Aveline Jones und die Geister von Stormhaven. Phil Hickes
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»Oh. Okay. Tja, dann überlasse ich dich jetzt den Büchern.«
»Danke.«
Aveline meinte, eine leichte Röte auf Harolds Gesicht zu sehen, als er sich zum Gehen wandte, aber wegen seiner wuscheligen Haare konnte man das nicht mit Sicherheit sagen. Zumindest durfte sie jetzt allein in den Schätzen stöbern, die Mr Lieberman in dieser dunklen und staubigen Ecke versteckt hatte.
Nachdem Harold gegangen war, legte sich Stille über den Raum. Aveline stellte sich vor, wie alle Bücher den Atem anhielten und gespannt darauf warteten, welches von ihnen ausgewählt werden würde. Mr Lieberman hatte von ihnen gesprochen wie von einsamen Menschen. Das hatte Aveline traurig gemacht und am liebsten hätte sie alle mit nach Hause genommen.
Neugierig kniete sie sich auf den Boden, legte den Kopf schief und ließ den Blick über die Buchrücken gleiten. Die meisten waren alt. Sehr alt. Dazwischen gab es immer wieder ein paar Taschenbücher, die schon bessere Zeiten erlebt hatten, aber der Großteil der Bücher war so, wie man sie heute nur noch selten fand – dicke Wälzer mit welligen Buchrücken und Einbänden, deren Farben inzwischen verblasst waren und denen man ansah, dass sie durch sehr viele Hände gegangen waren. Innen war die Schrift altmodisch und klein, viel kleiner, als Aveline es gewohnt war. Die Seitenränder waren vergilbt und runzlig wie die Haut eines alten Menschen.
Aveline seufzte vor Vergnügen. Gespensterbücher durften ruhig ein wenig zerfleddert sein, das passte zu ihnen.
Aber jetzt musste sie entscheiden, welches sie kaufen wollte. Ihre Mum hatte ihr etwas Geld dagelassen. Aveline musste sparsam damit umgehen, aber ein gebrauchtes Buch würde kein allzu großes Loch in ihre Geldbörse reißen. Sie blickte auf ihr Handy und sah, dass sie noch eine halbe Stunde Zeit hatte, bis sie ihre Tante im Café treffen sollte. Sie biss sich auf die Unterlippe und fing an, ein Buch nach dem anderen aus dem Regal zu ziehen.
Gesammelte Gespenstergeschichten
Das Beste aus der Welt der Gespenster
Schauerliche Sagen
Enzyklopädie der Hexerei und Magie
Übersinnliche Erzählungen
Englands Spukgestalten
So ging es immer weiter. Aveline besaß kein einziges davon, kein Wunder also, dass der Bücherstapel neben ihr immer größer wurde. Eine Auswahl zu treffen, war schier unmöglich.
Da erregte ein bestimmtes Buch ihre Aufmerksamkeit: flaschengrün mit Goldbuchstaben. Es sah aus, als gehörte es in ein Museum oder eine Universitätsbibliothek. Im Gegensatz zu den anderen Büchern ging es darin um Stormhaven und die nähere Umgebung.
Gespenster und Phantome von Dorset, Devon und Cornwall
Volltreffer, genau danach hatte sie gesucht.
Aveline nahm das Buch aus dem Regal, schlug es auf einer x-beliebigen Seite auf und fing an zu lesen. In dem Text ging es um eine mythische Kreatur, bekannt unter dem Namen Bucca oder Klopfer. Das waren Kobolde, die tief unten in den Zinnminen Cornwalls lebten und an Felswände klopften, um die Minenarbeiter zu warnen, wenn unterirdische Gänge einzustürzen drohten. Aveline versuchte, sich vorzustellen, wie man sich in einem stockdunklen Tunnel fühlte, wenn plötzlich ein Klopfen ertönte und man wusste, dass nur noch wenige Sekunden zur Flucht blieben. Sie las weiter und erfuhr, dass die Minenarbeiter sich nicht einig waren, ob die Buccas wirklich gut oder doch eher böse waren. Einige glaubten sogar, dass –
»Buh!«
Aveline machte vor Schreck einen Satz. Verärgert schob sie ihre Brille hoch und starrte Harold an, der grinsend auf sie herabblickte. Er bewegte sich lautlos wie ein Kater, der sich an einen Spatz anschleicht.
»Na, schon irgendwelche Geister gesehen?«
»Nein, du hast sie alle verscheucht«, erwiderte Aveline und kam zu dem Schluss, dass sie den Großonkel lieber mochte als den Großneffen. Sie hielt das Buch hoch, in dem sie gerade gelesen hatte. »Ich muss gehen, meine Tante wartet auf mich. Wie viel kostet das?«
Harold warf seine Haare zurück und betrachtete stirnrunzelnd das Buch.
»Keine Ahnung. Die Bücher haben keine Preisschilder, aber mein Großonkel weiß immer genau, wie viel sie kosten. Gib’s her, dann frag ich ihn.«
Nur widerwillig reichte sie Harold das Buch. Sie hatte das Gefühl, als würde es bereits ihr gehören.
Aveline folgte Harold nach unten in den Verkaufsraum und wartete nervös, als er seinem Großonkel das Buch gab.
»Sie will wissen, wie viel es kostet.«
»Aveline möchte wissen, wie viel es kostet«, korrigierte ihn Mr Lieberman.
»Ja, klar.«
Mr Lieberman zog eine halbmondförmige Brille hervor und setzte sie auf seine große Nase. Blinzelnd begutachtete er den Buchrücken und summte dabei halblaut vor sich hin. »Ah, das ist eine echte Rarität. Dieses Buch wird schon seit Jahren nicht mehr gedruckt. Es würde mich nicht wundern, wenn dies das letzte Exemplar wäre. Womöglich das einzige im ganzen Land? Ach, stell dir vor, du besitzt etwas ganz Besonderes wie dieses seltene Buch!«
Avelines Augen wurden immer größer. Mr Lieberman gab ihr das Buch, setzte die Brille ab und strahlte Aveline an.
»Für ein Pfund gehört es dir.«
»Wirklich? Ich meine, mehr kostet es nicht?«, fragte Aveline. Sie hatte den Verdacht, dass der richtige Preis sehr viel höher war. Sie blickte zu Harold, aber der zuckte nur mit den Schultern, als wäre alles völlig normal.
»Ganz sicher«, bekräftigte Mr Lieberman. »Ich kenne den Preis jedes einzelnen Buches in diesem Laden und dieses hier kostet zweifellos ein Pfund. Möchtest du es kaufen?«
Aveline zog einen Zehn-Pfund-Geldschein aus ihrer Tasche und hielt ihn hoch. »Ja, bitte!«
»Ausgezeichnet!«, sagte Mr Lieberman. »Und schon findet wieder ein Buch ein schönes Zuhause. Harold, sei bitte so nett und gib Aveline das Wechselgeld.«
Harold tippte den Betrag in die Kasse, dann steckte er das Buch in eine braune Papiertüte. »Für dich.«
»Danke«, sagte Aveline.
»Tut mir leid, wenn ich dich vorhin erschreckt habe.«
»Hast du nicht«, antwortete Aveline, denn Harold musste ja nicht wissen, dass er ihr einen ziemlichen Schrecken eingejagt hatte. »Dahinten ist es eben ein bisschen gespenstisch.«
»So wie überall in Stormhaven«, erwiderte Harold grinsend. »Keine Sorge, du gewöhnst dich dran.«
Mr Lieberman streckte den Arm aus, um Avelines Hand zu schütteln. »Herzlichen Dank für den Einkauf, es war mir ein Vergnügen, Aveline.« Versonnen legte er einen Finger an seine Wange. »Jetzt, wo ich so darüber nachdenke … mit dem Buch hat es irgendetwas auf sich … was war es doch