Und ewig küsst mich Dornröschen wach. Wolfgang Haecker Paul
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Genau, so war es! Ich rutschte vor dem Bett aus und schlug mit dem Kopf auf den Boden, wurde kurz ohnmächtig und bin irgendwann auf dem eisigen Boden und vor Kälte zitternd zu mir gekommen – und daraufhin wohl halbbenommen ins Bett geklettert. Ich ziehe mir nun die Socken, endlich aus den verschiedenen Ecken des Zimmers zusammengeklaubt, gemächlich an. Einer lag hinter dem Wäscheständer, der andere unter dem Bett. Mein Blick fällt eher rein zufällig auf das Thermometer vor dem Fenster: 21° Celsius. Frühling.
Verdammt, vielleicht muss ich mir einfach nur mal merken, wohin ich meinem Kram lege. Dann kann ich mir die eigens so fein konstruierten abenteuerlichen Ausreden sparen. Und wie immer geht es als nächstes ins Bad. Zum üblichen Hygieneprogramm.
Allein das Wort macht einem schon Angst, denn es lässt jeden unbescholtenen Menschen wissen, dass nun ein größeres Pflegeprogramm folgt. Duschen? Check. Achselspray? Check. Ankleiden? Mist! Hose falschherum angezogen. Wieder ausziehen, umdrehen, neu anziehen. Check! Hemd anziehen … geht nicht. Es muss wohl eingelaufen sein, denn es passt auf einmal nicht mehr. Na, das wollen wir doch mal sehen.
Nach gut 7 Minuten und 35 Sekunden hat nicht nur das Hemd nachgegeben, sondern auch diverse Knöpfe. Egal, man trägt heute leger, denke ich. Check.
Zähne putzen, bis die Zahnbürste vibriert, um mir zu sagen, dass ich die Zeit eingehalten habe. Vielleicht könnte die meinem Wecker mal was beibringen. Und überhaupt, wenn sich hier schon so viele elektrische Geräte befinden, warum können die sich nicht mal zur Schwarmintelligenz zusammentun? Okay, weitermachen. Rasieren. Äh, der Rasierer ist leer. Akku auf null Prozent? Hatte ich den etwa auch schon für irgendein Vergehen bestraft und vom Strom getrennt? Gut, dann Akkurasierer laden, Nassrasierer raus. Analoges Rasieren geht schließlich auch.
Kaum angefangen mich mit der Klinge zu rasieren, sehe ich schon verdächtiges Rot unter dem weißen Schaum hervorblitzen. Es zeichnet sich in solch einem schönen Kontrast ab, dass man fast poetisch werden könnte. Es sei denn (und das ist die einzige Ausnahme), einem wird bei solchem Blutverlust schummrig vor Augen. In diesem Fall kann man die Farbenvielfalt leider überhaupt nicht mehr genießen.
Wenn ich jetzt ohnmächtig nach hinten auf die gekachelte Auslage falle, so denke ich noch gerade, habe ich wenigstens schon mal die Socken an. Aber es geht alles gut. Ich kann die Blutung stoppen.
Auch wenn sich kurzzeitig die Notrufnummer 112 glasklar auf meine Pupille gebrannt hatte, ich hätte sie bei dem Verlust meines Lebenssaftes wahrscheinlich nicht mehr wählen können. Ich stelle nun zudem erleichtert fest, dass kein Nähzeug für die große Wunde genommen werden musste. Jetzt wollte ich es erstmal, risikofreudig wie ich bin, mit einem simplen Pflaster versuchen. Denn nach einer „Näh-Nummer auf Rambo-Art“ war mir heute Morgen nun wirklich nicht. Ich hatte ja noch nicht mal gefrühstückt.
Da ich das Licht im Bad schon vorher eingeschaltet hatte, sah ich nun noch ein weiteres und überhaupt nicht einkalkuliertes Pflegeprogramm auf mich zukommen.
Als ich den Vergrößerungsspiegel meiner Schminkmeisterin in die Hand nehme, erschrecke ich erneut. Was wuchs denn da aus meiner Nase heraus? Das sah ja schlimmer aus als die Augenbrauen von Theo Weigel, den man in Fachkreisen „die Augenbraue“ nannte. Der Nasentrimmer, so stellte ich erleichtert fest, war geladen und nahm seine Aufgabe kreischend laut wahr, nachdem ich erstmal mit der Nagelschere die wallende Pracht zurechtgestutzt hatte. Kurz hatte ich noch überlegt, ob die Menge an Haaren für eine Echthaarspende ausreichen würde und wohin ich sie zu schicken hätte, aber die Zeit drängte nun derart, dass ich diesen Geschäftsgedanken dann doch wieder verwarf. Das Hygieneprogramm musste endlich zum Abschluss gebracht werden. Bis ein weiteres, nicht zu unterschätzendes Problem urplötzlich auftauchte.
Auch wenn die Ohren seitlich etwas versteckt am Körper anliegen, war deutlich zu sehen, dass irgendwas aus ihnen heraushing. Schnell die Brille angezogen, erkannte ich erschrocken, dass selbst aus den Ohren nun dicke, unansehnliche Haarbüschel ragten.
Diese beträchtliche Menge an Haaren, die nun an all diesen Stellen so überdeutlich wuchsen – wo sie weder erwünscht, noch in irgendeiner Weise sinnvoll waren – stellten wohl die Summe jener Haare dar, die mir mittlerweile auf dem Kopf fehlten.
Als ich jetzt auf den Wecker sah, stellte ich schockiert fest, dass ich es vielleicht gerade noch zur Frühstückspause auf die Arbeit schaffte, würde ich mich jetzt wirklich beeilen.
Wenn das so weiterging mit diesem Hygieneprogramm und noch weitere, unerwartete Auswüchse dazukämen, benötigte ich wohl über kurz oder lang eine Haarentfernungshilfe. Die müsste dann extra eingestellt werden.
Kapitel 2 – Immer wieder montags
Nach einer erschöpfenden Enthaarung, die mich wohl bestimmt gut über 400 kcal gekostet hatte, überlegte ich schon, ob ich heute Nachmittag überhaupt noch ins Sportstudio fahren sollte. Ich wollte mir noch etwas Zeit lassen mit meiner Entscheidung. Wichtiger war es, jetzt erst einmal zur Arbeit zu fahren. Schon, als ich in die Garage ging, beschlich mich ein unangenehmes Gefühl. Eine seltsame Vorahnung. Man muss an dieser Stelle erwähnen, dass ich ein elektrophiler Mensch bin, eine regelrecht von der Elektrik infizierte Person. Wie sich das äußert? Also erst einmal bin ich der Besitzer eines noch recht neuen Hauses, ausgestattet mit der maximalen Größe an Photovoltaikplatten, die auf das Dach in Südausrichtung noch gerade so gepasst haben. Südausrichtung für die maximale Ausbeute an Sonnenenergie, versteht sich von selbst. Nebst einer Speicherbatterie, die nicht nur immens viel Geld gekostet hat, sondern unseren Eigenverbrauch sogar noch deutlich steigern soll.
So zumindest das Konzept. Aber, wenn man schon einmal so „grün“ ausgestattet ist, ohne weitere fossile Versorgungsanschlüsse, also keine Gastherme und ohne Gasanschluss, was lag da näher, als sich auch noch ein Elektroauto zuzulegen?
Wenn also Sonnenlicht auf die Platten trifft, dann lässt sich doch mit eigens produzierter Energie auch ein E-Mobil völlig gratis betanken. Der Nachteil der Sache? Seitdem sind die Tankstellenbesitzer nicht mehr ganz so gut auf mich zu sprechen. Vielleicht sollte ich das Fenster schließen, wenn ich laut lachend an ihnen vorbeifahre.
Sofern also Sonne genügend vorhanden ist und diese auch geneigt ist, sich zu zeigen, funktioniert das Konzept hervorragend. Meine angeheiratete Energiemeisterin wäscht natürlich nur noch, wenn auch genügend Hausstrom vorhanden ist. Ebenso verhält es sich mit dem Wäschetrocknen oder dem Betreiben der Spülmaschine oder anderer elektronischer Verbraucher. Nur beim Kochen macht sie ab und zu Ausnahmen.
Also habe ich mir noch schnell vor ein paar Wochen einen Elektrowagen zugelegt. Große Autos wurden von meiner Buchhalterin, meiner Frau, die nebenbei ja auch meine persönliche Energieberaterin ist, kategorisch abgelehnt.
So blieb es einzig und allein bei einem kleinen vollelektrischen Smart EQ. Natürlich hatte ich mir vorher einige Referenzwagen angesehen und geriet förmlich ins Schwärmen, als ich den neuen Tesla Model 3 sah. Wie viele Videos und Kataloge hatte ich mir angesehen? Einfach toll dieser Wagen. Erst recht die Probefahrt. Als ich den Wagen beschleunigte, presste es mich und meine Energiemeisterin förmlich in die vorgewärmten Sitze. Aber eiin Blick von der strengen Geldverwalterin und ich schob den Tesla erst einmal auf meine virtuelle Wunschliste, wohl wissend, ihn mir eh niemals leisten zu können. Es sei denn, die Lottofee wählte mich aus. So aber musste es erstmal bei einem Smart bleiben. Der hatte zwar keine allzu große Reichweite, dafür aber auch keinen allzu hohen Verbrauch. Und als sogenanntes „City Car“, so musste ich zugeben, passte es genau zu meinem Fahrradius.
Ja, ich hörte schon Ole, einen meiner besten Freunde, stöhnen. Ich sehe ihn vor mir, wie er die Augen verdreht und sein Mund verräterisch anfängt zu zucken,