Altes Wissen - Neuer Tod. Petra Mehnert

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Altes Wissen - Neuer Tod - Petra Mehnert

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keiner von beiden hatte Lust, in dem Haus zu wohnen, in dem sich auch die Firma befand. Wer da wohnte, hatte auch die meiste Arbeit mit allem, da waren sie sich einig. Es war dann bestimmt schwer, Arbeit und Privates zu trennen. Man hatte aus Sicherheitsgründen eine stabile Tresortüre in einen der Kellerräume eingebaut, wo die wertvollsten Materialien und Messer gelagert wurden. Als das Haus noch bewohnt und ein Hund da war, hatten sich die Angerers noch sicher gefühlt. Aber jetzt stand das Haus nach Feierabend, nachts und an den Wochenenden leer und deshalb hatte man auch noch eine Alarmanlage installieren müssen. Leider hatte es in der letzten Zeit immer mal wieder Einbrüche im beschaulichen Ottenbach gegeben - die angebliche „Heile Welt“ bekam auch hier erste Risse.

      „Da es sich im Dorf ja wahrscheinlich eh schon rumgesprochen hat, dass die Edith Bockmeyer gestorben ist, kann ich mit euch ja drüber reden“, fing Joska nach dem Essen an. „Ach ja, Delfina - dein Essen war wieder wunderbar, wie immer! Danke, dass ich so kurzfristig noch was abgekriegt hab!“, fügte er noch schnell hinzu, da er wusste, wie sehr sich seine Schwiegermutter in spe über ein Kompliment freute. Der inzwischen Dreißigjährige staunte immer wieder über die aus Portugal stammende Delfina. Mit ihren vierundfünfzig Jahren, ihren pechschwarzen langen, gewellten Haaren und ihren weiblichen Kurven war sie auch heute noch sehr attraktiv. Besonders auffallend waren ihre stahlblauen Augen mit den dichten Wimpern, ihr herzförmiger Mund und die leicht aufstrebende kleine Nase. Die letzten beiden Eigenschaften hatte sie an ihre Tochter weitergegeben, auch die Dichte der Haare, jedoch nicht ihre Farbe - Nora hatte lange, feuerrote Locken, wunderschöne, moosgrüne Augen und jede Menge Sommersprossen, die Joska besonders an ihr liebte.

      „Danke dir, Joska! Ich freue mich doch immer, wenn du mal ein bisschen Zeit für uns hast! Wir wohnen zwar im selben Haus, aber wir sehen uns viel zu selten und wenn, dann nur kurz“, seufzte die rassige Mittfünfzigerin, die ihre portugiesischen Wurzeln nicht verleugnen konnte. Familie war für sie das Wichtigste und sie hielt mit ihrer mütterlichen Art alles zusammen.

      „Das stimmt wohl, aber was will man machen?“, entgegnete Joska und schaute dennoch schuldbewusst drein. Nora ging darauf jedoch nicht ein, sie interessierte natürlich etwas ganz anderes.

      „Warum ist der Fall Bockmeyer auf eurem Tisch gelandet?“

      „Ach Noralein ...“, fing ihr Freund aufseufzend an, doch seine Freundin beantwortete sich ihre Frage gleich selbst:

      „Das darfst du mir aus ermittlungstechnischen Gründen nicht sagen, ja ... ja ... ich weiß! Tut mir leid, dass ich überhaupt gefragt hab“, schnappte sie und war nicht sauer auf Joska, sondern auf sich selbst. Nach inzwischen vier Kriminalfällen, in die sie jedesMal irgendwie verwickelt gewesen war, sollte sie doch wissen, wie der Hase lief. Ihr Mundwerk war halt wie so oft mal wieder schneller gewesen als ihr Verstand. „Du weißt doch, wie das läuft Nora. Allerdings ist es im Fall Bockmeyer noch nicht erwiesen, ob es Mord oder Selbstmord war und genau das müssen wir jetzt herausfinden. Dafür werde ich mich hier im Ort umhören und da kann ich ja auch gleich mit euch anfangen, wenn ihr kurz Zeit dafür hättet?“, meinte Joska und schaute die Messermacher nacheinander an: Noras Vater, den Firmenchef Jakob Angerer, der inzwischen eigentlich schon in Rente gehen könnte, sein zehn Jahre jüngerer Bruder Tobias und Noras Bruder Felix, der mit seinen vierundzwanzig Jahren bereits Vater war. Seine kleine Tochter Malina war gerade in der Obhut seiner Freundin, die momentan Semesterferien hatte.

      „Du kannst uns gerne während der Arbeit befragen, Joska. Wir müssen für die nächste Messe noch einiges fertigmachen und sollten gleich wieder an die Arbeit“, bestimmte das Familienoberhaupt und ohne zu murren begaben sich alle wieder in die Werkstatt, deren Räume direkt neben dem Wohnbereich waren. Die familiäre Atmosphäre gefiel den Kunden immer sehr gut, wurden die Gespräche und die Präsentationen der Messer doch im gemütlichen Wohnzimmer abgehalten.

      „Also, dann legen wir mal mit der Befragung los!“, verkündete der junge Kommissar und setzte sich auf einen kleinen Hocker neben Noras Arbeitsplatz. „Kanntet ihr die Edith Bockmeyer?“

      „Nein“, kam es einstimmig, was Joska sofort entmutigte. Dennoch fragte er weiter:

      „Und den Rest der Bockmeyers?“

      „Wer ist das denn alles? Ich kenne nur den Harald und den Hugo“, sagte Nora und nun keimte doch Hoffnung in ihrem Freund auf. Joska wollte natürlich nicht, dass seine Freundin schon wieder in einen seiner Fälle verwickelt wurde. Aber wenn sie Informationen darüber hatte, musste er sie sich zumindest anhören.

      „Fangen wir mit Harald an. Den kennst du also - woher?“, fragte er in polizeilichem Interesse und versuchte zu verhindern, dass sich seine private, eifersüchtige Neugier allzu offensichtlich zeigte.

      „Vom Gassigehen und den Hugo auch, der steht immer an der Bushaltestelle“, knurrte Nora beinahe, denn ihr war der argwöhnische Unterton natürlich nicht entgangen.

      „Ach ja, der Harald hat ja auch einen Hund. Wo ist eigentlich dein Hasso?“, wollte Joska nun wissen, denn er hatte den großen Schäferhund heute noch gar nicht gesehen.

      „Der liegt leidend in seinem Korb“, sagte Nora lächelnd, was Joska sehr verwirrte. Wie konnte sie lächeln, wenn es Hasso so schlecht ging? Nora musste seine Gedanken wohl gelesen haben, denn sie fügte immer noch grinsend hinzu: „Die Nachbarshündin ist läufig.“

      „Oh je, der Arme! Jetzt frisst er wieder tagelang nix. Irgendwie isses schon Tierquälerei, wenn man die Hunde nicht kastriert. Wie würden wir Männer uns fühlen, wenn wir unsere Triebe nicht ausleben dürften?“, fragte Joska in die Runde der Herren, erwartete aber keine Antwort. „Zurück zu unserem Fall: Was weißt du über Harald und seine Familie, Nora?“

      „Eigentlich nicht viel. Er hat mir nur letztens von seinen Tieren erzählt und dass es denen nicht gut geht. Seine Katze ist auch verschwunden. Über andere Themen haben wir nicht gesprochen. Wir reden immer nur über die Tiere, wenn wir uns zufällig beim Gassigehen begegnen“, konnte sich Nora nicht verkneifen, nochmals zu betonen.

      „Schon gut Nora, ich glaube dir ja“, sagte Joska nun doch etwas genervt. „Die anderen Bockmeyers kennt ihr also nicht?“

      „Nein, das heißt ... die Tochter ... Linda heißt sie, richtig?“, hakte Delfina nach und Joska nickte. „Die hab ich beim letzten Treffen der Landfrauen gesehen, glaub ich. Mit ihr gesprochen hab ich allerdings nicht. Ihre ganze Erscheinung hat mich irgendwie ... wie soll ich sagen? ... eingeschüchtert - das trifft es wohl am Besten“, sinnierte Delfina, die sich im Nachhinein auch nicht erklären konnte, warum das so war. Diese zwar deutlich jüngere Frau hatte ihr durch ihre Größe, ihre bäuerliche, etwas schmuddelige Kleidung und die stechend hellgrünen Augen sogar ein wenig Angst eingeflößt. Joska konnte das nachvollziehen, würde es aber hier nicht zugeben.

      „Einen besonders liebreizenden Eindruck macht die Dame tatsächlich nicht, aber das soll ja nichts heißen, nicht wahr? Nach Äußerlichkeiten darf ich gar nichts bewerten - ich brauche Beweise und damit sieht es momentan sehr düster aus“, jammerte der junge Kommissar und raufte sich die Haare.

      „Jetzt weißt du doch immerhin, dass sie bei den Landfrauen dabei ist. Quatsch doch mal mit denen“, schlug Nora vor und Joska schüttelte über sich selbst den Kopf - darauf hätte er ja auch selber kommen können.

      „Natürlich spreche ich mit den Landfrauen. Wann ist das nächste Treffen der Ottenbacherinnen?“, fragte er an Delfina gewandt, die sogleich ihr Smartphone zu Rate zog.

      „Du hast Glück, mein Lieber. Morgen ist der Kaffeenachmittag mit Vortrag im Gasthaus Buchs. Da werden zwar nur Frauen sein, aber da hast du wahrscheinlich den Großteil unserer Ortsgruppe beieinander. Allerdings weiß ich nicht, ob Linda auch da sein wird. Du kannst die anderen

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