Altes Wissen - Neuer Tod. Petra Mehnert
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„Wenn das tatsächlich so schlimm war, sollten wir das wohl tun, aber zuerst widmen wir uns der Wohnung hier!“, bestimmte Joska und fing an, sich in der kleinen Küche umzuschauen. Irgendwie schien hier die Zeit stehen geblieben zu sein. Sascha erinnerte sich, draußen an der Hausmauer ein Schild mit der Aufschrift „1823“, gesehen zu haben. Hier drin sah es in manchen Bereichen wirklich noch so aus wie vor zweihundert Jahren. Vor allem in der Küche der alte Holzofen-Kochherd, die alten Möbel und Regale schienen noch aus dieser Zeit zu stammen. Auch das Sofa war alt und schäbig.
„Wie in einem Bauernmuseum“, murmelte Sascha, während er alle Schubladen inspizierte und sich Joska derweil im Schlafzimmer umsah. Aber alles, was sie fanden, war wohl der Beweis für die Trunksucht der alten Frau: jede Menge Schnapsflaschen, allerdings ohne Etikett. Joska schraubte eine auf und roch daran.
„Eindeutig Schnaps, wahrscheinlich selbst gebrannt“, stellte er fest.
„Vielleicht auch mit mehr Prozenten als üblich. Ist hier keine volle Flasche mehr?“fragte Sascha und schnupperte ebenfalls daran. „Wir sollten alle Flaschen mitnehmen - eventuell ist in einer doch noch ein Rest drin, den man analysieren lassen könnte? Auf die Idee hätte die Spusi ja eigentlich auch kommen können, oder?“
„Hätten sie machen können beziehungsweise müssen, aber die sind halt auch nicht unfehlbar. Vielleicht findet sich in einer der Flaschen ja auch ein Rest dieses Giftcocktails?“, bemerkte Joska mit aufkommender Erregung. Womöglich hatten sie einen ersten Hinweis gefunden?
„Los, packen wir die Flaschen ein! Handschuhe hab ich im Auto und auch ein paar Klappboxen - ich wäre heute mit Einkaufen dran gewesen“, erklärte Joska und lief dabei hinaus in den matschigen Hof.
Als sie eine Stunde später endlich in ihrem Wagen saßen, hatten sie vierzig Flaschen im Kofferraum. Außer den Flaschen hatte ihre Durchsuchung der kompletten Wohnung keine weiteren Anhaltspunkte geliefert. Für die Rückfahrt wählten sie diesmal tatsächlich den Weg nach oben über den Hohenstaufen.
„Es ist jetzt bereits sechzehn Uhr. Machen wir erstmal Feierabend? Bevor wir die anderen beiden nicht befragt haben, wüsste ich jetzt auch nicht, was wir weiter tun könnten oder hast du ne Idee?“, fragte Joska gähnend, während er seine Whatsapp-Nachrichten checkte. Nora machte in der Messerwerkstatt meist auch immer um sechzehn Uhr Schluss und danach gleich einen Spaziergang mit ihrem Schäferhund Hasso. Vielleicht konnte er sich da heute endlich mal einklinken und mitlaufen - würde ihm guttun und er konnte den Kopf frei bekommen. Der Fall schien komplizierter zu werden, als er anfangs gedacht hatte. Da sein Kollege nur mit den Schultern zuckte, war also Feierabend angesagt. Eigentlich wäre Joska ja schon fast zuhause gewesen, aber Saschas Wagen stand auf der Wache in Göppingen und so mussten sie zuerst dorthin fahren. Außerdem wollte er heute noch die Schnapsflaschen ins Labor bringen, beziehungsweise bringen lassen, denn das würde er seinem geschätzten Kollegen Sascha aufs Auge drücken.
5
Als die Beamten weg waren, fiel Linda in sich zusammen. Das unkontrollierbare Zittern steigerte sich in ein Schütteln des ganzen Körpers, das sie in die Knie zwang. Auf dem Boden kauernd ließ sie es geschehen. Sie hatte einfach keine Kraft mehr, sich dagegen zu wehren. Hugo schaute alles mit weit aufgerissenen Augen an, er traute sich weder, seiner Schwester näher zu kommen, noch sie aus den Augen zu lassen und abzuhauen. Reglos stand er mit hängenden Schultern da und beobachtete, wie der seltsame Anfall zuerst an Stärke gewann, dann jedoch ganz langsam wieder abebbte. Nach gefühlten endlosen Minuten rappelte sich seine Schwester endlich schweißgebadet hoch in die Hocke. Dort blieb sie zunächst, denn ihr wurde schwindlig und sie musste mehrmals blinzeln, bis sie sich wieder einigermaßen im Griff hatte. Als sie draußen ein Auto vorfahren hörte, zischte sie ihrem Bruder zu:
„Hilf mir aufzustehen! Die sollen mich nicht so sehen!“
Doch Hugo schien wie versteinert und rührte sich immer noch nicht.
„Nun mach schon! Bitte! Ich lese dir auch gleich was vor!“, rief sie drängend und wie gehofft, zeigten diese Worte sofort ihre gewünschte Wirkung. Hugo eilte zu seiner Schwester und zog sie hoch. Er war erstaunlich kräftig für seine kleine Statur und wäre Linda nicht so groß gewesen, ihr kleiner Bruder hätte sie getragen, da war sie sich sicher. Auf ihn gestützt führte Hugo sie nach oben in ihre Dachwohnung, wo Linda sich erschöpft und verängstigt auf ihr Bett fallen ließ.
Was war nur los mit ihr?
Sie musste unbedingt ein außerordentliches Treffen ihres „Kreises“ einberufen, vielleicht konnten ihre „Schwestern“ ihr helfen oder ... das Buch! Sie riss es vom Nachttisch herunter und umklammerte es ganz fest wie einen Schatz. Bald darauf war sie eingeschlafen. Hugo hielt Wache und rührte sich nicht von der Stelle. Auch nicht, als er seinen Bruder Harald hatte heimkommen hören und auch nicht spät in der Nacht, als dessen Frau Bettina nach Hause gekommen war. Manchmal ging er zu ihnen hinunter und fragte sie nach ihrem Tag, aber heute nicht - heute musste er auf seine Linda aufpassen. Irgendwas war nicht so wie immer, aber er wusste nicht, was es war und das machte ihm Angst.
6
Am nächsten Vormittag erschienen Bettina und Harald Bockmeyer gemeinsam im Polizeipräsidium. Lola Amati, die Kripo-Sekretärin mit afrikanischen Wurzeln, begrüßte das Paar und bedeutete ihnen, noch kurz zu warten. Die Beamten Kiss und Clemens wären gleich zur Stelle. Frau Bockmeyer stieß ihren Mann unsanft in die Seite und zischte ihm zu:
„Mich nervt das Ganze jetzt schon! Was können wir denen denn schon sagen? Wir wissen doch auch nicht, was mit deiner Mutter passiert ist!“
„Richtig, aber das weiß die Polizei ja noch nicht und deshalb werden wir ihnen das jetzt sagen“, meinte ihr Mann nur gelangweilt und fügte noch mit einem wohlwollenden Blick auf die rassige Schönheit, die sie in Empfang genommen hatte, hinzu: „Schon witzig, wenn so eine dunkelhäutige Frau mit schwäbischem Akzent spricht und diese knallroten langen Fingernägel ... echt Hammer, die Frau!“
„Jetzt lenk nicht ab und schau die nicht so gierig an, Mensch!“, wetterte Bettina leise. „Die Frage ist doch, ob die uns glauben werden! Was is, wenn sie irgendwie rausfinden, wie sie vergiftet wurde und wir nicht beweisen können, dass wir damit nix zu tun haben? Ich bin Ärztin, Habo!“, zischte sie und benutzte aus reiner Gewohnheit den Spitznamen ihres Mannes. Früher hatte sie ihn aus Liebe gerne verwendet, doch das war lange her. „Die werden doch vermuten, dass ich Anzeichen einer Vergiftung hätte bemerken müssen. Aber ich war doch seit Wochen nicht mehr bei ihr!“, jammerte Bettina, doch ihr Mann zuckte nur die Schultern.
„Dann sag denen das doch, Bettina und jammer mir nicht die Ohren voll! Wir haben damit nix zu tun und damit basta!“
„Dein Wort in Gottes Ohr!“, flüsterte die nervöse Frau und strich sich durch ihre weißblonden, kurzen Haare. Mit starrem Blick fixierte sie die Türe, durch die sie demnächst würden gehen müssen.
Welche Fragen man ihnen wohl stellen würde?
Welche Familiengeheimnisse würden vor Fremden ausgebreitet werden?
Warum musste ihre blöde Schwiegermutter auch dauernd zur Flasche greifen und warum hatte sie als Ärztin das nicht verhindern können?
Ihr wurde übel bei dem Gedanken, dass man sie für alles verantwortlich machen könnte! Dabei hatte sie von Anfang an nicht den geringsten Einfluss