100 Prozent Anders. Tanja Mai

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100 Prozent Anders - Tanja Mai

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sich heraus, dass es insgesamt drei Schüler gab, die es so wie ich gemacht hatten. Unser Klassenlehrer informierte uns darüber, dass wir auf der Stelle beim Direktor anzutanzen hätten. Der liebe Herr Direktor Rahmann! Wir drei marschierten also in sein Sekretariat und warteten. Er rief uns einzeln zu sich. Ich kam als letzter dran. Ich hörte draußen die Maßregelungen von Direktor Rahmann und sein Geschrei. Beide Jungs kamen jeweils wie ein Häufchen Elend aus dem Büro des Direktors. Und dann war ich an der Reihe. Ich hatte in den zehn Minuten vorher Zeit gehabt, mir eine Strategie auszudenken: Ich fühlte mich immer noch irgendwie durch meinen Lehrer, Herrn Harder, unfair behandelt. Mir einfach den Fußballkurs aufzubrummen, ohne mir auch nur den Hauch einer Chance auf eine Alternative zu lassen, empfand ich als total diktatorisch.

      Ich hatte kaum Rahmanns Büro betreten, da wollte der Direktor erneut losschreien. Doch bevor er dazu kam, stoppte ich ihn: „Moment, Herr Direktor. Bitte geben Sie mir eine Sekunde, damit ich Ihnen erklären kann, wie es überhaupt so weit kommen konnte.“ Rahmann riss die Augen auf angesichts von so viel Dreistigkeit, aber er ließ mich erzählen.

      Also erklärte ich ihm die verfahrene Situation und sagte: „Wissen Sie, Herr Rahmann, es gibt Menschen, die haben zwei linke Hände. Und genauso habe ich zwei linke Füße. Fußball und ich, das geht gar nicht.“ Ich war so im Redefluss, dass ich gar nicht bemerkte, dass die linke Hand von Rahmann eine Prothese war. Oh, Mann! Bis er plötzlich losschrie: „Wie meinen Sie das mit den zwei linken Händen? Was fällt Ihnen eigentlich ein?“ Darauf ich: „Ähhhhh, ich meine, ich kann nicht Fußball spielen. Ich finde Fußball ätzend. Mich hat auch niemand gefragt, ob ich überhaupt Fußball spielen möchte. Ich wurde einfach dafür eingeteilt.“ Bevor er wieder laut wurde, unterbreitete ich ihm einen Vorschlag: „Ich habe mir etwas überlegt, wie ich mein Fehlverhalten wiedergutmachen kann.“ Bis dato hatte wohl noch kein Schüler die Chuzpe gehabt, dem Direktor einen Deal anzubieten. Doch Rahmann zeigte sich interessiert. „Was haben Sie vor?“ – „Ich singe. Ich kann gut singen. Ich habe sogar schon Schallplatten aufgenommen, die auch veröffentlicht wurden. Beim nächsten Schulfest gebe ich mit der Schulband ein Konzert.“ Er sah mich an: „Wie, Sie haben schon Schallplatten aufgenommen? Das ist ja interessant. Da haben wir also einen richtigen Künstler an unserer Schule?“ Ich nickte: „Verstehen Sie jetzt, warum ich nicht Fußball spielen kann? Wahre Künstler spielen nicht Fußball.“ Rahmann war kaum noch zu bremsen. Er wollte alles über meine Musik wissen. Nach einer dreiviertel Stunde waren wir uns einig. Er willigte in meinen Vorschlag ein und verabschiedete mich mit Handschlag.

      Als ich aus der Tür trat, standen meine beiden immer noch zusammengebügelten Mitschüler da. Sie hatten auf mich gewartet und platzten fast vor Neugierde, weswegen es bei mir so lange gedauert und der Alte nicht lauthals losgeschrieen habe. Sie verstanden die Welt nicht mehr, als ich ihnen die Geschichte erzählte. „Du bist eine alte Laberbacke“, war ihre Antwort.

      Beim Schulfest im folgenden Frühjahr löste ich mein Versprechen ein. Ich hatte mir eine richtig professionelle Inszenierung ausgedacht und eigens den Spider-Murphy-Gang-Song „Skandal im Sperrbezirk“ umgetextet in „Skandal am Eichendorff“. Meine Show führte um Haaresbreite dazu, dass Feueralarm ausgelöst wurde. Ich rannte quer durch die Aula hoch zur Bühne. Deshalb sollten meine Klassenkameraden dafür sorgen, dass der Mittelgang freiblieb. Bei den ersten Takten der Musik flitzte ich los, sprintete die 30 Meter durch die Aula, sprang auf die Bühne, schnappte mir das Mikrofon und fing an zu rocken. Goofy, unser diensteifriger Hausmeister, dachte wohl, es sei etwas passiert und ich würde aus einer Panik heraus durch die Halle rennen. Er wollte gerade den Feueralarmknopf drücken, als ihn ein Mitschüler am Arm packte und ihn darüber aufklärte, mein Spurt sei bloß Teil der Show. Das Konzert wurde ein Riesenerfolg!

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      Zeitgleich zu meinem Eintritt ins Eichendorff-Gymnasium und zu den turbulenten Erlebnissen des ersten Schulhalbjahres bewarb ich mich für eine Talentshow im Fernsehen.

      Die ZDF-Show hieß „Hätten Sie heut’ Zeit für uns?“, und durchs Programm führte der beliebte Moderator Michael Schanze.

      Michael Schanze wurde in den Siebzigerjahren als Sänger und Showmaster bekannt und entsprach dem klassischen Bild des idealen Schwiegersohns, wie ihn sich jede Fernsehzuschauerin heimlich wünschte. Er war der perfekte Mann für die TV-Unterhaltungsbranche. In seiner Talent-Show mussten alle Künstler live singen und wurden live von einer Bigband begleitet. Im Unterschied zu vielen heutigen Casting-Shows wurde damals kein Sieger ermittelt. Es war Auszeichnung genug, dass man an der Sendung teilnehmen durfte. Von über 700 Bewerbungen wurde ich neben 12 weiteren Newcomern eingeladen. Was für ein Schritt, was für ein Karrieresprung. Ich war stolz wie sonst was!

      Bis zu meinem großen Erfolg mit Modern Talking dauerte es rückblickend viele Jahre. Auf dem Weg dorthin gab es aber immer wieder Karrieresprünge, die mich meinem Traum, ein erfolgreicher Sänger zu werden, ein großes Stück näher brachten. Der Auftritt bei Michael Schanze zählt eindeutig zu meinen Highlights als aufstrebender Jungkünstler. Ich hatte zuvor noch nie an einer Fernsehshow teilgenommen, nicht mal bei einem kleinen Lokalsender. Und jetzt gleich das ZDF, Hauptabendprogramm. Live singen und live Klavier spielen. Live im Programm. Ohne Netz und doppelten Boden. Über zehn Millionen Fernsehzuschauer. Konzentrieren, Haltung und … RAUS auf die Bühne!

      Ich sang meine zweite Single „Du weinst um ihn“ und war erleichtert, als es vorbei war. Die Single wurde ein Achtungserfolg, schaffte es aber wieder nicht in die Verkaufscharts.

      Jeder kennt die Lebensweisheit: „Vor den Erfolg hat der liebe Gott den Schweiß gesetzt.“ Das traf bei mir sehr oft zu. Und ebenso das Sprichwort: „Lehrjahre sind keine Herrenjahre.“

      Mein Produzent Daniel David und die Plattenfirma CBS hatten zwei Singleversuche mit mir gestartet, aber der Durchbruch ließ auf sich warten. Das Showbusiness war auch schon damals ein schnelllebiges Geschäft. Nicht so schnell wie heute, aber Erfolge wurden erwartet, und Umsatzzahlen nahm man auch vor 30 Jahren schon sehr ernst.

      Mein Manager Peter Krebs machte für mich einen Termin aus bei der Berliner Plattenfirma Hansa. Hans Blume, zusammen mit den Meisel-Brüdern der Geschäftsführer, hatte zwar meine Platten gehört, wollte sich aber ein eigenes Bild davon machen, ob ich wirklich singen konnte und wie ich „in natura“ wirkte. Also trafen wir uns. Anscheinend gefiel ich ihm, denn er zeigte Interesse an mir. Es dauerte dann aber noch eine ganze Weile, bis ich meinen Vertrag bei der Hansa unterschrieb und meine nächste Single auf den Markt kommen sollte. Hans Blume suchte noch einen passenden Titel für mich. Er wollte auch einen anderen Produzenten als Daniel David. Zudem sollte das gesamte Umfeld für die Promotion stimmen. Also alles Dinge, die man nicht in zwei Tagen in die Tat umsetzen konnte.

      Leider waren damit dann auch die Zeiten von Peter Krebs als meinem Manager beendet. Die deutschsprachigen Singles waren nur mäßig erfolgreich, und ich verlor ihn ziemlich schnell aus den Augen. Viele Jahre später, als ich mit Modern Talking auf dem Höhepunkt des Erfolgs war, rief mich Peter an und meinte, jetzt, wo ich ein Star geworden sei, müsse er mir endlich die Wahrheit über das Casting bei Lou van Burg erzählen: „Ich und Michael Ahrens saßen damals mit in der Jury. Wir haben dir mit Absicht null Punkte gegeben, weil wir verhindern wollten, dass du unter die ersten Drei kommst. Wir fanden dich so klasse, dass wir selbst mit dir zusammenarbeiten und dir einen Plattenvertrag anbieten wollten. Wir wussten, wenn du erst mal unter den Fittichen von Lou bist, haben wir keinen Zugriff mehr auf dich. Ich hoffe, du bist uns nicht böse …“ Warum sollte ich den beiden böse sein? Mir war schnell klar, dass ich ihnen sogar dankbar sein musste. Denn hätte ich das Casting gewonnen, hätte ich wahrscheinlich niemals Dieter Bohlen getroffen, und es hätte Modern Talking in dieser Besetzung wohl nie gegeben.

      Aber bis ich den durchgeknallten Dieter treffen sollte, dauerte es noch einige Zeit.

      Zunächst ging

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