Behindert! "Wie kann ich helfen"?. Adam Merschbacher
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Alle Menschen kommen mit einer Würde und einem sehr starken Lebenswillen auf die Welt. Die Würde, die uns von außen widerfährt, ist laut Grundgesetz unantastbar. Daran hält sich jedoch nicht jeder auf der Straße. Es gibt darüber hinaus auch noch eine persönliche, individuelle Würde. Diese wird im Laufe eines Lebens entweder gefestigt und dann Selbstbewusstsein genannt oder auf vielfältige Weise demoralisiert und moralisch zerstört.
Zu keinem Thema gibt es mehr „Witze“, als über Behinderte und vom Leben benachteiligte Menschen. Lustig vielleicht, wenn man davon selbst nicht betroffen ist. Deshalb lachen auch nur „gesunde“ und sehr einfältige Menschen über Behindertenwitze.
Gefestigte Personen haben damit eigentlich auch keine Probleme, aber leider sind diese in der Minderheit und der Witzeerzähler kann die beiden Wesenstypen nicht unterscheiden. Die häufig gehörte Floskel, dass die besten Behindertenwitze von Behinderten selbst stammen, ist ein Irrglaube, sofern diese Aussage lapidar von Nichtbehinderten kommt. Nur weil diese, meist aus Verlegenheit, darüber lachen, sagt es nichts über die Kränkung, Beleidigung oder Demütigung aus, die sie erfahren. Wenn Witze von Behinderten untereinander zum Besten gegeben werden, dann ist das etwas anderes.
Jemand gilt als behindert, wenn nach dem Neunten Sozialgesetzbuch (SGB IX) eine Schädigung der körperlichen Funktionen, der geistigen Fähigkeiten oder der Psyche (seelische Gesundheit), über einen längeren Zeitraum wahrscheinlich, von mindestens 6 Monaten vorliegt und damit das Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Bei der Beeinträchtigung kann es sich um angeborene, krankheitsbedingte, überwindbare oder dauernde Einschränkungen handeln.
Art und Schwere der Behinderung, sowie deren Ursache sind zwar für den Betroffenen wichtig, aber nicht wesentlich aussagefähig für andere nicht betroffene Mitmenschen, die mit dem Thema und der Behinderung nicht vertraut sind und kein Grundwissen dazu besitzen.
Im Internet findet man Kontaktportale für Personen mit Behinderung. Da verbindet sich dann, wie ein Psychologe unlängst meinte, „Not mit Elend“. Das sehe ich völlig anders. Warum sollen sich nicht zwei gleich- oder unterschiedlich Behinderte ergänzen? Aber auch Gesunde können sich mit Behinderten zusammentun. Nach meiner persönlichen Meinung ist hier alles möglich und „fast alles“ erlaubt.
Ob das Leben eines Behinderten trotz dessen Behinderung Spaß und Freude bereitet, hängt in erster Linie von der persönlichen Lebenseinstellung, dem sozialen Umfeld, der Pflegesituation und einer eventuell funktionierenden Partnerschaft ab. Die Behinderungsart und der Grad der Behinderung spielen dabei nicht die Hauptrolle. Im Gegenteil! Häufig sind gerade die Betroffensten und sehr schwer behinderten, die am demütigsten und verständnisvollsten Menschen. Wer ständig jammert, nach Mitleid heischt und jedem sein „Los“ mitteilt, den wünscht man sich sonst wohin, aber nicht in seine ständige Umgebung.
Auch gesunde Menschen haben Probleme. Da können Fußballprofis nachts nicht schlafen, wenn im gleichen Verein, ein Mitspieler 300.000 € im Monat verdient und man selbst nur 290.000 €. Oder der Nachbar fährt einen neuen BMW und man kommt selbst mit einem 10 Jahre alten PKW daher. Es sind zwar völlig andere Sorgen, aber auch sie sind real vorhanden und können psychisch krank machen.
„Ziemlich beste Freunde“. Wer hat den Film nicht gesehen? Wie eine Entwicklung von einem völlig illusionslosen Senegalesen nach einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme durch das Arbeitsamt zu einem unkonventionellen Pfleger für einen Tetraplegiker (Querschnittsgelähmten) wird, der diesem zwar steinreichen, aber isoliert dahin vegetierenden Philippe neuen Lebensmut und für sich selbst eine ganz neue Perspektive hervorbrachte, dies zeigt dieser Film in ganz vielen Einzelepisoden. Wirklich sehenswert!
Nach meiner ganz persönlichen Meinung ist ein Teil der Behinderten gut versorgt in Deutschland. Der andere Teil ist nicht gut, bis sehr schlecht versorgt. Die Ursache ist hauptsächlich Unwissenheit über Möglichkeiten der Unterstützung und der angebotenen Hilfsleistungen, auf die sogar rechtliche Ansprüche bestehen würden.
Dazu habe ich sehr viel recherchiert, da vieles auch für mich neu war, sich verändert hat und in mehreren Kapiteln in diesem Buch beschrieben wird. Wir dürfen aber auch die Akzeptanz in der Bevölkerung nicht überstrapazieren, damit das Erreichte erhalten bleibt. Das stellte ich am Entwurf für das sogenannte Reha- und Intensivpflegestärkungsgesetz von Bundesgesundheitsminister Spahn (CDU) fest. Im Kern geht es darum, Geld für die Krankenkassen und die Sozialkassen einzusparen. Diese daraus folgende existenzielle Angst treibt derzeit viele Pflegebedürftige und ihre Familien in Deutschland um. Angehörige und Interessensgemeinschaften sind daraufhin auf die Barrikaden gegangen und haben damit ein Umdenken erreicht.
Da sollten Patienten beispielsweise mit ALS, jener Nervenkrankheit auf die vor fünf Jahren die „Ice Bucket Challenge“ aufmerksam machte, laut dem neuen Gesetz, das Jens Spahn plante, wohl gezwungen werden, ihr Zuhause zu verlassen und in ein Pflegeheim umzuziehen. Ziel des Gesetzes ist, die Pflege Schwerstkranker zu reformieren. Denn in der Intensivpflegebranche läuft derzeit einiges schief. Die gesetzlichen Krankenkassen geben pro Jahr mehr als zwei Milliarden Euro aus, um jene Patienten im Land zu versorgen, die rund um die Uhr Pflege benötigen und nicht in einem Pflegeheim leben, sondern zu Hause oder in einer „Wohngemeinschaft“. Es ist sicherlich richtig, dass einige schwarze Schafe aus den ambulanten Pflegediensten hier ihr „Schindluder“ treiben. Will man dieses Problem auf dem Rücken und der Lebensqualität von Schwerstbehinderten lösen, dann macht es sich die Politik einfach nur zu leicht.
Deshalb war der Appell an das Gesundheitsministerium so wichtig, noch einmal darüber nachzudenken und nachzurechnen, wie hoch die Einsparungen tatsächlich sind, da der Aufwand in Pflegeheimen – sofern ausreichend Personal abgestellt wird – nicht sehr viel geringer sein kann, da das Pflegeheim ein vielfaches an Lohnkosten erwirtschaften muss, ohnehin kein Personal findet und die Herauslösung von gepflegten Personen aus der vertrauten Umgebung einfach nur menschenunwürdig und brutal ist. Sehr viel einfacher wäre es, die Qualifikation und Abrechnungsmethoden dieser ambulanten Pflegekräfte intensiver zu überprüfen und Anforderungen den Umständen nach neu und konkret zu definieren. Der Gesetzgeber müsste nur einmal die Betroffenen fragen, mit welchem Lebenswillen und Glücksempfinden sie sich zu Hause, trotz schwerster Krankheit und Einschränkung dennoch sehr wohl fühlen.
Was die Akzeptanz von Behinderten anbetrifft, so können wir Behinderten sehr viel dazu beitragen, indem wir nicht bei jeder Kleinigkeit auf unsere Rechte bestehen, wenn es auch anders ginge. Jeder Nichtbehinderte wird sich künftig weniger hilfsbereit zeigen, wenn man für seine angebotene Hilfe vor den Kopf gestoßen wird oder schlechte Erfahrungen mit Menschen mit Handicap macht. Persönlich habe ich den Eindruck, dass die Toleranzgrenze untereinander äußerst gering ist. Da kommt es sogar zur Rivalität und Aussagen unter Behinderten, wie z. B.: „Ich bin aber mehr behindert als du“. Da kann ich nur sagen „Gratuliere“.
Speziell unter Jugendlichen werden Behinderte oft verächtlich mit Bezeichnungen bedacht, die verletzen und ausgrenzen. Auch wenn es nicht so böse gemeint ist, bitte keine Namen verwenden, wie „Krüppel“, „Spastiker“, „Freak“, „Fruchtzwerg“, „Mongo“, „Trottel“, „Schwachsinnig“, „Dummkopf“, „Missgeburt“, „Abnormal“, „Spasti oder Spacko“, „Wasserkopf“ oder „Blöd“.
Es gibt durchaus auch andere Namen, die man verwenden kann, wie „Mensch mit Handicap“, „behindert“, „gehörlos oder gehörgeschädigt“, „Invalide“, „Autist“, „Mensch mit Beeinträchtigung“ oder „blind“.
Aber es kommt nicht allein auf die Bezeichnung an. Sehr viel wichtiger