Roman Paket 9 Glenn Stirling Liebesromane für den Strand. Glenn Stirling
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Die Firma hatte das bis zur Fertigstellung des Neubaus mit Einverständnis der Baupolizei hinausschieben können. Doch jetzt war das eingetreten, was die Fachleute der Baupolizei befürchtet hatten. Zwei der gewaltigen Träger der Dachkonstruktion hatten sich gesenkt, einer war später aus seiner Lagerung gerutscht und eine der gewaltigen Säulen, die zur Abstützung des Daches dienten, hatte nachgegeben. Vor einigen Tagen noch wurde gleich nebenan am Neubau eine Klärgrube angelegt und dabei musste mit Presslufthammern unmittelbar neben dem alten Gebäude gearbeitet werden. Vielleicht war dies die Ursache, vielleicht gab es auch andere Gründe für den plötzlichen Einsturz, der am frühen Morgen, kurz nach fünf Uhr, erfolgt war.
Plötzlich war nämlich der zweite gewaltige Träger der Dachkonstruktion abgesackt und das Dach rutschte und stürzte auf die gerade zum Schichtbeginn eingetroffene Mannschaft der Schauerleute, die mit dem Verladen der Fässer auf das direkt an der Pier liegende liberianische Schiff Star of Africa beginnen sollten. Die Verlademannschaft war zweiundvierzig Mann stark, eingeschlossen die Lagerarbeiter, die hier immer beschäftigt wurden. Die große Zahl an Leuten erklärte sich ganz einfach daraus, dass ein Verladen von verschiedenen Fässern mehr Handarbeit erforderte, als dies gewöhnlich der Fall war. Überdies befanden sich zum Augenblick des Unglücks wegen des Regens noch einmal neunundzwanzig Schauerleute unter dem Vordach der Lagerhalle, direkt an der Pier. Sie hatten sich da untergestellt, nachdem ihr Jollenführerboot sie dort abgesetzt hatte. Sie sollten beim Löschen eines Küstenmotorschiffes mitwirken, das aber doch nicht an der Pier festgemacht war. Durch einen glücklichen Umstand fing sich das Dach an einer Ecke, sodass es nicht glatt herunterstürzte, sondern nur mit einer Seite aufschlug. Etwa vierzig Menschen gerieten aber unter das Dach. Die anderen konnten sich retten, bevor es dann endgültig niederstürzte und alles unter sich begrub.
Innerhalb kürzester Zeit gelang es den Rettungsmannschaften der Feuerwehr und der Hafenmeisterei, dreißig Schauerleute und Lagerarbeiter, die verletzt unter den Trümmern lagen, sofort zu befreien und ins Hafenkrankenhaus, aber auch in die Universitätskliniken zu schaffen. Etwa zehn Verletzte oder womöglich gar Tote mussten sich noch unter den Trümmern befinden.
Als die Rettungsarbeiten schon in vollem Gange waren, kam es durch einen Kurzschluss der noch vorhandenen elektrischen Leitungen zur Explosion leicht entzündlicher Gase, die aus aufgerissenen Farbfässern stiegen.
Obgleich es der Feuerwehr relativ schnell gelang, das offene Feuer zu löschen, drangen doch dicke Qualmwolken unter die Trümmer und hielten sich darin fest.
Mit langen Rohrsonden versuchte die Feuerwehr Frischluft unter die Trümmer zu blasen, während sie an einer anderen Stelle den Rauch absaugte. Schwere Unglücksfälle ereigneten sich im Hafengebiet bedauerlicherweise öfter als in anderen Industriegebieten. Für derartige Fälle gab es einen Katastrophenplan der Rettungszentrale, der schon oft genug seine Bewährungsprobe bestehen musste. Nach diesem Plan wurden zuerst die Verletzten in die nähergelegenen Krankenhäuser gebracht. Leichter Verletzte schaffte man in die entfernteren Kliniken und um die ausgesprochen schwersten Fälle musste sich das Ärzteteam des Hafenkrankenhauses kümmern.
Schwester Marita kannte diesen Einsatzplan und wusste, wie sich alles abspielen würde. Nachdem der Rettungswagen durch die Absperrung von Polizei und Feuerwehr gefahren war, rollte er in nächste Nähe des eingestürzten Lagerhauses.
Das ganze Dach des Gebäudes war niedergestürzt, eine der Seitenmauern seitwärts weggekippt, und die Trümmer lagen weit über hundert Meter verstreut. Männer des Technischen Notdienstes und der Feuerwehr versuchten mit Hilfe von zwei Planierraupen wenigstens eine größere Gasse zu bahnen, damit die Feuerwehrfahrzeuge noch näher an die Unfallstelle herankonnten und damit auch ein Weg geschaffen wurde für zwei riesige Kranwagen, die mittlerweile herbeigeholt worden waren, damit sie beginnen konnten, das Dach anzuheben.
Dem Rettungsgesetz nach hatte ein chirurgischer Notarzt das Kommando über alle ärztlichen Maßnahmen, die an der Unfallstelle ergriffen wurden. Dieser Notarzt, der schon erheblich früher als Dr. Preiß zur Unfallstelle gekommen war, gehörte ebenfalls dem Team des Hafenkrankenhauses an und arbeitete als Stationsarzt in der chirurgischen Abteilung. Marita kannte Dr. Eduard Sanders und wusste von seinem Ruf als hervorragender Chirurg. Er war ein Mann Ende dreißig und sein dunkles Haar war an den Schläfen schon ergraut.
Im Augenblick trug er einen gelben Stahlhelm und sein ehemals weißer Arztanzug war schwarz von Schmutz und rot von Blut, sein Gesicht von Schweiß und Dreck gezeichnet. Als Schwester Marita, Dr. Preiß und der Rettungssanitäter Willi ihr Fahrzeug verließen, stieg Dr. Sanders gerade aus dem Klinomobil, in dem schon operiert wurde.
Dr. Sanders kam Harald Preiß entgegen und rief: „Sie kommen genau richtig. Im Augenblick sind noch acht Mann unter dem Dach. Bei zweien muss eine Amputation erfolgen. Das ist besonders deshalb schlimm, weil alle acht unter Rauchvergiftung leiden. Oder sagen wir genauer, es sind die Giftstoffe im Rauch, die sich verheerend ausgewirkt haben. Die Leute haben schwere Kreislaufprobleme. Ich weiß nicht, wie wir die da unten amputieren sollen. Die Feuerwehrleute behaupten, man könnte nicht da unten zu den Leuten hin. Das Dach könnte noch weiter durchsacken und zerschlagen. Sie wollen es anzuheben versuchen. Aber in dieser Zeit können die beiden Verletzten verblutet sein. Ich brauche einen hervorragenden Anästhesisten.“
„Ich bin Internist“, sagte Preiß, „was nicht bedeutet, dass ich nicht in der Lage wäre, eine Narkose zu machen.“
Dr. Sanders warf einen Blick auf Schwester Marita und sagte: „Ich weiß nicht, Herr Kollege, ob wir mit einer Dame etwas anfangen können. Das, was da unter dem Dach liegt, ist reine Männerarbeit.“
Marita befand sich jetzt in einer Verfassung, wo alles in ihr aufgewühlt war Sie blickte Dr. Sanders an und sagte: „Glauben Sie denn, wir Frauen wären aus Marzipan?“
Dr. Sanders legte ihr beschwichtigend die Hand auf die Schulter. „Nun regen Sie sich mal nicht auf, Schwester. Wir haben so viel zu tun. Helfen Sie denen da drüben bei der Vorbereitung der Schwerverletzten für die Sofortmaßnahmen.“
Marita schwieg, obgleich ihr eine heftige Antwort auf der Zunge lag. Aber sie hatte immer getan, was die Ärzte ihr befahlen; und so wollte sie es auch jetzt halten.
Harald Preiß musste sich seinerseits um die Geretteten kümmern, die schwere Vergiftungserscheinungen aufwiesen. Als Internist war das seine Aufgabe und Schwester Marita half ihm dabei.
Indessen gelang es den Rettungsmannschaften, noch fünf Verletzte unter den Trümmern hervorzuholen. Die wurden sofort in die Klinomobile gebracht, von denen mittlerweile zwei nah der Unfallstelle standen. Und dort versorgte man sie ärztlich, damit sie überhaupt transportiert werden konnten.
Mittlerweile war es dem Technischen Hilfswerk und der Feuerwehr gelungen, die beiden Krane so einzusetzen, dass es ihnen möglich sein würde, jenen Teil des Daches anzuheben, unter dem sich die Schwerverletzten befanden und dort eingeschlossen waren. Bis zu ihnen hatte noch niemand vordringen können
Dr. Preiß war gerade mit der Versorgung eines Schwerverletzten fertig und ließ ihn unter Sauerstoffbeatmung mit dem Rettungswagen zum Hafenkrankenhaus bringen, als Dr. Sanders wieder auftauchte und sagte:
„Wir müssen hin. Die Schwerverletzten dort unten müssen an Ort und Stelle versorgt werden. Man kann nicht einfach so hinkommen, Herr Kollege. Wir sind gezwungen, zu kriechen. Und es besteht ein Risiko. Dieses Dach kann trotz der Kräne jeden Augenblick wieder herunterstürzen. Die sind zwar dabei, abstützende Stempel zu setzen, aber alles ist morsch und kaputt. Wir können auch nicht warten bis die Abstützung völlig fertiggestellt ist. Wer von Ihnen kann mitkommen?“
„Als Anästhesist kann ich Ihnen