Baltrumer Bitter. Ulrike Barow

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Baltrumer Bitter - Ulrike Barow

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schwieg. Dann stand sie langsam auf, schaute ihn noch einmal an und ging ins Haus.

      So etwas war ihm noch nie passiert. Sprachlos starrte Frank Visser auf die blaue Plastikliege, die ausgeblichen von der Sonne in Steenkens Garten stand. Keine Spur war mehr da von dem Sommerwunder, das ihn eingehüllt und bis in sein Innerstes getroffen hatte. Wer war sie? Sie konnte doch nicht einfach gehen. Ihn hier zurücklassen, ohne ein Wort zu sagen. Für einen Moment war sie ihm wie eine Verheißung erschienen, dann war sie davongeschwebt und hatte ihn im Garten stehen lassen. Wo gehörte sie hin? Er würde seine Vermieterin fragen. Spätestens morgen beim Frühstück.

      Jetzt war es Zeit zu duschen und auf Klara zu warten. Mal sehen, ob der Abend erfolgreicher werden würde.

      *

      Sorgsam spülte Arnold Steenken das Haarsieb in dem alten metallenen Waschbecken ab, trocknete es ab und legte es in die Schublade des dunkelbraunen Küchenschrankes. Er schaute sich zufrieden um. Gemütlich hatte er es in seinem Keller. Als Margot zwei Jahre zuvor ihre neue Kücheneinrichtung bekommen hatte, hatte er die alten Schränke abgebaut und in seiner »Giftküche« wieder aufgebaut. Nur die Spüle, die hatte er nicht ersetzt. Sie war eine Erinnerung an die Zeit, als seine Schwiegermutter diesen Raum für die Herstellung und Lagerung ihres Eingemachten verwendet hatte. Er hatte die Frau, die er nie ohne ihre geblümte Kittelschürze angetroffen hatte, sehr gemocht.

      Sie hatte ihm oft erzählt, dass es für die meisten Insulaner unvorstellbar gewesen war, in den Jahren des Aufbaus einen Raum im Haus nicht zu vermieten, sondern als Vorratsraum zu nutzen. Doch seine Schwieger­mutter hatte an ihrem Vorrats- und Arbeitsraum eisern festgehalten. Und jetzt war es der Ort, an dem er seine Liköre kreierte. Seine große Leidenschaft. Walnusslikör, Honiglikör, Erdbeerlikör – alle Zutaten fein abgestimmt und in Flaschen gefüllt.

      Er schnupperte. Sog dann tief das Aroma durch die Nase. Glückwunsch, Arnold, dachte er. Da hast du wieder was Gutes hingekriegt. Heute war seine neueste Schöpfung fertig geworden. Im Jahr zuvor hatte er Sanddorn geerntet, der auf der Insel reichlich wuchs. Er durfte das. Insulaner hatten eine Sondergenehmigung der Nationalparkverwaltung, auch in den Ruhezonen Beeren zu pflücken. Den Sanddorn hatte er zu Saft verarbeitet und vor einigen Wochen mit diversen Kräutern, Kandis und Korn angesetzt. Jetzt musste er nur noch einen Namen für das Getränk finden und auf dem PC einen Aufkleber entwerfen. Er drehte den Schraubverschluss auf die letzte Flasche und stellte sie mit einer liebevollen Bewegung neben die anderen in die Vitrine.

      »Arnold, das Abendessen ist fertig. Kommst du?«, hörte er Margots Stimme von oben. Glück gehabt, dachte er. Gerade fertig geworden. Nach dem Essen würde er ein Gläschen spendieren. Seine Frau war stets die Erste, die seine neuen Sorten probierte. Und wenn sie ihr Okay gab, dann gehörte es zu den festen Ritualen, dass er mit seinem Kollegen Georg Hanefeld im Büro einen Feierabendschluck nahm.

      »Ich komme«, rief er, während er immer zwei Stufen auf einmal nehmend in die Küche lief.

      Hilda saß bereits an ihrem angestammten Platz am Kopfende des massiven Tisches. Die Küche war seit jeher der wichtigste Raum für Familie Steenken. Hier traf man sich, saß mit oder ohne Gäste gemütlich zusammen, löste Probleme und feierte. Hier hatten Margot und er gesessen, als sie die Nachricht erreichte, dass ihre Tochter Hilda am Strand von einem Sandabbruch begraben worden war. Die Kinder hatten an den Randdünen gebuddelt, als sich ein Sandbrett gelöst hatte. Zwei hatten den Unfall nicht überlebt. Hilda hatten die Rettungskräfte nach einer ganzen Weile äußerlich unverletzt herausgeholt. Seitdem sprach sie nicht mehr.

      »Hallo, meine Lieben«, sagte er fröhlich. »Ist das eine Hitze! Eigentlich viel zu warm zum Essen. Aber wenn ich diese Gemüsesuppe sehe, vergesse ich glatt die Außen­temperatur.« Er setzte sich vergnügt zu seinen beiden Frauen und langte zu. »Ich habe soeben den Likör abgefüllt. Ich glaube, er ist ganz besonders lecker geworden.«

      »Na, dann muss ich wohl meines Amtes walten und nachher ein Gläschen zu mir nehmen«, antwortete Margot. »Oder zwei, wenn er mir schmeckt.«

      Arnold nickte. »Herzlich gerne. Aber vorher muss ich euch erzählen, was mir im Dienst passiert ist. Ihr werdet es nicht glauben, was der Lohmann von mir wollte.«

      Als er seine Geschichte erzählt hatte – den Teil mit der Begonie hatte er wohlweislich ausgelassen – beugte sich Margot mit puterrotem Kopf über den Küchentisch. »Das willst du nicht hinnehmen, oder? Du musst deine Kollegen vom Betriebsrat informieren, das ist doch wohl klar. Erpressung – wo kommen wir denn da hin?!«

      Arnold nickte. »Das war echt ein ziemlich starkes Stück. Mal schauen, ob ich was unternehme. Der wird sich schon genug wundern, wenn wir mit unserem Programm um die Ecke kommen. Wenn wir dafür genug Anhänger finden, sieht es nämlich schlecht aus mit seinen Vorstellungen von progressiver Dorfentwicklung. Dann heißt es: ›Zurück zu den Wurzeln‹. Aber was sage ich, du wirst ja dabei sein, wenn wir uns Donnerstag treffen. Das wird einschlagen wie eine Bombe.«

      Margot schaute ihren Mann skeptisch an. »Ich lasse mich überraschen. Viele Insulaner sind anderer Meinung als du. Die sehen im Bau von Luxusunterkünften die Zukunft der Insel.«

      »Ja, leider. Darum ist es so wichtig für mich, meine Ansichten von Dorfentwicklung in die Öffentlichkeit zu tragen. Wenn man die alten Häuser saniert, können dort doch auch Energieeffizienz und Gemütlichkeit einziehen. Da muss es nicht gleich die Luxusherberge sein. Gäste, die so was wollen, fahren nach Juist. Hier nach Baltrum kommen die Familien, und das ist richtig so.«

      »Mir musst du das nicht erzählen, Arnold«, sagte Margot energisch. »Du darfst allerdings eines nicht vergessen: Jeder kann mit seinem Eigentum machen, was er will. Denk an unser altes Haus im Ostdorf. Wenn wir das verkaufen wollten, wäre das unsere ureigenste Sache. Natürlich hätten wir keinerlei Einfluss mehr darauf, was der neue Eigentümer damit macht. Selbst wenn er das Haus abreißen und stattdessen zehn Eigentumswohnungen auf das Grundstück setzen würde. Damit müssten wir halt leben, wenn wir es nicht selbst renovieren könnten oder wollten. So ist das nun mal.«

      »Du hast ja recht«, erwiderte Arnold. »Aber genau das sind doch die Aussichten, die mich erschrecken. Dass die Insel über kurz oder lang ihr Gesicht verliert. Ihre Geschichte. Und ihren Charme. Dass sie beliebig austauschbar wird in ihrer Architektur und in ihren Angeboten. Da werden Hotels entstehen, von denen eines aussieht wie das andere, und Eigentumswohnungen, die nur im Sommer für drei Monate vermietet sind. Schau dich im Winter um. Nichts als dunkle Fenster. Das ist doch nicht schön für uns Insulaner. – Fazit: Ich möchte am liebsten das ganze Jahr über Gäste in gemütlichen Ferienwohnungen haben, deren Besitzer auf der Insel wohnen«, erklärte Arnold entschlossen. »Kurz gesagt, ich will das Insel-Flair erhalten.«

      Margot schüttelte entschieden den Kopf. »Ich glaube, der Zug ist abgefahren. Die Zeiten sind einfach vorbei.«

      »Das wollen wir mal sehen«, murmelte Arnold. Dann nahm er sich ein drittes Mal von der Gemüsesuppe. Seine Tochter lächelte ihn fröhlich an.

      »Wo wir gerade über Sanierungen reden: Kommen wir noch einmal auf unser Haus im Ostdorf zurück. Hast du dir endlich Gedanken gemacht, wie es damit weitergehen soll?«, sagte seine Frau. »Seit Onkel Theos Tod haben wir uns nicht gekümmert. Ein altes Haus verfällt schnell, wenn es nicht bewohnt wird. Was tun wir also?«

      Arnold schaute sie unangenehm berührt an. »Ich weiß, ich weiß. Die immer gleiche Frage. Aber verkaufen? Bestimmt nicht. Wie soll ich das meinen Uns-Baltrum-Genossen erklären? Renovieren? Du weißt, wie teuer das ist. Wir müssen etwas unternehmen, das ist sicher. Am besten wäre es, wenn wir die beiden Nachbarhäuser gleich mitkaufen und auf den neuesten Stand bringen würden. So könnten wir einen Teil des alten Ostdorfes erhalten. Nur wie wir das bezahlen

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