Gottes Feuer. E.D.M. Völkel
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»Vati, Lore kommt heute nicht«, zärtlich strich sie ihrem Vater über die Hand und sah ihn liebevoll an. Eva erkannte, Feodor Schling erlebte die Vergangenheit und die Gegenwart gleichzeitig, vermochte diese jedoch nicht von einander zu unterscheiden. Der Soldat Otto, mit dem Loch im Kopf, der zu gierig geworden war, konnte das der unbekannte Tote aus dem Artikel von 1993 sein? Nachdenklich schaute sie auf Herrn Schling hinunter, was sie soeben gehört und gesehen hatte, waren die Auswirkungen von schrecklichen Erlebnissen aus längst vergangenen Kriegszeiten. ›Erst mal wieder alles im Kopf zurecht rücken‹, dachte sie, das gehörte Durcheinander überprüfen und Fakten schaffen. Nach diesem Gedanken reichte sie Frau Schling zum Abschied die Hand.
»Danke, dass ich Ihren Vater kennenlernen durfte«, und wandte sich an den alten Mann vor ihr, »Herr Schling ich wünsche Ihnen alles Gute, auf Wiedersehen«, verabschiedete sie sich.
»Warten Sie noch einen Augenblick, ich komme gleich mit«, bat die Tochter.
Auf dem Gang erzählte Frau Schling von ihrem täglichen Kampf mit der Vergangenheit, »Vater hatte heute einen guten Tag, er hat mich sogar erkannt. Manchmal hält er mich für Eleonore, seine erste Frau. An meine Mutter, sie war seine zweite Frau, erinnert er sich fast gar nicht mehr. Beide waren nur kurz verheiratet und sie ist bei meiner Geburt gestorben, ich habe nie ein Bild von ihr gesehen. Früher sagte Vater, ich hätte ihr Aussehen, er brauche kein Bild von ihr, er habe ja mich.«
Lächelnd sah sie Eva von der Seite an.
»Die Jahre im Krieg und in Gefangenschaft müssen schrecklich gewesen sein, das hat er nie ganz verkraftet. Oft hat er im Schlaf wild geschrien, das hat mir immer Angst gemacht. Als Kind mochte ich seine Geschichten, er konnte sehr spannend erzählen, doch im Laufe der Jahre kannte ich sie auswendig und wollte nichts mehr hören.« Frau Schling schlug den Weg zum Café ein. Eva spürte, das sie heute vielleicht noch mehr erfahren würde, ihr Gegenüber brauchte eine Person zum Reden, um ihre Sicht der Vergangenheit endlich einmal loszuwerden.
»Ich weiß, er oder einer der anderen drei, haben eine große Schuld auf sich geladen. Früher hat er nie davon gesprochen, doch seit 1991 der Brief angekommen ist, hat er sich schlagartig verändert. Ich werde den Inhalt der Zeilen, die Vater dermaßen durcheinander brachten, niemals vergessen. Sie haben sich tief in meine Erinnerung eingebrannt. ›Feodor, der Sturmvogel kann landen, komm‘ und steh zu deiner Pflicht.‹
Sie schüttelte den Kopf, Tränen standen in ihren Augen, »Der Vergangenheit gegenüberzutreten und sich seiner Schuld zu stellen, hat meinen Vater vollkommen aus der Bahn geworfen. Es wurde immer schlimmer und seit einigen Jahren bringt er alles durcheinander. Die Vergangenheit und die Gegenwart sind eins geworden, er kann sie nicht mehr unterscheiden oder gar trennen. Wenn ich die Geschichten von früher mit den Einzelheiten, die er jetzt unbeabsichtigt ausplaudert, ergänze, wird ein schreckliches Bild daraus.«
Erneut im Café angekommen bestellten sie sich Getränke. Ihr Gegenüber sah Eva abschätzend an. Sie bemerkte deren Zweifel, ob es richtig war weitere, möglicherweise brisante, Einzelheiten auszuplaudern. Eva lehnte sich entspannt zurück und hoffte inständig, das sie einen vertrauenswürdigen Eindruck vermittelte. Unvermittelt sagte Frau Schling,
»Ich erzähle Ihnen jetzt ein grauseliges Märchen, alles darin ist erfunden und nichts davon entspricht der Wahrheit.«
Sie verstand, obwohl Rosemarie als Tochter diese Geschichten lediglich alle gehört hatte, belastete sie das Wissen sicherlich sehr. Hatte sie jemals offen darüber gesprochen oder musste sie allein damit fertig werden?
»Drei Soldaten und ein Offizier wurden mit sehr vielen anderen im Kriegsgefangenenlager Eschborn abgeladen, sie sollten den Flugplatz wieder aufbauen. Bei den Bauarbeiten fand dieser Arbeitstrupp bestehend aus drei Soldaten und einem Oberleutnant in einem aufzuschüttenden Bombenkrater mehrere händevoll Goldmünzen. Sie waren sich schnell einig, dass die Amerikaner von diesem Fund niemals erfahren durften und schworen sich bei ihrem Leben Stillschweigen zu bewahren. Sie versteckten das Gold noch tiefer im Krater, füllten ihn auf und wollten nach dem Abzug der Amerikaner den Schatz bergen.«
Sie unterbrach ihre Geschichte, als die Servicekraft die bestellten Getränke auf den Tisch stellte.
»Was sie in ihrer Aufregung nicht bemerkten, am Kraterrand stand ein vierter Soldat, der den Fund mit angesehen und den Schwur mit der Vereinbarung zur Bergung gehört hatte. Er forderte einen Anteil, sonst verriet er das Versteck an die Besatzer und erkaufte sich Vergünstigungen von ihnen. Die Vier waren sich schnell einig, dem Fünften konnten sie nicht trauen, er war gefährlich und musste verschwinden. Bei nächster Gelegenheit erschlugen und vergruben sie ihn, in einem der zahlreichen Löcher, welche durch die umfangreichen Bauarbeiten entstanden.« Eva sah Frau Schling schweigend über den Rand der Tasse an, ›Es passte, Otto ist das unbekannte Skelett. Die vier, Feodor, Rolf-Kaspar, Albert und Ernst waren 1945 auf dem Fliegerhorst.‹
»Diese grausame, heimtückische Tat schweißte die 4 auf ewig zusammen und sie gaben sich den Namen Sturmvogel, um dies niemals zu vergessen. Den Amerikanern erzählten sie, der Soldat habe sich abgesetzt, er sei zu seiner Familie zurück, er habe die Gefangenschaft nicht mehr ausgehalten. Die Arbeiten waren hart, die Unterkünfte kalt, jeder wollte nach Hause. Einige der Soldaten hatten ebenfalls versucht abzuhauen und wurden erwischt. Doch der eine schien es geschafft zu haben, er war auf immer verschwunden.«
Eva hörte aufmerksam zu und nickte ›Selbstverständlich blieb er unauffindbar. Er lag mit eingeschlagenen Kopf in einem Bombenkrater, der zugeschüttet wurde.‹ Jetzt verstand sie die Beweggründe der alten Dame ihr gegenüber, jegliche Reporter zum Schutz für ihren Vater zu meiden.
»Wie schuldig wer von den Vieren ist, weiß ich bis heute nicht und wer die schreckliche Tat begangen hat, auch nicht. Sie Frau Völkel, scheinen nicht auf Sensationen aus zu sein und wenn davon dennoch etwas in die Zeitung kommt, werde ich alles abstreiten, es ist lediglich ein Gruselmärchen, das mir mein Vater erzählt hat.« Beschwörend sah sie Eva an, »Wir haben uns verstanden?«
»Ja, das haben wir«, nickte sie nochmals zur Bestätigung, sie wusste nur zu gut, dass Eltern manchmal Dinge in die Wege leiteten, welche auf die Kinder zurückfielen.
»Freckel, Otto Freckel war sein Name. Wenn Sie meinen Vater gefunden haben, dann finden Sie ihn ebenfalls. Was auch immer Ihre Intension ist diese alte Geschichte auszugraben, passen Sie sehr gut auf sich auf. Leben Sie wohl Frau Völkel. Alles Gute.« Bestimmt, ohne ein weiteres Wort stand sie auf und verließ das Café, ohne sich noch einmal nach Eva umzudrehen.
Elektrisiert sah diese ihr hinterher, was sie soeben gehört hatte, erschien glaubhaft, möglicherweise war das eine oder andere Detail weggelassen oder vielleicht hinzugefügt, jedoch im Großen und Ganzen schien die Erzählung wahr sein. In jeder Geschichte steckte das Quäntchen an Wahrheit, wie umfangreich es war, galt es jetzt heraus zu finden.
Hatte das ihr Schutzengel gemeint, war dies der Hintergrund, zu dem sie recherchieren sollte? Gab es tatsächlich noch versteckte Goldmünzen, die auf ihre Bergung warteten? So lange Zeit nach dem Abzug der Amerikaner?
Eva konnte sich das nicht so recht vorstellen. Sicherlich waren die Ehemaligen dieser Vierer Gruppe sofort nach Freigabe des Geländes 1991 in einer Nacht und Nebel Aktion dort gewesen und hatten ihren seit 46 Jahren vergrabenen Schatz gehoben. Wieso sonst sollten sie Feodor den Brief schicken, in dem eindeutig zu verstehen war, dass der Sturmvogel jetzt landen durfte, vermutlich um die Bergung einzuleiten. Die ehemaligen Soldaten waren zu diesem Zeitpunkt etwa zwischen 66 und 72 Jahre alt. Jung genug, um mit Hacke und Schaufel