Die verlorene Insel. Nataliya Gumenyuk

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Die verlorene Insel - Nataliya Gumenyuk

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Maidan ist gerade zu Ende gegangen und die Arbeit von Hromadske schlägt hohe Wellen. Das Bild eines Kollegen wird auf den Kundgebungen der Separatisten gezeigt – als Zielscheibe. Jetzt ist nicht die Zeit für Live-Übertragungen von der Krim; man erregt besser keine Aufmerksamkeit und behält den aktuellen Aufenthaltsort einer ukrainischen Journalistin für sich. Meine Aufgabe besteht somit weniger darin, Aufmerksamkeit zu generieren, als vielmehr darin, herauszufinden, was hier wirklich vor sich geht. Mein Kollege ist einige Tage früher angekommen und hat es geschafft, gemeinsam mit einem estnischen Fernsehteam (das nicht länger auf der Krim erwünscht ist) einige Szenen einzufangen. Er hat auch Perewalne besucht, wo er russische Soldaten ohne Hoheitsabzeichen gefilmt und das Material an uns weitergereicht hat. Die bewaffneten Männer mit vermummten Gesichtern hüllten sich einfach in Schweigen, und den Ortsansässigen mit ihren schwarz-

      „Gegen Mittag hatten bereits 461 Person abgestimmt. Alle sind sehr aktiv! Viel junges Volk. Ich bin nicht zum ersten Mal Mitglied einer Wahlkommission. Alle behaupten immer, dass die Jugend unpolitisch sei, aber die ersten, die ihre Stimme abgegeben haben, waren fünf junge Leute“, berichtet eine Frau, Mitglied einer sogenannten Wahlkommission im Stadtzentrum von Bachtschyssaraj. Das baufällige, einstöckige Gebäude ist größtenteils verrammelt und wurde eigens für die Wahlen auf Vordermann gebracht.

      Die Frau rechtfertigt die großen Lücken im Wählerverzeichnis damit, dass zur Vorbereitung der Abstimmung nur wenig Zeit geblieben sei. Daher dürfen auch jene, die nicht auf der Liste stehen, „abstimmen“. Wir beobachten den Ablauf:

      „Hier ist der Antrag von Nadija Wolodymyrowna Ionowa auf Aufnahme in die Liste.“ Es wird abgestimmt; der Antrag wird angenommen.

      „Nun kommen Sie her, nehmen Sie einen Stimmzettel und wählen Sie“, fordert die Organisatorin die Frau auf.

      Wenige Stunden später treffen wir im selben Wahllokal eine befreundete Journalistin mit russischem Pass. Sie erzählt uns, dass sie soeben bereits in einem anderen Wahllokal in Bachtschyssaraj ihre Stimme abgegeben hat.

      „Finden Sie, dass Russland eher zum Vorbild taugt als Europa?“, fragt mein estnischer Kollege eine junge Familie, die zum Wahllokal gekommen ist.

      „Natürlich, in Russland steht alles zum Besten, dort herrscht Stabilität. Die EU ist definitiv kein Vorbild, und Lettland schon gar nicht.“

      „Wir sind aus Estland.“

      „Estland? Auch kein gutes Vorbild. Was gibt´s da schon Gutes? Die Leute dort leben schlechter. Wir waren in Serbien, die Leute dort machen sich scharenweise aus dem Staub.“

      „Serbien? Aber Serbien ist nicht in der EU.“

      „Das nicht, aber sie haben ein Integrationsabkommen unterschrieben, deshalb geht das Land mit jedem Jahr mehr vor die Hunde. Und meine Freunde in Riga sind auch nicht eben begeistert: die Lebenshaltungskosten steigen, das Rentenalter ebenfalls, die Gehälter sinken. Die treiben die Menschen in den Ruin.“

      Wir stehen vor einem der größten Wahllokale im Dorf Turheniwka. Ein Mann mittleren Alters mit Schiebermütze und Lederjacke stellt sich lächelnd als „Onkel Tolja“ vor. „Na aber selbstverständlich“ habe er abgestimmt.

      „Und wofür haben Sie gestimmt?“

      „Ja keine Ahnung, wie das alles jetzt gelaufen ist.“

      „Wofür nun? Für die Vereinigung mit Russland?“

      „Und wohin geht dieses Video?“

      „Nach Kyjiw.“

      „Oh, nein! Dann nicht. Das zeigt ihr sowieso nicht!“

      „Doch, na klar, warum denn nicht?“

      „Ich sage nichts. Ich habe zwar gewählt, aber jetzt weiß ich nicht, ich horche in mich hinein und frage mich, wozu das Ganze gut sein soll.“ Er zuckt mit den Schultern.

      „Und was wird morgen geschehen?“

      „Morgen wird ein schwerer Tag, aber die Leute werden erfahren, dass alle auf der Krim nach Russland wollen.“

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