Plastik im Blut. Heike Schröder

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Plastik im Blut - Heike Schröder

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An all diesen Erkrankungen sind Entzündungen als allgemeine Abwehrreaktion des Immunsystems beteiligt. Das spricht dafür, dass das Immunsystem überfordert ist und keine zusätzlichen Reize mehr abwehren kann. Auch hormonbedingte Erkrankungen nehmen signifikant zu. Viele Wissenschaftler machen synthetische Substanzen dafür verantwortlich, die im Körper ähnlich wie Hormone wirken, zum Beispiel Chemikalien aus Plastik.

      Dieses Buch richtet sich an alle, die die Umwelt und sich selbst schützen wollen, auch an diejenigen, die glauben, dass Plastik nur für Menschen ohne Wertstofftonne ein Problem sei, ja, generell an alle, die „natürlich“ gesund leben wollen.

      Heike Schröder

      1. Wir leben in einer Welt voller Plastik

      „Nach der Steinzeit, der Bronze- und der Eisenzeit haben wir jetzt die Plastikzeit.“ So lautet die drastische Aussage von Werner Boote, Regisseur des Dokumentarfilms Plastic Planet, der einen Zeitenwandel mit erheblichen Folgen für Mensch und Umwelt beschreibt. Plastikmüll gehört zu den größten Gefahren für die Zukunft unseres Planeten – und damit auch für uns.

      Lassen Sie uns hier zu Anfang kurz klären, was wir mit „Plastik“ meinen. „Plastik“ ist ein umgangssprachliches Wort für Kunststoffe aller Art. Das sind „künstlich“ hergestellte Stoffe, die also nicht in der Natur vorkommen und nicht auf natürliche Weise zersetzt und abgebaut werden können. Seit dem Beginn der Produktion von Kunststoffen Anfang des 20. Jahrhunderts hat sich unsere Welt grundlegend verändert, dazu brauchen wir nur in unseren Einkaufswagen zu schauen: 80 Prozent der im Supermarkt verfügbaren Waren sind in Plastik verpackt. Wir leben in einer Welt voller Kunststoffe, die unseren Alltag prägen. Plastikflaschen und -tüten, Plastikverpackungen, Plastikspielzeug, Plastikzahnbürsten, Flip-Flops und Ähnliches finden sich in jedem Winkel der Erde – mittlerweile leider auch dort, wo man es nicht vermuten würde, wie in der Tiefsee oder am Nordpol.

      Was macht diese Kunststoffe so beliebt, dass immer mehr davon produziert wird? Der Vorteil liegt sicherlich in den vielen praktischen Eigenschaften. Plastik kann hart sein wie Stahl, ist aber viel leichter; es kann klar sein wie Glas, ist aber nicht so zerbrechlich. Plastik schützt Lebensmittel vor Schmutz und Keimen, es verhindert, dass sie austrocknen oder verderben, es ist leicht, biegsam und flexibel, bruchfest, temperaturbeständig, transportabel und widerstandsfähig. Außerdem lässt es sich sehr günstig produzieren. Seine Eigenschaften ermöglichen vor allem in der Medizin, der Gebäudetechnik und der Luftfahrt innovative Lösungen.

      Doch der beliebte Kunststoff hat auch seine dunklen Seiten. Überall auf der Erde werden Menschen in der Zukunft Plastik vorfinden, denn es ist biologisch nicht abbaubar. Plastikmüll bleibt über Jahrzehnte bis Jahrhunderte erhalten und belastet unsere Umwelt. Der Kunststoff wird nicht durch Bakterien zersetzt, er zerfällt nur über einen sehr langen Zeitraum hinweg in immer kleinere Teile, zum Beispiel durch mechanische Kräfte wie Reibung, durch Kontakt mit Sonnenlicht oder mit Salzwasser. Eine Plastiktüte benötigt 10 bis 20 Jahre, ein Styroporbecher 50 Jahre und eine PET-Einwegflasche sogar 450 Jahre, bis sie vollständig zersetzt sind. Und wir produzieren immer mehr davon.

      Bei dem Zersetzungsvorgang werden fatalerweise auch noch die im Plastik gebundenen chemischen Giftstoffe freigesetzt. Selbst wenn sich Kunststoffe letztendlich doch schneller zersetzen sollten, als bislang vermutet (so eine japanische Studie der Forschergruppe um Katsuhiko Saido, nach einer Präsentation von K. Saido von der Nihon University in Chiba, Japan, 08/09, vor der American Chemical Society), bedeutet dies vor allem, dass die darin enthaltenen Gifte noch schneller in die Umwelt entweichen. Das hat verhängnisvolle Auswirkungen auf das Ökosystem und auf unsere Gesundheit – nämlich wenn die Chemikalien in unsere Nahrungskette gelangen. Und das tun sie, wie wir weiter unten sehen werden. Aber auch bereits durch die Verwendung von Plastik im Alltag können giftige Chemikalien in unseren Körper gelangen und uns krank machen; sie könnten vielleicht sogar mitverantwortlich sein für den enormen Anstieg von Zivilisationskrankheiten.

      Plastik bringt leider noch weitere Probleme mit sich: Mehr als die Hälfte des Plastikmülls wird nicht recycelt, sondern verbrannt, und beim Verbrennen von Plastikmüll wird Kohlendioxid (CO2) freigesetzt und damit das Weltklima negativ beeinflusst.

      Wofür Plastik verwendet wird

      In den 1950er-Jahren setzte der massenhafte Einsatz von Plastik ein und in den letzten 50 Jahren ist die Plastikproduktion explosionsartig angestiegen. Kein anderer Werkstoff wird so weitreichend und vielfältig eingesetzt wie Kunststoff.

      Heute werden weltweit jährlich um 300 Millionen Tonnen Plastik produziert, mit steigender Tendenz vor allem in den sogenannten Entwicklungsländern.

      „Die Menge an Kunststoff, die wir seit Beginn des Plastikzeitalters produziert haben, reicht bereits aus, um unseren gesamten Erdball sechs Mal mit Plastikfolien einzupacken.“

      Werner Boote im Dokumentarfilm Plastic Planet

      In Europa wird Plastik hauptsächlich für Verpackungen eingesetzt. Fast 40 Prozent des Kunststoffs landen auf diese Weise nach sehr kurzer Anwendung sofort wieder im Müll. Alleine in Deutschland wird so viel Verpackungsmüll produziert wie niemals zuvor. Im Jahr 2014 kamen bei uns durch Entsorgung von Verpackungen 17,8 Millionen Tonnen Plastikmüll zusammen (Umweltbundesamt 2015) – ein neuer Negativrekord, und die Tendenz ist steigend. Damit ist Deutschland „Europameister“ im Produzieren von Verpackungsmüll – sicherlich kein erstrebenswerter Titel.

      Aus der nachfolgenden Grafik ersieht man, dass mehr als ein Drittel der in Deutschland verarbeiteten Kunststoffe für Verpackungen eingesetzt wurden; der Bausektor belegte den zweiten Platz, gefolgt vom Fahrzeugbau.

      Kunststoffverarbeitung in Deutschland nach Branchen 2013–2015 (in 1000 t; © Consultic Marketing & Industrieberatung 2015, S. 7; siehe Literaturverzeichnis)

      Synthetische Kunststoffe werden künstlich hergestellt, hauptsächlich aus Erdöl (– circa 5 Prozent des Erdöls aus den Raffinerien gelangt in die Produktionsanlagen der Kunststoffindustrie), und zwar durch Verknüpfung vieler kleiner Moleküle (Monomere) zu großen Makromolekülen (Polymere). Je nach chemischer Eigenschaft der Monomere werden verschiedene Verfahren zum Verknüpfen verwendet: die Polymerisation, die Polykondensation oder die Polyaddition. Daraus entstehen verschiedene Arten von Kunststoffen, die in drei Gruppen unterteilt werden können:

      • Thermoplaste, die bei höheren Temperaturen erneut verformbar sind. Hierzu zählen Polyethylen oder Polyester als Grundlage etwa für Plastiktüten oder Verpackungen.

      • Duroplaste, die nach der Formgebung auch bei höheren Temperaturen nicht wieder verformbar sind. Verwendung finden sie häufig bei Elektroinstallationen.

      • Elastomere, die durch Druck oder Dehnung kurzzeitig verformbar sind, danach aber wieder in ihre ursprüngliche Form zurückkehren. Hierzu zählen Autoreifen, Gummibänder oder Chemikalienhandschuhe.

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