Arztroman Sammelband 8 Romane Februar 2020. A. F. Morland
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Читать онлайн книгу Arztroman Sammelband 8 Romane Februar 2020 - A. F. Morland страница 5
Warum hat er mich nicht in der Klinik angerufen?, ging es Katja durch den Sinn. Ich hätte mir frei genommen, wäre heimgefahren, wir hätten reden können. Sich zu betrinken ist nur eine scheinbare Lösung. Eine Lösung für den Augenblick, denn wenn man aufwacht, ist das Problem noch immer da und in vielen Fällen sogar noch größer geworden. Plötzlich fuhr ihr ein eisiger Schreck in die Glieder. Neben dem Whiskyglas lag ein Glasröhrchen. Es war leer. LEER!
„O mein Gott!“, stieß die Internistin entsetzt hervor. Ihr Mann schlief hier keinen gewöhnlichen Schlaf. Er schlief dem Tod entgegen! Alkohol und Schlaftabletten das war eine sehr fatale Kombination. „Norbert!“, schrie Katja, so laut sie konnte. Er durfte nicht schlafen, durfte auf keinen Fall schlafen. Sie musste ihn unbedingt wach kriegen. „Norbert! Norbert, wach auf! Himmel, warum hast du das getan?“
Sie rüttelte und schüttelte ihn und schlug mit den Fäusten auf ihn ein wild, brutal, hysterisch. Sie drehte ihn auf den Rücken und ohrfeigte ihn so kräftig, als wäre sie ganz schrecklich wütend auf ihn.
„Norbert! Norbert, du verfluchter Idiot!“
Er bewegte sich, versuchte sie mit schlaffer Hand von sich zu schieben, wollte seine Ruhe haben, wollte in Ruhe sterben, doch diese Ruhe gab sie ihm nicht.
Sie rüttelte, schüttelte und schlug ihn immer weiter, zerrte ihn hoch und brüllte ihm ins Gesicht: „Hörst du mich, Norbert? He! He! Hörst du mich? Sag etwas! Komm zu dir!“
Gutturale Laute kamen aus seinem Mund.
„Hast du alle Tabletten genommen, die in dem Röhrchen waren?“
Er antwortete nur mit einem Seufzer.
„Hast du sie alle geschluckt?“
Er röchelte.
„Wann hast du sie genommen?“
Sein Kopf pendelte hin und her, als wäre er schlecht befestigt.
„Wie lange liegst du schon hier?“
Er antwortete nicht, konnte nicht sprechen, war nicht da, war aber zum Glück auch noch nicht drüben.
„Ich lass’ nicht zu, dass du abhaust!“, schrie Katja Arndt zornig. „Ich lass’ nicht zu, dass du mich allein lässt, du gottverdammter Mistkerl! Ich liebe dich! Ich will nicht ohne dich leben!“ Sie riss ihn aus dem Bett. Er plumpste auf den Boden. Sie schleifte ihn ins Bad. Er war schwer, obwohl er nicht übergewichtig war.
Keuchend und schwitzend stemmte sie ihn im Bad hoch. Sie brachte ihn auf die Knie. Sein Oberkörper hing in die Wanne. Sie griff ihm mit zwei Fingern in den Mund und sorgte dafür, dass er sich erbrach.
Als aus Norberts Magen nichts mehr hochkam, richtete Katja Arndt die Handbrause gegen das Gesicht ihres Mannes. Das kalte Wasser ließ ihn japsen.
Katja legte sich seinen Arm um die Schultern und stand mit ihm auf. Er musste gehen, musste sich bewegen. Sein Kreislauf musste wieder in Schwung kommen.
„Geh!“, befahl sie ihm. „Geh! Eins, zwei. Eins, zwei. Beweg deine Beine!“
Er knickte ein, hing wie ein nasser Sack an ihr. Sie schleppte ihn hin und her, hin und her, hin und her. „Geh! Geh! Geh!“, schrie sie immer wieder und irgendwann fing er an zu gehen.
7
Durch die weißen Gardinen zeichneten sich die dunklen Silhouetten von Dr. Sören Härtling und seiner Frau Jana ab. Im Wohnzimmer saßen der achtzehnjährige Ben und seine Zwillingsschwester Dana. Sie spielten Karten.
Ben deutete mit dem Kopf Richtung Vorhänge und meinte seufzend: „Wenn man die beiden so sieht, glaubt man nicht, dass sie schon so lange miteinander verheiratet sind. Sie gehen wunderbar miteinander um. Und das noch nach zwanzig Jahren. Das ist echt eine reife Leistung. Daran könnten sich viele andere Ehepaare ein Beispiel nehmen.“
„Angeblich reden die meisten Eheleute nach zwanzig Jahren nur noch sieben Minuten pro Tag miteinander“, sagte Dana.
„Woher hast du das?“, wollte Ben wissen.
„Stand in einer Illustrierten“, antwortete das Mädchen. „Hat eine große Umfrage in Deutschland ergeben.“
„Sieben Minuten.“ Ben wiegte den Kopf. „Das ist nicht viel.“
„Mutti und Paps sind zum Glück die große Ausnahme von der Regel.“
Ben betrachtete die Schatten seiner Eltern. „Wenn ich mal verheiratet bin, möchte ich auch so eine harmonische Ehe führen.“
Dana schmunzelte. „Was sollte dich daran hindern?“
Ben zuckte mit den Schultern. „Meine Partnerin. Wenn sie nicht mitspielt, wird nichts aus dem harmonischen Eheleben.“
„Ich bin sicher, du wirst die richtige Partnerin finden.“ Dana hob ihre Spielkarten. „Wer ist dran?“
„Ich“, sagte Ben.
„Bist du sicher?“ Dana sah ihn zweifelnd an.
„Denkst du, ich mogle?“, grollte ihr Zwillingsbruder.
„Auf jeden Fall würde ich nicht meine Hand für dich ins Feuer legen“, erwiderte Dana.
Ben legte die Karten mit dem „Gesicht“ nach unten auf den Tisch. „Wenn du mir unterstellst, dass ich nicht ehrlich spiele, lassen wir es lieber bleiben.“
„Meinst du, ich durchschaue dich nicht?“, sagte Dana spitz. „Du legst die Karten weg, weil sie nichts taugen. Wenn du ein besseres Blatt hättest, könnte ich dich nicht so leicht beleidigen. Nimm die Karten wieder in die Hand, und ich spiele aus.“
Ben nahm die Spielkarten wieder auf und meinte finster: „Wenn man außer Betracht lässt, dass wir Geschwister sind, denke ich, dass wir beide kein ideales Ehepaar abgeben würden.“
„Da hast du ausnahmsweise mal absolut recht“, pflichtete Dana ihm bei, spielte schmunzelnd aus, und es ärgerte Ben, dass er nicht stechen konnte.
8
Dr. Katja Arndt hatte ihrem Mann Wasser mit Senf eingeflößt und damit weiteres Erbrechen provoziert. Anschließend hatte sie ihm ein herzkreislaufstärkendes Mittel injiziert, starken schwarzen Kaffee gekocht, ihm Tasse für Tasse zu trinken gegeben und nicht aufgehört, mit ihm im Wohnzimmer im Kreis zu laufen. Sie hatte ganz kurz überlegt, ihn in die Paracelsus-Klinik zu bringen, war davon aber wieder abgekommen. Es hätte kein gutes Bild gemacht, wenn sie da mit Norbert aufgekreuzt wäre.
Der Selbstmordversuch ihres Mannes hätte viele Fragen aufgeworfen, die zu beantworten sie begreiflicherweise nicht die geringste Lust hatte.
Es war besser, wenn niemand davon erfuhr. Sie wusste, was zu tun war. Sie brauchte die Hilfe der Kollegen