so, dass Aktivität nur aus dem Gefühl des Mangels entsteht.

      „Nicht-Zwei“ heißt, die wahrgenommene „objektive“ Welt ist das objektivierte „Selbst“. Die „Unwissenheit“ besteht darin, dass das Selbst sich mit Fragmenten dieser Welt identifiziert.

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