Gottes Feuer. E.D.M. Völkel

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Gottes Feuer - E.D.M. Völkel

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Wetter trotzend, alle von Herrn Gerhardt empfohlenen Adressen und Treffpunkte ab. Über das Verzeichnis der Kriegsgefangenen fand sie weitere Namen von Soldaten und Offizieren, die damals ebenfalls in Eschborn stationiert waren. Leider erwiesen sich die meisten dieser Personen als bereits verstorben.

      Die gewissenhafte Suche gestaltete sich als Puzzlespiel, zumal die bis jetzt gefundenen Namen sehr häufig vertreten waren. ›Es ist wie heutzutage, die Mütter von damals hatten ebenfalls ihre Lieblingsnamen und es war genauso schick und angesagt mit der Namensmode zu gehen.‹

      Lediglich ein außergewöhnlicher stand auf ihrer Liste und stach aus der mittlerweile angewachsenen Reihe wie ein Stachel hervor. Er schrie geradezu nach ihrer Beachtung. Feodor Schling. ›Feodor, was hatte die Eltern veranlasst, ihrem Sohn diesen Namen zu geben?‹, dennoch brauchte Eva lange um eine mögliche Adresse zu dem Namensträger zu finden.

       Mai 2017

       Feodor Schling

      Endlich, nach einigen teilweise erfolglosen Reisen quer durch Deutschland und noch mehr telefonischen Absagen, fand sie in der Seniorenresidenz Hannover den ehemaligen Offizier.

      Den vollgetankten Frosch belud sie mit ihrem Korb, in dem eine Flasche Wasser und die Thermoskanne mit Tee gleich neben dem Apfel und belegten Brötchen untergebracht waren. Ihre Jacke landete in einem schwungvollen Bogen auf dem Rücksitz. Der Mai entwickelte sich warm, hatte allerdings noch viele kalte Morgen- und Abendstunden. Voller Tatendrang startete sie, die gut 300 Kilometer gaben ihr genügend Zeit, um die Taktik vor Ort zu überdenken. Würde sie diesmal Glück haben? Bekäme sie die Chance auf ein Gespräch oder musste sie erneut erfolglos abziehen? Zurückgewiesen von Angehörigen oder Pflegepersonal? Es war wie verhext, die Familien der Verstorbenen erwiesen sich als gesprächsbereit, wussten jedoch nicht wirklich neues und falls sie das Glück hatte, einen noch Lebenden zu finden, war er in einem hohen Alter und Endstadium des Lebens angekommen. Diese Menschen wollten sich nicht mehr an den schrecklichen Krieg und die unglaublichen Erlebnisse erinnern.

      Nach knapp vier Stunden Fahrt mit zahlreichen Baustellen und daraus resultierenden Staus stellte sie ihren Frosch auf dem Besucherparkplatz der Wohnstätte ab und lief zielsicher auf die doppelflüglige Eingangstür zu. Mit einem leisen Surren öffneten sich die Türflügel automatisch und Eva erspähte sofort den Tresen der Besucherinformation. Höflich erkundigte sie sich, ob Herr Feodor Schling zu sprechen, beziehungsweise besucht werden könne, erhielt jedoch eine rigorose Absage. Evas Bitte, ihre Telefonnummer einem der Familienangehörigen zu geben, lehnte die Dame ebenfalls kategorisch ab. Überrascht auf derart viel Ablehnung zu stoßen betrat sie enttäuscht und entmutigt das residenzeigene Café, stützte ihren Kopf in die Hände und war darauf und daran, diese ganze Sucherei aufzugeben. ›Ausgerechnet jetzt, der letzte Name auf meiner Liste der lebenden Zeitzeugen, komme ich nicht weiter?‹, niedergeschlagen sah sie aus dem großen Fenster in den weitläufigen Park, ihre Gedanken verselbstständigten sich, ›Es existieren nur zwei Möglichkeiten, entweder die Dame hat schlechte Laune, oder hier gibt es, so exotisch es erschien, tatsächlich doch etwas zu erfahren. Nein, ich werde nicht aufgeben, es gibt bestimmt Mittel und Wege, diesen Schling zu sprechen, oder wenigstens zu sehen‹. Ihr ausgeprägter Wille und die Hartnäckigkeit erwachten aufs Neue, ließen sie einen großen Schluck von dem starken heißen, schwarzen Tee trinken, als sie von einer weiblichen Stimme angesprochen wurde.

      »Ist hier noch frei?«

      In Gedanken, fest entschlossen nicht aufzugeben, sah Eva kurz auf,

      »Ja, bitte nehmen Sie Platz«, entgegnete sie geistig abwesend und registrierte instinktiv die gutgekleidete Dame. Eva schätzte sie auf Mitte 60. Augenblicklich erschien die Servicekraft und nahm die Bestellung auf. Ihr Gegenüber musterte sie unverhohlen mit argwöhnischer Mine, die anfängliche zurückgelehnte Haltung änderte sich. Eisig klangen die Worte aus ihrem Mund, »Hatten Sie nach meinem Vater Herrn Schling gefragt?« Erstaunt sah Eva direkt in feindselige, verachtende braune Augen. Die sehr gut gepflegte, weißhaarige Dame, ihr Visavis, war die Zurückweisung in Person. Aus jeder Pore strömte Ablehnung und Misstrauen.

      ›Volltreffer, hier bin ich am rechten Platz‹ jubelte Eva innerlich.

      »Ja, das ist korrekt«, erwiderte sie unverfänglich, wartend was jetzt geschehen würde.

      »Was erhoffen Sie sich von ihm?«, hart und abweisend waren ihre Worte. »Suchen Sie auch wieder irgendwelche Sensationsberichte und wollen ihn zum Sündenbock für angebliche Verbrechen machen?« Diese Gegenfrage bestätigte, endlich auf der richtigen Spur zu sein. Eva sah die Dame abwägend an, sie hatte mit Schwierigkeiten gerechnet, ebenso mit viel Abneigung und mögliche Verachtung dafür, alte Wunden aufzureißen, wusste, dass dies kein Spaziergang werden würde. Welche Taktik sollte sie jetzt anwenden? Die ›ich will es aber wissen, harte Tour‹ oder eher die ›feinfühlend, sensibel, Entschuldigung es tut mir leid Tour?‹ Die Tochter von Feodor Schling wartete auf eine Reaktion, sie beobachtete Eva ganz genau, wie ein Raubvogel bemerkte sie jede Regung, das kleinste Zucken ihrer Lider.

      ›Ich habe nur diese eine Chance, verdirb sie nicht.‹ »Entschuldigen Sie, das war keinesfalls meine Absicht, ich möchte weder Sie noch Ihren Vater behelligen«, sie griff nach ihrer Handtasche auf dem Stuhl neben sich, stand auf, wandte sich um und schritt entschlossen dem Ausgang entgegen. ›Los beiß an, ich hab‘ dir meine Kapitulation auf dem Silbertablett serviert.‹ Verstohlen sah sie über ihre Schulter, ›Folgt Frau Schling mir? Hat sie angebissen oder habe ich soeben die letzte Chance verspielt?‹ Eva hatte kaum die Tür erreicht, als sie am Arm gepackt wurde.

      »Verzeihen Sie, ich glaubte, Sie wären ebenfalls eine der Sensations- und Klatschreporterinnen, die uns schon seit Jahren belästigen.«

      Eva horchte innerlich auf, sie hatte die korrekte Entscheidung getroffen und war auf einer heißen Spur. ›Worauf bin ich gestoßen? Was hatte diese Frau alles erlebt, um derart feindlich und aggressiv, zu reagieren?‹, überlegte sie, ›Der Krieg und seine Auswirkungen waren schrecklich und das Letzte, was ich beabsichtige, sind alte Anschuldigungen aufzureißen. Wenn vor mir bereits Reporter Herrn Schling gefunden, befragt und ihm zum Sündenbock für angebliche Verbrechen erklärt hatten, war die Frage im Raum, gab es etwas in seiner Vergangenheit, das nachforschungswert war. Ein Fünkchen Wahrheit verbarg sich immer in diesen Klatschgeschichten. Pokere, Eva, pokere hoch. Alles oder nichts.‹ »Das lag nicht in meiner Absicht. Ich bin schon weg und komme nicht wieder. Versprochen«, beteuerte Eva, wandte sich um und wollte durch die hohe Ausgangstür laufen.

      »Nein, bitte bleiben Sie. Ich höre mir an, was Sie zu sagen haben und entscheide im Anschluss, ob wir Ihnen antworten.«

      Eva erkannte die kleine Versöhnungsbotschaft, die Tochter hing an der Angel.

      »Wollen wir in den Park oder möchten Sie lieber Ihren Tee austrinken?«, war die Bestätigung auf Evas Vermutung richtig gehandelt zu haben. Sie lächelte bereitwillig, »Der Park wäre toll. Er sieht jetzt im Frühling besonders einladend aus«, und nickte ihr zu.

      »Mein Name ist Rosemarie Schling«, sagte die Dame und reichte ihr die Hand.

      »Eva Völkel.«

      »Also los, lassen Sie mal hören, was Sie sich von meinem Vater erhoffen«, und strich sich, mit ihrer feingliedrigen Hand über das wohlfrisierte, weiße Haar. ›Jetzt muss ich genau taktieren‹, denn sie konnte Frau Schling nicht einfach die Geschichte mit dem Hinweis erzählen, die mehr verwirren würde als Antworten zu erhalten.

      »Ganz ehrlich? Ich weiß es nicht. Zu Beginn dachte ich an eine Dokumentation mit Berichten von Zeitzeugen. Doch Ihre Aussage über die Sensations- und Klatschreporter hat mir die Grundlage

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