Von Get Back zu Let It Be. Friedhelm Rathjen

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Von Get Back zu Let It Be - Friedhelm Rathjen

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day“ ein (der Brite Cooper ist zu dieser Zeit Box-Europameister, hat allerdings beim Versuch, auch über Europa hinaus zu Ehren zu kommen, schon zwei Niederlagen gegen Muhammad Ali einstecken müssen) und ersetzt „Henry Cooper“ in der Folge durch Juxnamen. Wichtiger jedoch sind die musikalischen Änderungen. So will Paul die Middle Eight in doppeltem Tempo gespielt haben, ein Versuch, der sie allerdings nicht zufriedenstellt und schließlich wieder aufgegeben wird. Außerdem legt er die Gitarre zur Seite, um zu sehen, ob John und George den Song instrumental schon allein hinbekommen – in der Tat tun sie das, und so greift Paul nach seinem Bass und beginnt damit eine Begleitung zu entwickeln. Solo zum Bass singend improvisiert er zwischendurch ein anderes Heimkehrlied mit der Zeile „It’s good to see the folks back home“ (0:16), aber das ist nur ein Ablenkungsmanöver. „Ich weiß nicht“, räumt Paul ein, „ich kann den Bass nirgendwo richtig drin sehen.“ Dennoch spielt er TWO OF US die ganze Zeit weiter, mit einer Bassmelodie, die immer markanter wird, aber dadurch auch den Charakter des Songs eher ungünstig verändert. „Lasst es uns alles ruhiger versuchen“, gibt Paul eine neue Parole aus, und dann eine andere, die sich eher gegenteilig anhört: „Wir lassen es schneller klingen.“ Aber das sind alles keine wirklichen Verbesserungen, außerdem sind alle Beteiligten allmählich müde, weshalb der erste Probentag denn auch beendet wird.

      Und was hat er gebracht – wie sieht das Fazit aus? Auf den ersten Blick gar nicht so schlecht. Schon am ersten Tag sind sechs brauchbare neue Songs zusammengekommen: I’ve Got A Feeling als Gemeinschaftsprodukt von Lennon und McCartney, Don’t Let Me Down und Dig A Pony von John Lennon, Let It Down und All Things Must Pass von George Harrison sowie Two Of Us von Paul McCartney. Dazu als Songs zweiter Wahl A Case Of The Blues (eher ein Solostück), Child of Nature (schon älter, zudem für das gegenwärtige Vorhaben nicht recht geeignet) und Sun King (noch unausgegoren), alle drei von John Lennon, der überhaupt gut drauf und produktiv zu sein scheint.

      Auf den zweiten Blick deuten sich allerdings bereits erste Probleme an. Wenn es um die Arbeit an neuen Songs geht, weiß Paul vielleicht etwas zu gut, was er will; die anderen können da nicht mithalten. Johns Let It Down muss von Paul erst aufpoliert werden, damit der Song sein Potenzial entfalten kann; vielleicht verzichtet John deshalb auch darauf, nach Pauls Erscheinen seinen zweiten neuen Song Dig A Pony nochmals vorzustellen, und überhaupt scheint er sonst nichts mehr zu bieten zu haben – Johns Produktivität des ersten Tags wird sich bald als Strohfeuer erweisen. George wiederum ist mit dem ganzen Drumherum der Proben unzufrieden und kommt zudem mit seinem eigenen Songmaterial nicht recht zum Zuge. Hinter allem aber steht die weiterhin unbeantwortete Frage, was man denn mit diesen Proben überhaupt bezweckt, worauf sie hinauslaufen sollen. Zündstoff genug also für die nächsten Tage. Wird es gelingen, ein Gefühl der Gemeinsamkeit zu entwickeln, wie es in I’ve Got A Feeling und Two Of Us anklingt, oder geht alles (um das Leitwort aus den neuen Songs von John und George zu zitieren) down, den Bach runter?

      Alles muss vergehen

      Freitag, 3. Januar 1969, Filmstudio Twickenham

      Als gegen halb elf an diesem zweiten Probentag die Filmaufnahmen beginnen (ab jetzt sind zwei Kameras im Einsatz), sind Paul und Ringo da, George und John aber noch nicht. Paul nutzt die Zeit des Wartens auf die beiden Gitarristen, indem er sich ans Klavier setzt und zwischen Fingerübungen einige neue Stücke anspielt. Dies sind großteils keine Stücke, die für den geplanten Liveauftritt geeignet sind, sondern ruhige, balladeske Klavierkompositionen. Bei Einsetzen der Aufnahmen spielt Paul gerade die letzten Takte eines verträumten Stücks, von dem es zuvor nur eine Demo-Aufnahme aus dem Dezember 1968 gibt: THE LONG AND WINDING ROAD (0:14+). (Angeblich hat Paul den Song schon während der Arbeit am „Weißen Album“ einmal auf Band gespielt, dieses Band ist aber verschollen.) Als nächstes singt und spielt er – begleitet von Ringo, der den Rhythmus klatscht – eine schnellere Neukomposition, OH! DARLING (1:01+), improvisiert ein wenig und nimmt sich dann spielend, singend und pfeifend ein schon komplett ausgearbeitetes Stück vor, nämlich das nach Gassenhauer klingende MAXWELL’S SILVER HAMMER (2:55), das bereits für das „Weiße Album“ im Gespräch war, aber nicht allen Beatles bekannt ist. Paul und Ringo, der wieder mitklatscht, haben ihren Spaß und zeigen das auch, indem sie einige Passagen theatralisch übersteigern. Regisseur Michael Lindsay-Hogg fragt sie: „Ist euch Jungs überhaupt bewusst gewesen, dass ihr gefilmt werdet?“ Paul antwortet lachend: „Aber nicht doch!“

      John und George sind noch immer nicht da, also übt Paul weiter sein Klavierspiel, diesmal mit einem elegischen Stück des amerikanischen Komponisten Samuel Barber, dem ADAGIO FOR STRINGS (4:07+). Knappe anderthalb Minuten dieser Klavierübung sind später im Film Let It Be zu hören – allerdings nicht zu sehen, da Lindsay-Hogg sie mit späterem Bildmaterial verschnitten hat. Paul beendet die elegische Stimmung mit einer Cha-Cha-Version des Klassikers TEA FOR TWO (1:08), die Ringo mit Schenkelklatschen und rhythmischem Teetassengeklapper begleitet. Das macht beiden Spaß, also wirbeln sie mit gesteigertem Tempo nochmals durch TEA FOR TWO (0:43), bevor Paul zu Fragmenten aus anderen Stücken übergeht: dem Walzer CHOPSTICKS (0:29), einer improvisierten Eigenkomposition (0:40), der Titelmelodie der Kindersendung TORCHY, THE BATTERY BOY (1:13), Jerry Lee Lewis’ WHOLE LOTTA SHAKIN’ GOIN’ ON (0:48) und einer weiteren Improvisation (0:35). Übergangslos geht es weiter mit einer neuen Eigenkomposition, bei der Paul zunächst nur mitsummt, bevor er die ersten Zeilen eines Textes über seine früh verstorbene Mutter anstimmt: „When I find myself in times of trouble / Mother Mary comes to me / Speaking words of wisdom, let it be.“ Dies ist die früheste bekannte Aufnahme von LET IT BE (1:09). Nach der ersten Strophe des noch unfertigen Stücks geht Paul in eine weitere Improvisation (1:13) über.

      George trifft unterdessen ein und entschuldigt sich, er habe verschlafen – aber das macht nichts, denn John fehlt ja auch noch. Paul knabbert an einem schon angebissenen Apfel, der auf dem Klavier liegt (und ein hübsches Symbol der Beatles-Firma Apple abgibt). Paul tut es ein wenig leid, dass er dem Filmteam bisher nur Klaviergeplänkel zu bieten hat, aber Lindsay-Hogg stört das nicht: „Nein nein, das war schön. Das war ganz nett. Weißt du, wir haben ein paar Szenen eingefangen, wo man deine Finger nicht sieht, und wenn wir dann ein bisschen was für stimmungsvolle Stellen brauchen, lässt sich das vielleicht verwenden.“ Tatsächlich wird Filmaufnahmen des Moments, in dem Paul am Klavier improvisiert und George dazukommt, später im Film Let It Be der Ton des Adagio For Strings unterlegt. George hat derweil ein anderes Problem – er beklagt, dass sie auf den Fotos des Fanmagazins The Beatles Book inzwischen „immer älter“ aussehen.

      Ringo, der älteste Beatle, nimmt nun Pauls Platz am Klavier ein, um einige Takte einer neuen Eigenkomposition zu spielen und dazu zu singen: TAKING A TRIP TO CAROLINA (0:36). Während Ringo anschließend weiter auf dem Klavier herumklimpert, blättern George und Paul in der neuesten Nummer von The Beatles Book. George liest belustigt ein paar Überschriften vor: „‚Die wahre Geschichte der Beatles’ – wir haben sie nicht verbergen können! ‚Paul McCartney und seine Freundin, die Fotografin Linda Eastman, besuchen in Portugal den Beatles-Biographen Hunter Davies’“. Dann greift er sich seine Akustikgitarre und spielt und singt Bruchstücke aus PLEASE MRS. HENRY (1:08), einem Song der Basement Tapes von Dylan und The Band. Ringo: „Ist das ein Blues-Stück?“ George: „Hast du sie nicht abgespielt, die Bänder von Dylan?“ Ringo: „Ach ja – äh, die wollten nicht laufen.“ George ist von Dylan sehr beeindruckt und fängt an, eine Eigenkomposition im Dylan-Stil zu spielen, RAMBLIN’ WOMAN (1:37); Ringo klimpert dazu auf dem Klavier herum, und Paul steuert ein bisschen Harmoniegesang bei. Im Anschluss singt George zu akustischer Gitarrenbegleitung ein weiteres offenbar unfertiges Stück mit der Textzeile „Is it discovered?“ (0:40), und nun ist es Paul, der aus The Beatles Book vorliest. Ihn amüsiert die Hofberichterstattung: „Mir gefällt es, wie sie das durchziehen.“ George: „Auf die ist Verlass.“ Paul: „Das ist schon irgendwie verrückt. Selbst wenn wir im Kittchen säßen, würden sie noch niedlich drauflosschreiben: ‚Ringo, der ein bisschen einsitzt, sagt: Ist famos hier!’“

      Ebenfalls amüsiert, spielt Ringo ein paar eher einfallslose Takte auf dem Klavier, und George schrammelt dazu auf der Gitarre herum. Das sind nicht einmal Fingerübungen, sondern eher

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