Aveline Jones und die Geister von Stormhaven. Phil Hickes

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Aveline Jones und die Geister von Stormhaven - Phil Hickes

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für ein wunderbarer Name«, erwiderte Mr Lieberman. »Weißt du, in meinem persönlichen Lebensbuch ist jeder, der Bücher mag, ein wunderbarer Mensch. Also, Aveline, sieh dich um und schau, ob du Bücher findest, die sich nach etwas Liebe sehnen. Bei mir sind alle Bücher willkommen, musst du wissen, ich weise nichts und niemanden ab. Selbst wenn mir jemand ein Buch über das langweiligste und ödeste Thema bringt, wie zum Beispiel eine Abhandlung über den Bau von Fließbändern, nehme ich es trotzdem mit offenen Armen auf. Bücher sind der größte Schatz auf dieser Welt, findest du nicht auch?« Er hielt inne und sah sie stirnrunzelnd an. »Du interessierst dich nicht zufällig für Fließbänder, oder?«

      Lachend schüttelte Aveline den Kopf. Tante Lilian hatte recht gehabt, Mr Lieberman redete wirklich ohne Punkt und Komma, aber sie hörte ihm gerne zu. Alt und verknittert und chaotisch, wie er war, ähnelte er auf gewisse Weise seinem Laden und den Büchern darin.

      »Ich bin mit meinem Vater in dieses Land gekommen, als ich noch ein kleiner Junge war«, fuhr Mr Lieberman fort. »Von ihm weiß ich, dass es in unserer Heimat Deutschland Menschen gab, die Bücher verbrannten. Das ist fast das Schlimmste, was man sich vorstellen kann. Er hat mir das Versprechen abgenommen, dass ich meine Bücher hege und pflege, als wären sie meine Kinder. Und hier bin ich, Vater von Millionen kleiner Papierkinder. Vielleicht wirst du heute eines von ihnen adoptieren?«

      »Vielleicht«, sagte Aveline. »Ich hoffe es.«

      Der alte Mann stützte sein spitzes Kinn auf die Hand. »Nun, dann geh am besten dort entlang. Die Bücher über Geister hausen ganz hinten im Laden, wo es dunkel und ein bisschen schaurig ist. Da fühlen sie sich am wohlsten.«

      Mit diesen Worten drehte sich Mr Lieberman um und rief: »Harold! Wir haben hier eine sehr wichtige Kundin. Wärst du so freundlich, herzukommen und uns behilflich zu sein?« Wieder an Aveline gewandt, fügte er mit einem Lächeln hinzu: »Harold ist mein Großneffe – womit ich meine, dass er der Sohn meines Neffen ist, nicht ein ganz besonders großer Neffe, obwohl man auch dies von ihm behaupten kann.« Er vergewisserte sich, dass sie noch immer unter sich waren, bevor er mit gesenkter Stimme weitersprach: »Allerdings ist er manchmal ein wenig zurückhaltend. Ein bisschen schüchtern, verstehst du?«

      Aveline setzte ihren ernstesten Gesichtsausdruck auf und nickte. Tatsächlich verstand sie sehr gut, was es hieß, ein bisschen schüchtern zu sein – so fühlte sie sich nämlich gerade selbst, wie sie inmitten eines vollgestopften Bücherladens stand und darauf wartete, einem Fremden vorgestellt zu werden.

      Ein hochgewachsener Junge erschien in der Tür hinter dem alten Mr Lieberman.

      »Ah, da bist du ja. Harold, das ist Aveline, eine hochgeschätzte Kundin.«

      Der Junge warf einen Blick in Avelines Richtung, sagte aber kein Wort. Aveline überlegte, ob das daran lag, dass Mr Lieberman so viel sprach, denn das reichte für zwei. Die Familienähnlichkeit zwischen beiden war nicht zu übersehen. Harold war schlaksig wie sein Großonkel. Trübsinnig starrte er unter den Fransen seiner langen schwarzen Haare hervor, als würde er sich nur äußerst ungern um Kunden kümmern.

      Da fiel es ihr wie Schuppen von den Augen.

      Es war er!

      Bücherboy!

      Der Junge, den sie gestern vor der Fish-and-Chips-Bude gesehen hatte.

      »Harold, würdest du Aveline bitte zeigen, wo die Gespensterbücher sind?«

      Harold zögerte eine Sekunde, bevor er antwortete. Aveline kam die Sekunde vor wie eine Ewigkeit.

      »Sie sind oben«, murmelte er schließlich. »Komm mit.«

      Aveline wäre es lieber gewesen, Harold hätte ihr einfach die Richtung gezeigt und sie dann allein gelassen. Aber als sie ihm die schmale Treppe hinauf folgte, wurde ihr klar, dass es aussichtlos gewesen wäre, den Laden auf eigene Faust zu erkunden.

      Im hinteren Teil des Ladens war es sogar noch beengter als vorn. Halb Bibliothek, halb Lagerraum mit Kartons voller Bücher, die den überquellenden Buchregalen den Platz streitig machten. Aveline hätte hier jahrelang stöbern können und hätte nicht mal ansatzweise alles gesehen. Hier oben war es um einiges dämmriger als im Verkaufsraum. Harold schaltete eine alte Lampe ein, vermutlich nur für sie, denn er selbst bewegte sich mit traumwandlerischer Sicherheit durch das Bücherlabyrinth.

      Vor einem Regal blieb er stehen, bückte sich und warf die Haare aus der Stirn.

      »Dieser Laden ist die reinste Müllhalde, aber das, was du suchst, steht vermutlich irgendwo hier.«

      Aveline gefiel die chaotische, kleine Buchhandlung ziemlich gut, aber sie behielt ihre Meinung für sich. Jetzt gab es Wichtigeres zu tun. Als sie das kleine, durchgebogene Regalbrett mit dem Schild Spuk & Übernatürliches entdeckte, hätte sie Harold am liebsten zur Seite geschubst. Es war die reinste Schatzkiste.

      »Danke«, sagte Aveline.

      »Schon okay«, murmelte Harold.

      »Du arbeitest also hier?«, fragte Aveline.

      »An den Wochenenden.« Harold schniefte. »Meine Mum und mein Dad sind oft beruflich unterwegs und in der Zeit kümmert sich mein Großonkel um mich. Arbeit kann man es eigentlich nicht nennen. Die meiste Zeit sitze ich im Hinterzimmer und lese.«

      »Hört sich toll an«, sagte Aveline ein bisschen neidisch. Sie hätte auch gern einen Ort wie diesen für sich gehabt. »Übrigens habe ich dich gestern gesehen. Als wir durch Stormhaven gefahren sind. Du hast ein Buch gelesen und Pommes gegessen.«

      »Oh … ja … kann sein«, sagte Harold, dann verstummte er wieder.

      Einen Augenblick lang herrschte verlegenes Schweigen. Aveline überlegte, ob sie noch einen Versuch unternehmen sollte, das Gespräch am Laufen zu halten, aber Harold machte es ihr nicht gerade leicht. Sie merkte, wie sie rot wurde, als Harold plötzlich auf das unterste Regalbrett deutete.

      »Was gefällt dir überhaupt an diesem komischen Gruselzeug?«

      Mit dieser Frage hatte Aveline nicht gerechnet.

      »Ähm, ich weiß nicht«, sagte sie und wickelte das Ende ihres Schals um die Finger. »Vielleicht grusele ich mich einfach gern. Und ich habe mich schon immer gefragt, ob es Geister gibt oder nicht. Irgendetwas muss an dem Gruselzeug doch dran sein, ich meine, wieso sollte man sich das alles nur ausdenken? Glaubst du an Geister?«

      Harold schnaubte. »Nö, das ist nur ein Haufen Blödsinn. Aber egal, wenn du Geister magst, dann bist du hier genau richtig. Der ganze Ort ist wie ein Friedhof.«

      »Ja, ich habe eine Vogelscheuche gesehen, die richtig gruselig war.«

      »Warte nur, bis du die Einheimischen kennenlernst, die sind noch viel gruseliger.«

      Aveline kicherte. »So schlimm wird es schon nicht sein.«

      »Eigentlich ist es ganz okay hier. Nur ein bisschen ruhig. Aber die Pommes sind echt gut. Du musst sie unbedingt mal probieren.«

      Aveline wurde erneut rot. »Okay.«

      »Bist du mit deinen Eltern da?«

      »Meine Mum hat mich hergebracht«, sagte Aveline. »Mein Dad lebt in Amerika. Sie haben sich scheiden lassen, als ich noch klein war«,

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