Baltrumer Bitter. Ulrike Barow
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Der Bauunternehmer Jan Wybrands war auf der Insel kein Unbekannter. Immer wieder kaufte er Häuser von Insulanern, die ihre Immobilie loswerden wollten. Sei es, weil sie die Insel verließen, oder weil sie einfach zu alt waren und die Kinder den Betrieb nicht übernehmen wollten. Dann kam Wybrands’ große Stunde.
Sie lächelte leicht. Erst kürzlich hatte sie an einem Verkaufsgespräch teilgenommen. Zum Schluss hatte ihr Chef das ältere Ehepaar so weit gehabt, dass die wirklich glaubten, er, Wybrands, würde ihnen einen selbstlosen Gefallen tun, wenn er ihr Haus kaufte. Die Leute waren so glücklich darüber, dass sie aus lauter Dankbarkeit auf jede Menge Kohle verzichteten. Klara hatte die Freude ihres Chefs über das Schnäppchen fast körperlich spüren können. Er schien vor Begeisterung zu vibrieren. Sie hoffte, noch viel von dem Mann zu lernen.
Aber dafür mussten Frank und sie diesen Auftrag gut über die Bühne bringen. Da kannte ihr Chef keinen Spaß. Zwei alte Insulanerhäuser waren ihm zum Kauf angeboten worden. Das große Projekt, das er nach dem Abriss der Häuser auf den Grundstücken verwirklichen wollte, bedurfte einiger Vorplanung. Für morgen stand ein Gespräch mit dem Bürgermeister auf dem Programm. Sie sollten ihm unverbindlich auf den Zahn fühlen, hatte der Chef ihnen mit auf den Weg gegeben. Endgültiges würde er dann mit ihm persönlich besprechen.
Beim Frühstück würden sie die Stimmung im Hause Steenken testen. Ob da was ging oder nicht.
Als sie beinahe über eine Hundeleine stolperte, schreckte sie aus ihren Gedanken auf. Am Ende der Leine hing ein lauthals bellender Dackel, der mit einem Bernhardiner auf der anderen Straßenseite Kontakt aufgenommen hatte. Sie umrundete Dackel und Frauchen in einem großen Bogen.
Ihr Telefon klingelte. Sie griff in die Tasche ihrer Shorts, nur um festzustellen, dass das Teil nicht in der Hose, sondern tief in ihrem Beutel unter dem Handtuch und dem Buch vergraben war. Los, verdammt! Wo steckst du?
Als sie das Handy herauszog, schwieg es bereits. Sonja. Sie setzte sich auf eine der Holzbänke neben dem gelben Eispavillon und wählte. Sofort meldete sich ihre Freundin mit der rauen Stimme, in die sie sich auf einer Party spontan verliebt hatte. »Hallo, Schatz. Na, wie geht’s? Was macht der Auftrag?«
»Bis jetzt noch gar nichts. Spiele Urlauberin und erkunde die Gegend. Morgen wollen wir loslegen. Da hat sich der Wybrands ein echt dickes Ding vorgenommen.« Klara lachte. »Wenn wir damit erfolgreich sind, dann ist unsere Hochzeitsreise gesichert.« Im nächsten Jahr wollten sie heiraten. Nur über das Ziel ihrer Hochzeitsreise waren sie sich noch nicht einig. Sonja zog es in die Karibik, sie selbst würde lieber nach Jordanien fahren. Petra, die geheimnisvolle Stadt, das würde sie reizen.
»Wir werden erst einen auf Kultur machen, und uns danach am Strand unter Palmen erholen«, hörte sie ihre Freundin sagen. »Das müsste doch drin sein.«
»Klar, mit Strand fange ich jetzt schon mal an. Allerdings ohne Palmen. Aber immerhin. Mensch, was wäre das schön, wenn du jetzt hier wärest. Und nicht Kollege Frank, diese Flachpfeife«, bedauerte Klara.
»Leider muss ich arbeiten, liebste Freundin. Ich habe meinen Urlaub deinetwegen verschoben, vergiss das nicht. Aber es dauert ja nicht lange. In drei Tagen seid ihr wieder zurück.«
»Wenn alles klappt. Ich hoffe es sehr. Bis heute Abend. Wünsche mir einen Gute-Nacht-Anruf.«
Nachdem Sonja ihr noch etwa dreimal hatte versprechen müssen, abends anzurufen, beendete Klara das Gespräch, überquerte den Marktplatz und sah bald eine mächtige weiße Holzbrücke, die den Fußweg in einiger Höhe überspannte. Lachend blieb sie stehen. Da wies doch tatsächlich ein Verkehrsschild darauf hin, dass das Unterqueren der Brücke nur für Fahrzeuge mit einer Maximalhöhe von 3,7 Metern möglich sei. Ein echter Gag. Ob es auf dieser autofreien Insel tatsächlich Fahrzeuge mit so hohen Aufbauten gab?
Rechts, in einer Senke, sah sie zwei Tennisplätze, das Gras von der Sonne verbrannt. Bis auf ein paar Tauben, die dort vergeblich nach Nahrung suchten, waren die Plätze leer. Kein Wunder, ging ihr durch den Kopf. Mir wäre es jetzt auch viel zu warm, um hinter kleinen, weißen Bällen herzujagen. Ich will nur noch zum Strand.
Sie bog ab, den roten Klinkerpfad entlang, der die Randdünen durchschnitt. Am Strand streifte sie ihre Schuhe ab und fühlte den warmen Sand angenehm unter ihren Füßen.
Klara breitete ihr Handtuch aus, zog sich bis auf den knappen Bikini aus und machte sich mit einem wohligen Seufzer lang. Eigentlich hatte sie sofort zum Wasser gehen wollen, aber nun waren ihr die paar Meter dorthin schon zu viel. Später, dachte Klara. Später. Erst einmal werde ich hier faul rumliegen und an gar nichts denken.
Doch sie merkte schnell, dass das gar nicht so einfach war. Ihr Job ließ sie nicht los und ihre privaten Sorgen rückten ihr unaufhaltsam auf die Pelle. Noch kurz vor ihrer Abreise hatte Klara mit ihrer Mutter wieder eine dieser unsäglich überflüssigen Diskussionen gehabt, die unausweichlich in dem Satz gipfelten: »So werde ich nie Enkel kriegen. Das habe ich nicht verdient.« Spätestens bei diesem Satz haute Klara grundsätzlich ab. Sie konnte den Mist einfach nicht mehr ertragen.
Ihr Vater sah ihre Liebe zu Sonja erheblich gelassener. Aber auch er konnte seine Frau nicht davon überzeugen, dass das Leben der Tochter nicht nur darin Erfüllung zu finden hatte, Enkelkinder für sie in die Welt zu setzen.
Klara sprang auf. Selbst hier am Strand, wo die Luft flirrte vom Lachen der Menschen und der Duft nach Sonnenöl sich mit dem Geruch von Salzwasser und Tang zu einer unvergleichlichen Mischung verband, konnte sie ihre trüben Gedanken nicht verdrängen.
Durfte sie ihr Handy wohl unbeaufsichtigt in ihrer Tasche lassen, während sie schwimmen ging? Sie beschloss, es zu riskieren. Klara wickelte ihre Tasche ins Badehandtuch und wollte schon losgehen, als ihr das Arrangement viel zu auffällig erschien. Es lädt geradezu zum Diebstahl ein, überlegte sie und legte alles wieder hin, als ob sie nur mal kurz drei Meter zur Seite spaziert wäre.
Das Meer hatte sich schon weit zurückgezogen. Eine lange Schlange Menschen watete durch das seichte Wasser auf die vorgelagerte Sandbank. Andere versuchten zu schwimmen und wieder andere lagen auf Luftmatratzen und paddelten wild drauflos. Sie mochte sich dem Strom nicht anschließen. Klara bog rechts ab und lief an der Wasserkante entlang Richtung Osten. Die Sonne brannte unbarmherzig auf ihre blassen Schultern. Warum hatte sie ihr T-Shirt nur in der Ferienwohnung gelassen? Es hätte ihr mehr Schutz geboten als das giftgrüne Top mit den dünnen Trägern. Wenn sie heute Nacht Ruhe finden und nicht vom Sonnenbrand geplagt werden wollte, musste sie umkehren. So schwer es ihr fiel. Denn hier, direkt mit den Füßen im Wasser, ließ es sich eigentlich gut aushalten. Immerhin – der Apotheker, der ihr am Tag vor ihrer Abreise auf die Insel die After-Sun-Lotion verkauft hatte, hatte von größtmöglicher Wirkung gesprochen …
Als sie sich umdrehte, kamen ihr zwei junge Mädchen entgegen. Klara schätzte sie auf fünfzehn oder sechzehn Jahre. In ihre Haare waren bunte Bänder geflochten. Die eine trug ein weites, mit großen roten und gelben Punkten bedrucktes Kleid. Der Saum wand sich, schwer von Sand und Feuchtigkeit, um ihre bloßen Füße. Die andere hatte sich in ein weites, bunt gemustertes Tuch gehüllt. Die Mädchen hatten ihre Arme ausgebreitet und drehten sich immer wieder im Kreis, dann hüpften sie fröhlich über die kleinen Wellen, die am Strand ausliefen. Als sie näher kam, hörte Klara, dass die beiden fröhlich sangen. Sie meinte, das Lied schon einmal irgendwo gehört zu haben. Und zwar vor gar nicht langer Zeit. Aber sie konnte sich nicht erinnern. Klara sah ihnen fasziniert hinterher.
Also,