Schröders Geist und Mozarts Noten. Jens Oberheide
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Schröders Geist und Mozarts Noten - Jens Oberheide страница 2
Schröder trifft Wieland: Die Sprache des Singspiels
Schröder trifft Schiller: Die Macht der Musik
Schröder trifft Goethe: Künste und Reize
Mozart, Schröder und die Folgen: Was bleibt?
Vorwort
Der Stoff, aus dem man Opern macht, wird aus Musik, Poesie und Prosa, Drama und Komödie gewebt, aber auch der Zeitgeist webt kräftig mit. Im 18. Jahrhundert bestimmte und bezahlte weitgehend der Adel das, was gespielt wurde. Es musste gefällig sein, die italienische Oper dominierte noch mit Stil und Stimme. Die Zensur war allgegenwärtig und allmächtig. Plagiat kannte noch kein Urheberrecht.
Vor diesem Hintergrund hat sich Joseph II. Anfang der 1780er Jahre in Wien »eine teutsche opera« gewünscht. Mozart schrieb sie ihm, und Schröder war thematischer Geburtshelfer. Beider Wege sollten sich noch mehrfach kreuzen, denn zeitgleich – von 1781 bis 1785 – wirkten Mozart und Schröder künstlerisch in Europas Musikhauptstadt. Sie hatten ein vergleichbares soziales Umfeld, trafen auf dieselbe Gesellschaft und brauchten den Applaus (wie das Geld) zum Leben. Beide waren von der Kulturszene, deren »Spielregeln« und Mäzenen abhängig, und sie hatten teilweise dieselben Freunde und Gönner.
F. L. Schröder (1744–1816)
W. A. Mozart (1756–1791)
Friedrich Ludwig Schröder (1744–1816), den man vor allem als Pionier des Theaters und Reformator der Freimaurerei kennt, bewegte sich als geistvoller Wanderer zwischen den Welten der Musik und der Sprache. Er war ein Multitalent als Schauspieler, Schriftsteller, Theaterautor, Opernlibrettist, Komponist und Dramaturg. Er konnte gleichermaßen Sprechtheater und Musiktheater inszenieren. Und er war ein äußerst geschickter »Netzwerker«.
Auf der Spurensuche nach Schröders Rolle bei der Entstehung und Rezeption der Mozart-Opern erschließt sich ein illustres Beziehungsgeflecht zwischen dem (aus heutiger Sicht) bedeutendsten Musiker der Epoche und dem größten Schauspieler seiner Zeit.
Schauspieler, Vignette von Menzel
Die Spurensuche verdichtet sich in den gemeinsamen Wiener Jahren ab 1781, was sich dann auch auf die späteren Jahre auswirkt.
Weil man die Wiener Jahre schwerlich isoliert betrachten kann, habe ich auch einen Blick auf die Vorgeschichte vorangestellt. Wie sind Schröder und Mozart das geworden, was wir von ihnen zu kennen glauben? Die Sicht auf das Menschliche war mir dabei wichtiger, als ohnehin vielfach publizierte Lebensläufe. Mich reizte das Unbekannte in den weitgehend bekannten Biografien.
Unerlässlich erschien mir dabei auch ein Stück Zeitgeschichte mit dem Blick auf die damalige Gesellschaft und die Kulturszene der zweiten Jahrhunderthälfte.
Vor dem Hintergrund des »Jahrhunderts der Aufklärung« möchte ich am Beispiel Mozart/Schröder aufzeigen, unter welchen schwierigen Bedingungen sich Musik- und Sprechtheater im 18. Jahrhundert entwickeln und entfalten konnten, um schließlich voneinander zu lernen.
Bei meiner Recherche ging es mir deswegen weniger darum zu belegen, wann und wo oder wie oft sich Schröder und Mozart getroffen haben, als vielmehr darum, was sie nachhaltig bewirken konnten. Es gehörte ebenso viel Genie (Mozart) wie das Marketing eines Multitalents (Schröder) dazu, um sich zwischen vielfältigen Abhängigkeiten der damaligen Zeit so etwas wie kreative Freiräume zu schaffen und (Nachfolgenden zur Freude) Werke entstehen zu lassen, die aus heutiger Sicht untrennbar zu unserer Kulturgeschichte gehören. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen Mozarts Opern, deren Entstehung und Rezeption.
Jens Oberheide, im Juni 2016
Aufbruch in eine neue Zeit: Absolutismus, Aufklärung, Kultur
»Während Mozart erklingt, sind die Grenzen zwischen Himmel und Erde aufgehoben. Man wandelt mühelos hinüber nach den Gefilden, wo die Engel spielen.«
W. A. Mozart, Gemälde von Barbara Krafft, 1819
»Schröder … der vornehme Acteur, der für mich alle Achtung hat.«
(Wolfgang Amadeus Mozart in einem Brief an seinen Vater)
W. A. Mozart, Gemälde von Barbara Krafft, 1819
F. L. Schröder, Gemälde von Friedrich Carl Gröger, um 1830
Obwohl das 18. Jahrhundert in Europa gern als das »Zeitalter der Aufklärung« apostrophiert wird, war »Aufklärung« zunächst nicht mehr, als die philosophische Idee der Emanzipation vom »sklavischen Dogma zum freien Denken« (Max von Boehn). Die Realität war auf der einen Seite noch immer machtvoll besetzt durch den teilweise absolutistisch agierenden Adel. Die andere Seite der Realität war das einfache Volk in Armut und Abhängigkeit. Eine Mittelschicht definiert man gegliedert und eingeordnet in »Ständen«, oft artikuliert durch »Standesdünkel«.
Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gelang allmählich der Aufbruch in die Moderne und eine halbwegs mündige Mitgestaltung der neuen Zeit durch das Bürgertum.
Die Schlösser und Residenzen der Fürsten signalisierten wie die Dome und Kathedralen der Kirche noch weit in das Jahrhundert hinein unübersehbar die tradierten Verhältnisse. Wenn überhaupt »Kunst« und »Kultur« stattfand, dann unter diesen sichtbaren Vorzeichen. Und wenn nicht bei Hofe oder in der Kirche, dann ausdrücklich im fürstlichen oder klerikalen Auftrag.
Der deutsche Sprachraum trug im 18. Jahrhundert noch die stolze Bezeichnung »Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation«, ohne freilich im klassischen Sinn ein Staat zu sein. Der steile Anspruch aus alten Zeiten war nicht viel mehr, als eine Art Dachverband für einen Flickenteppich aus Hunderten von Stadt- und Kleinstaaten, Fürsten- und sonstigen -tümern, aber auch von einflussreichen Dynastien wie den Habsburgern und den Hohenzollern, konfliktreich »national« verflochten mit (deutsch-)europäischen Großmächten