Hamburgliebe. Stefanie Thiele

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Hamburgliebe - Stefanie Thiele страница 4

Hamburgliebe - Stefanie Thiele

Скачать книгу

Print-Magazin GEO in der Welt unterwegs – bis dahin sind meine Texte nur in gedruckter Form erschienen. Damals bin ich immer zusam men mit professionellen Fotografen auf Recherche geschickt worden. Auf diesen Reisen herrschte strenge Arbeitsteilung. Ich war zuständig für den Text. Basta. Doch dann meldete ich mich bei Instagram an und kaufte mir mein erstes iPhone … Seitdem erkunde ich meinen Heimathafen, vorzugsweise morgens. Andere gehen joggen, ich schwinge mich auf mein rotes Rad und fotografiere mich durch Hamburger Ecken. Doch weil ich immer noch gerne Geschichten erzähle und der Platz auf Instagram einfach zu knapp ist, habe ich kurzerhand meinen Blog ins Leben gerufen.

image

      Der Park Fiction auf St. Pauli, fotografiert von Susanne.

image

      Eine Treppe im Kontorhausviertel, fotografiert von Susanne.

       In deinem Blog schreibst du über eine längst in Vergessenheit geratene Geheimsprache. Das klingt ziemlich spannend. Magst du uns darüber erzählen?

      Der Kiezjargon ist wirklich faszinierend. Er ist die Sprache der Zuhälter, Prostituierten und Barbesitzer, mit der sie ihre Gespräche verklausulierten, damit nicht gleich jeder erfuhr, warum es ging. Vor Kurzem entdeckte ich in der Bücherhalle um die Ecke ein Buch, in dem ein Geheimsprachenforscher diese Sprache dokumentiert hat, um sie vor dem Vergessen zu bewahren. Dafür hat er sich lange mit noch lebenden Kiezlegenden unterhalten. Die Begriffe und Redewendungen variieren von krass bis ext-rem lustig. »Tofte Berber« sind hübsche Mädchen, der »Miefkorb« ist das Bett, und mit »Chicagoschreibmaschine« ist das Maschinengewehr gemeint. Diese Sprache darf bitte nicht aussterben.

       Du hast eine Fotosafari entwickelt, die man sich ganz einfach aufs Handy laden und nachmachen kann. Welches ist dein Lieblingsfotomotiv in Hamburg?

      Das ist wirklich schwer zu entscheiden. In meinem Guide »Ha fenkante« geht es u. a. nach Övelgönne, wo extrem pittoreske alte Kapitänshäuser am Strand stehen. Die liebe ich – und irgendwann, wenn ich im Lotto gewinne, kaufe ich mir eins von ihnen. Aber auch die Speicherstadt mit ihren Backsteinbauten, verwunschenen Flee-ten und Brücken ist ein echtes Highlight für mich. Ich denke, dahin wird meine nächste Fotosafari gehen.

       Wo trifft man Susanne und wo sicher nicht?

      Eigentlich überall. Halt, in der Herbertstraße auf St. Pauli sicher nicht. Denn die ist für Frauen verboten. Es sei denn, es macht einem nichts aus, einen Eimer Wasser (oder Schlimmeres) abzubekommen.

       Wie sieht für dich der perfekte Tag in Hamburg aus?

      Er fängt mit einem Kaffee in der »Strandperle« an, einem Kiosk, von dem man beste Sicht auf die Elbe, Kräne, Containerterminals und Frachter hat. Dann fahre ich mit dem Fahrrad ein wenig durch Othmarschen und schaue mir Villen von außen an (ich liebe es, mir anderer Leute Häuser anzugucken), in Ottensen gehe ich ein wenig an der Ottenser Hauptstraße bummeln, dann mache ich mich auf den Weg zu den Landungsbrücken, wo ich mir an der Brücke 10 eins der leckersten Fischbrötchen der Stadt genehmige und springe auf die Fähre der Linie 72 (in Hamburg gehören Fähren zu den öffentlichen Verkehrsmitteln).

image

      Der berühmte Silbersack auf St. Pauli, fotografiert von Susanne.

image

      Franzbrötchen, fotografiert von Susanne.

      Ich fahre rüber zur Elbphilharmonie, besteige die Aussichtsplattform in 33 Meter Höhe, um ein paar Fotos zu machen. Dann schlendere ich durch die nach Kaffeebohnen duftende Speicherstadt hinüber ins Kontorhausviertel. Der Backstein-Expressionismus von Ge bäuden wie dem Chilehaus oder dem Sprinkenhof machen mich einfach immer wieder glücklich.

      Den Abend beginne ich mit ein paar Tacos in der Taqueria »Mexiko Straße« (Detlev-Bremer-Str.). Dazu gibt es Margaritas, die schmecken wie am Strand von Tulum. Später geht’s dann querbeet durch St. Pauli. Die Nacht endet im guten alten »Silbersack«, einer legendären Kneipe, die es seit der Nachkriegszeit gibt und in der zu später Stunde alle, wirklich alle, durchdrehen und anfangen zu tanzen, wenn wieder der etwas staubige Klassiker »Auf der Reeperbahn nachts um halb eins« aus der Jukebox schallt.

       Ihr Hamburger liebt ja Franzbrötchen. Was hat es damit auf sich?

      Einer Legende zufolge soll sie ein Hamburger Bäcker während der französischen Besatzungszeit unter Napoleon Anfang des 19. Jahrhunderts in einer Pfanne voller Bratfett gebacken haben. Er wollte eigentlich Croissants herstellen. Aber er verwendete wohl etwas zu viel Butter und Zimt. Die Franzosen sollen gelacht haben. Gegessen haben sie die Dinger trotzdem. Ich liebe sie auch.

      Wenn die Sonne auf St. Pauli unterging, erwachte der Nachtjargon. Er ist die Sprache der Zuhälter, Prostituierten und sonstigen Kiezbewohner. Dr. Klaus Siewert hat diesen Jargon erforscht und in seinem Buch »Hamburgs Nachtjargon: die Sprache auf dem Kiez in St. Pauli« festgehalten. Dazu befragte er Prostituierte und arbeitete für seine Untersuchung eng mit der Kiezgröße Stefan Hentschel zusammen.

      Schriftlichkeit ist bei Geheimsprachen fremd, hätte sie doch die Gefahr der Decodierung bedeutet. Eine Geheimsprache ist laut Siewert also nicht eine Sprache, die man nicht versteht, sondern eine, die man nicht verstehen soll.

      Viele Begriffe oder Redewendungen des Nachtjargons gehen auf Hamburger Stadtteile zurück. So ist ein »Bergedorfer« ein unsicherer Typ, von dem man nicht weiß, wo er hingehört. Das Wort wurde vom Namen des Hamburger Stadtteils Bergedorf abgeleitet, das abwechselnd von Hamburg und Berlin regiert wurde. Ein Mensch, der »alles Farmsen vermacht hat«, hat all sein Geld verspielt – eine Anspielung auf die Trabrennbahn in Farmsen.

      Aber auch andere Herkunftswörter wurden im Nachtjargon benutzt. Ein »Breslauer« war ein Kunde, der die Preisverhältnisse auf dem Kiez nicht kennt und daher ein leichtes Opfer ist. Die »Tille« war die Prostituierte und hatte einen »Loddel«, einen Zuhälter. War der Zuhälter weiblich, sprach man von einem »Kessmuss«. Ein 50-Pfennig-Stück war ein »Heitack«, eine Mark eine »Miese«, zwei Mark ein »Zwilling« oder auch ein »Beischock« und das Fünf-Mark-Stück war der »Heiermann«. Bei den Scheinen war der Zehn-Mark- Schein ein »Gutmann«, zwanzig Mark waren ein »Pfund«, fünfzig Mark ein »halbfest Kilo« oder auch ein »Lübecker«, hundert Mark ein »Kilo« oder ein »Blauer«, fünfhundert Mark ein »Brauner«. Hatte man tausend Mark, sprach man von einem »Riesen« oder einer »Telofe«. Konnte der Freier nicht zahlen, war er »schi Lobi«, das heißt: ohne Kohle. Dann konnte er aber immer noch seinen »Geitling« (Ring) oder seine »Ossnick« (Uhr) zur Bezahlung abgeben.

      »So, nun lass uns aber mal ’n büsch’n ›Achiele toff‹ fassen.« Sie haben das nicht verstanden? Ganz einfach: etwas gutes Essen fassen.

      Noch heute findet man einige der Worte, die einst auf dem Kiez erfunden wurden, in unserer Umgangssprache wieder. Zum Beispiel die »Asche«, die »verbraten« wurde.

image

      Blick von den Tanzenden Türmen auf die Reeperbahn

image

      Von

Скачать книгу