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Noch während es donnerte, prasselte und krachte, hörten Marita und die Ärzte die Schreie von Männern. Aber mit einem Male erstarben diese Laute um sie herum.
Sie bekamen kaum Luft, es war absolut dunkel. Sie mussten husten und Harald Preiß verspürte überdies einen starken Schmerz im Rücken. Aber er bemerkte, dass sich ein Schlauch des Beatmungsgerätes losgerissen hatte und zischte. Es gelang ihm trotz seiner Schmerzen und obgleich er nichts sah, die Enden zu ertasten, wo der Schlauch wieder aufgesteckt werden musste.
Und plötzlich gingen die Lampen wieder an, die eben erloschen waren. Erst mit einem' bläulichen schwachen Licht. Es dauerte immer eine Zeit, bis diese Halogenlampen die volle Lichtstärke erreicht hatten. Durch den Staub konnte auch dieses helle Licht nur mit Mühe durchdringen.
Doch allmählich legte sich der Staub und es war noch immer totenstill, bis auf das Zischen des Beatmungsgerätes.
Marita sah, was geschehen war. Ringsum war das Dach niedergebrochen. Und ausgerechnet dieser eine Stempel, der vorhin zu verrutschen drohte und den Dr. Sanders wieder geradegerückt hatte, hielt jetzt alles auf, was sonst auf sie herabgestürzt wäre. So befanden sie sich in einer Art Höhle, die hermetisch nach außen abgeschlossen war.
Sie hörten nichts von dem, was draußen geschah, aber noch immer brannte dieses Licht, das jetzt heller und heller wurde.
Dr. Sanders kauerte in seltsamer Haltung, dass es aussah, als sei ihm der Kopf beim Nachdenken auf die Brust gesunken. Er rührte sich nicht.
„Was ist mit ihm?“, hörte Marita plötzlich die Stimme von Harald Preiß. „Er hat was abbekommen. Verdammt, ich auch, am Rücken, aber ich bin noch wach. Er muss bewusstlos sein.“
In dem Augenblick kam Dr. Sanders zu sich. Er griff sofort mit der rechten Hand nach seinem Hinterkopf. Als er die Hand wieder nach vorn brachte, war sie voll frischen Blutes.
„Was ist. . . was ist mit dem Patienten?“, keuchte er, als sei das, was ihn selbst betraf, völlig belanglos.
„Was ich sehen kann“, erklärte Harald, „ist soweit alles okay. Was ist mit Ihnen?“
„Irgendwas am Kopf. Mir ist so schwummrig. Verdammt noch mal, ich kann nicht klarsehen.“
Marita kümmerte sich um die Kopfverletzung. Er hatte ein ganz schönes Loch im Hinterkopf und wahrscheinlich auch eine Gehirnerschütterung erlitten.
„Wir müssen ihn wegbringen, wir müssen... ich kann nicht mehr operieren. Mir ist schlecht.“
„Commotio cerebri“, sagte Harald trocken. „Es geht doch nur noch ums Zumachen, oder?“
„Wir müssen ihn wegbringen“, wiederholte Sanders.
„Es geht nicht, wir sitzen hier fest“, meinte Marita und blickte voller Spannung auf Harald.
„Ich bin zwar kein Chirurg“, erklärte der, „aber wenn es nur ums Zumachen geht, das kann ich auch.“
Sanders musste sich sehr zusammennehmen, um einen klaren Gedanken zu fassen. Noch hatte er Mühe, nicht einfach umzukippen.
Dass Licht brannte, war ein Trost; die Kabel waren nicht zerstört worden. Die kurze Unterbrechung des Lichtes, die vorhin stattgefunden hatte, bedeutete nicht viel. Jetzt jedenfalls brauchten sie dieses Licht und obgleich die Lampen eine ziemliche Wärme abgaben, konnte auch dies nichts schaden. Sanders war wirklich nicht mehr in der Lage, die Operation fortzuführen, Marita sah, dass seine Hände zitterten. Dennoch schien es ihm besser zu gehen.
Also gut, fahren Sie fort, Kollege Preiß. Wir müssen erst die Bauchhöhle reinigen. Was ist mit dem Patienten?“
Er lebt. Er lebt und wir können sofort weitermachen“, entgegnete Harald
In diesem Augenblick hatte er sich etwas gedreht und Marita sah, dass sein ganzer Rücken voller Blut war. Ein Eisenteil hatte ihm die Kleidung, aber auch die Haut aufgerissen.
„Ich muss Sie erst mal verbinden“, sagt Marita zu ihm.
„Unsinn. Weitermachen!“
Aber Sie bluten stark. Ich muss etwas machen und wenn ich nur etwas darüberlege.“
„Unsinn, jetzt machen wir weiter hier.“
Sie ließ sich aber nicht abhalten und legte ihm eine Binde, die sie aus dem Notfallkasten entnommen hatte, auf den Rücken, verpflasterte das rasch und sagte:
„Das muss nachher genäht werden.“
„Nachher, nachher“, entgegnete er barsch. „Jetzt geht es um ein Menschenleben. Wir haben jetzt keine Zeit. Sehen wir zu, dass wir das alles sauber halten können.
Hoffentlich buddeln die nicht noch über uns herum, dann fällt alles wieder herunter.“
Unter den Anweisungen von Dr. Sanders, der große Mühe hatte, einen klaren Kopf zu behalten, setzte Harald Preiß die Operation fort. In diesem Augenblick musste er die Arbeit des Anästhesisten und Chirurgen gleichermaßen erfüllen. Marita half ihm und es war eine ganze Menge, was sie zu tun hatte, denn in einem Operationssaal wäre das die Arbeit von drei oder vier Menschen gewesen. Aber irgendwie, so bedauerlich die ganze Situation war, fühlte sie sich frei. Und sie fühlte sich glücklich, dass sie ihre ganze Kraft für einen Menschen einsetzen konnte.
Noch immer lebte der Patient und wie es aussah, hatte er alle Aussichten durchzukommen. Über das Später machte sich Marita keine Gedanken. Irgendwie würde es schon gelingen, sie alle hier herauszuholen.
Es war immer ihr Wunsch gewesen, anderen Menschen zu helfen, dafür war sie Schwester geworden. Aber solche Augenblicke wie jetzt zählten zu den Höhepunkten. Hoffentlich, dachte sie, kommt der Mann durch, damit es sich gelohnt hat.
Sie war es jetzt, die die Bauchhöhle reinigte; die Rupturen waren ja bereits vernäht. Dr. Preiß begann mit dem Schließen der Bauchöffnung. Anfangs bekam er noch helfende Anweisungen von Dr. Sanders, aber plötzlich blieb der still. Erschrocken sah Marita auf und sah, dass Dr. Sanders zur Seite gekippt und offenbar bewusstlos geworden war.
Sie bettete ihn in Seitenlage, dann kümmerte sie sich wieder um ihre Arbeit. Und dann ging alles wie am Schnürchen, jeder Handgriff saß.
„Er ist bewusstlos. Schaffen Sie es allein?“, fragte sie Harald.
„Es muss gehen! Ich raffe alles, was ich einmal gelernt habe, zusammen. Da sehen Sie einen Internisten, der sich als Chirurg versucht, ich will mein Bestes tun“, versicherte er.
Manchmal war es Marita, die ihm sagen konnte, wie er weiterarbeiten musste, weil sie es aus Erfahrung wusste und sich an alles erinnerte, wie es früher gewesen war. Aber so glatt ging es dann doch nicht. Die Behinderung durch den Schatten, den die hellen Lampen verursachten, durch den Schmutz, den sie immer wieder wegtupfen