Und ewig küsst mich Dornröschen wach. Wolfgang Haecker Paul
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Bevor ich überhaupt eine Möglichkeit gehabt hätte, etwas zu sagen, setzt er unnötigerweise sogar noch nach: „Hast doch sonst keinen Spaß mehr im Leben, in deinem Alter, Mann.“
Noch bevor ich ihn darauf aufmerksam machen kann, dass ich erst 57 Jahre alt bin und sehr wohl noch viel Spaß am Leben habe – es sei denn, ein Nachbar möchte mich unnötigerweise erheitern – startet er schon einen seiner berüchtigten Witze, die genauso gefroren waren wie mein Gemüt. Als er fertig ist, quäle ich mir ein Lächeln ab. Er jedoch lacht sich über seinen eigenen Witz halb tot. Dabei nutze ich den günstigen Moment seiner Unaufmerksamkeit und entferne mich geräuschlos. Im Rückspiegel sehe ich, dass er sich immer noch vor Lachen auf die Schenkel klopft. Nachdenklich setze ich meine Fahrt fort und frage mich nun, ob ich wirklich keinen Spaß verstand oder warum Franks Witze bei mir nicht die mindeste Reaktion auslösten.
Bis auf eine: Denn, außer, dass ich nach diesen Witzattacken immer Pickel auf meiner Haut entdeckte, für die ich aber „Gott sei Dank“ eine durchaus wirkungsvolle Hautcreme hatte, passierte sonst wirklich gar nichts. Dabei schwor ich mir, doch mal in mich zu gehen und über das Thema erneut nachzudenken. Vielleicht würde ich doch noch irgendeine Spur Humor in mir entdecken.
Ich befürchtete allerdings, dass man da schweres Geschütz auffahren müsste. Gleich morgen würde ich mich mal nach einem Humortherapeuten erkundigen.
Kapitel 3 – Büroalltag ohne Grenzen
Endlich konnte ich es nun ruhiger angehen lassen. Der Morgen hatte schließlich hektisch genug begonnen. Erst der fast leere Wagen, dann der vor guter Laune überschäumende Nachbar. Was sollte mir denn heute noch passieren?
Ich hoffte, dass sich mir kein weiteres Hindernis mehr in den Weg stellen würde, wenigstens bis zur Firma. Lautlos glitt mein Fahrzeug dahin. Ich lauschte dem Radiosender meiner Wahl, dessen Sprecherwitze um einiges besser waren als die meines Nachbarn, der sie vielleicht aus einer Stiftung für verwaiste Witze bezog. Oder aus einer Organisation für gestrandete Komiker. Meine Laune stieg zaghaft an, als ich ganz plötzlich abrupt bremsen musste. Was auf meiner Strecke vom Dorf bis zu meiner Arbeitsstelle eher unüblich war. Nicht mal eine einzige Ampel lag auf meinem Weg. Jetzt aber zeichnete sich irgendetwas schattenartig hinter dem frühmorgendlichen Nebel vor mir ab. Zuerst eine größere Gestalt – und mir fiel unwillkürlich Frank wieder ein. Mist! Der Kerl verfolgt mich sogar in meinen Gedanken. Dann aber sah ich mehrere kleinere Schatten. Nein, das konnten nicht seine Kinder sein. Frank und seine Familie hier im Wald?
Wie kam ich nur auf so einen Quatsch. Aber … was war das da vor mir denn dann? Vorsichtig fuhr ich näher heran und sah, dass es sich um eine Wildschweinfamilie handelte. Die Mutter lief voran, die kleinen Frischlinge alle hinterher. Wäre ich nur etwas schneller gefahren, hätte ich für einen Jahresvorrat an Wildschweinfleisch sorgen können. Den Jungen aber hätte ich dann die Mutter weggegessen. Und ihre Aufgabe, die der Aufzucht, wollte ich mir dann beim besten Willen doch nicht antun.
Die wenigen Kilometer bis zur Firma verliefen ansonsten frei von weiteren Ereignissen. Erwähnenswert wäre vielleicht noch, dass mir beinahe der ein oder andere Rentner vor das geräuschlose Auto gelaufen wäre. Und immer, wenn sie schon knapp vor meiner kurzen Motorhaube zu stehen kamen, erkannte ich, wie verzweifelt sie versuchten, an ihrer im Ohr eingebauten Hörakustik zu drehen, um die Lautstärke neu zu justieren. Sie dachten vermutlich, dass ihr Gerät wohl ausgefallen sei, was meine Laune nun deutlich verbesserte, mich aber gleichzeitig erschrak – wieso machte es mir Freude, unbescholtene Rentner mit meinem kleinen Elektroflitzer zu ärgern?
Als ich endlich in der Firma angekommen war, suchte ich mir einen Parkplatz. Wie immer war fast alles komplett zugeparkt und ich überlegte kurz, ob ich meinen Wagen nicht mit hochnehmen sollte, um ihn in meinem Büro abzustellen.
So klein wie er ist, dürfte es doch niemanden stören, dachte ich, als ich gerade noch eine Lücke entdecke, in die ich quer einfahren konnte. Was bestimmt einige meiner Kollegen sehr erfreuen müsste – so platzsparend, wie ich zu parken wusste. Wie jeden Morgen ging ich grüßend am Pförtner vorbei, stempelte mich ein und ging schnurstracks in mein Büro.
Hilde, meine freundliche und runde Kollegin, war noch nicht eingetroffen. Kurz überlegte ich, ob ihr Pflegeprogramm gemäß ihres Alters wohl aufwändiger sein musste als meines, während ich (noch frohgelaunt) meinen PC hochfuhr.
Windows meldete sich auf dem Bildschirm und forderte wie immer mein Passwort an. Ich startete schon mal die Kaffeemaschine, um gleich darauf die Enter-Taste zu drücken.
Der Rechner fuhr hoch, um dann sofort wieder herunterzufahren. Nicht aber, ohne mir vorher anzuzeigen, dass er alle neuen Updates noch laden müsse und ein Neustart erforderlich wäre. Während des Updates hatte ich so aber genug Zeit, meinen Kaffee zu genießen und ein paar Papiere durchzusehen. Endlich bootete der Rechner hoch und verlangte erneut mein Passwort. Gerade als ich loslegen wollte, wies mich Windows darauf hin, dass ein weiteres Update für Office dringend notwendig wäre.
Das musste verschoben werden, denn ich hatte noch ein paar Mails zu bearbeiten. Schon leuchtete die dringliche Aufforderung auf, dass dringendst eine neue Version aufgespielt werden müsse. Das Programm fragte mich, ob ich die Aktualisierung ausführen wolle. In großen Buchstaben stand dort: ,,Y/N“. Ich drückte auf der Tastatur den Buchstaben ,,N“ – wie „Nein“ – und der Rechner fuhr sofort herunter, ohne das ich noch meine bisherigen Daten hätte sichern können. Ein zweiter Kaffee musste her, zur Beruhigung und Überbrückung der Zeit, denn das Booten dauerte einige kostbare Minuten an Bürozeit. Als der Rechner sich nach der nun dritten Tasse Kaffee zurückmeldete, trat auch Hilde in den Raum ein.
„Guhuhuten Mohohorgen“, säuselte sie und ich war mir nicht sicher, ob es noch ein Lied werden sollte. Freundlich antwortete ich mit einem „dihihirr ahuhuuch, liebe Hilde.“ ,,Na, da ist aber einer gar nicht gut drauf heute Morgen“, ließ sie mich wissen, ohne, dass ich mich noch rechtfertigen konnte. Denn schon ergoss sie ihr weiteres Wortstakkato über mich, sodass ich schnell den Faden des Gespräches verloren hatte. Ich trank gerade den ersten Schluck meiner vierten Tasse Kaffee, als der Rechner mir nun endlich die Chance gab, mich neu einzuloggen, um meine Arbeit zu beginnen.
Meine Kollegin fragte gerade nach, ob ich die Präsentation schon fertig hätte, die unser Chef heute noch benötigte. Ich ließ sie wissen, dass ich gerade dabei gewesen wäre, die letzten notwendigen Folien zu erstellen, als der Rechner mir wiederum eine Botschaft auf den Bildschirm zauberte. „Bitte drücken Sie die Windows Taste in Kombination mit R und geben Sie in die Kommandozeile Folgendes ein …“
Irgendetwas fehlte zur automatischen Ausführung des Programms. Ich folgte den Anweisungen und startete das Programm „Power Point“ neu. Nichts.
Stattdessen fuhr der Rechner wieder herunter und ließ mich wissen, dass die Programmausführung diesen Neustart benötigte. Als ich bei der sechsten Tasse Kaffee war, loggte ich mich erneut ein und konnte tatsächlich nun endlich mit dem gewünschten Programm arbeiten. Erleichtert atmete ich auf. Routiniert schrieb ich die letzten Daten gerade zusammen. Da stand auch schon mein Chef in der Türe. Er erinnerte mich in seinem Verhalten an einen früheren, sehr strengen Lehrer in meiner Schule. Der schrieb jede Menge Tests. Wie üblich, nach einer gewissen Zeit, schaute dieser Lehrer auf die Uhr und ließ uns alle mit strengem Blick wissen, dass wir unsere Arbeiten zu beenden hatten. „Abgabe!“, rief er laut in den Klassenraum.
„Alles hinlegen an Schreibzeugen, sonst gibt es eine Sechs,“ brüllte er uns nicht selten an. Als mich mein Lehrer, äh, mein Chef, nun ansah, rief er mir zu (fast mit derselben Stimme wie einst mein Lehrer):
„Abgabetermin,