Schröders Geist und Mozarts Noten. Jens Oberheide
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Komödianten hinter der Bühne, dazwischen auch die Kinder der Schauspieler, Kupferstich von William Hogarth, 1738
1754 gaben Ackermanns (die selbst weiterreisten) den zehnjährigen Schröder in eine Jesuitenschule in Warschau. Dort lernte er lesen, schreiben und: gehorchen. Weil ihm das Letztgenannte schwerfiel, reiste der Knabe Mutter und Stiefvater hinterher und spielte wieder Mädchenrollen und sonst noch »Passendes«.
Die 1756 verordnete schulische Bildung in Königsberg ging unter in den Wirren des Siebenjährigen Krieges. Um den Wirren zu entfliehen, zog die Ackermann-Truppe ohne den zwölfjährigen Schröder weiter durch Europa.
Das im Voraus gezahlte Schulgeld reichte nicht, Schröders schulische Leistung auch nicht. So verließ der Dreizehnjährige die Schule, landete bei einem Flickschuster und geriet an den englischen Seiltänzer Stuart, der in Kopenhagen ein Mädchen aus gutem Hause entführt hatte. Von ihr lernte Schröder Französisch, von Stuart Englisch, Billard, Zauberei, Glücksspiel mit gezinkten Karten, Fechten und Tanzen. Zum ersten Mal las er Shakespeare im Original. Und er näherte sich der Musik, lernte Noten, konnte schließlich Geige spielen, komponieren, arrangieren und singen.
Friedrich Ludwig Schröder
Derart vielseitig ausgestattet, tingelte der junge Schröder über Jahrmärkte und »schlug sich durchs Leben« (auch mal mit unlauteren Mitteln).
Als Fünfzehnjähriger fand er irgendwie zurück zur Ackermann-Truppe, wo er zunächst mit Grotesk-Tanz auftrat. Schröder: »Wenn ich die Füße gebrochen habe und zum Tänzer nicht mehr tauge, will ich mich zum Schauspieler herablassen.« Das tat er dann zwar später auch ohne Fußbruch, brillierte aber viele Jahre lang als Tänzer, Akrobat, Sänger und Komiker.
Im Alter von fünfzehn Jahren hatte Schröder schon eine harte Lebensschule hinter sich. Und er hatte gelernt, sich zu behaupten. Die eigentliche Menschwerdung dauerte noch etwas länger.
Wolfgang Amadeus Mozart: Kindheit auf Tournee
Am 27. Januar 1756, abends um acht Uhr wurde in Salzburg in der Getreidegasse 9 ein Knabe geboren. Sein Vater war der fürstbischöfliche Kammermusikus Leopold Mozart (1719–1787), seine Mutter Anna Maria Mozart, geb. Pertl (1720–1778). Der Knabe war das siebte Kind seiner Eltern, aber erst das zweite, das überlebte. Sie tauften ihn am Vormittag nach seiner Geburt im Dom von Salzburg auf die Namen Joannes Chrysostomus Wolfgangus Theophilus. Sein Rufname war Wolfgang, Wolferl oder auch Woferl. Er selbst nannte sich später meist Wolfgang Amadé Mozart. So signierte er auch. Erst die Nachwelt hat das zu Amadeus latinisiert.
Der junge Mozart entsteigt einer Kutsche, zeitgen. Stich
Schon als Kleinkinder erhielten Mozart und seine fünf Jahre ältere Schwester (»Nannerl«) vom Vater Musikunterricht. Mozart lernte Klavier, Violine und Komposition als er vier war. 1761, da war er fünf Jahre alt, entstanden die ersten Werke des Wunderkindes, vom Vater »Wolfgangerl Compositiones« genannt. 1762 trat der Sechsjährige erstmals öffentlich auf und ging mit Vater und Schwester auf Tournee.
Leopold Mozart präsentierte dem staunend lauschenden Adel (und zahlenden Anderen) seine Wunderkinder. Der junge Wolfgang »führte nicht allein die Konzerte der berühmtesten Meister von Europa mit solcher Kunst aus, dass man darüber erstaunte, sondern er komponierte auch selbst« (aus einem zeitgenössischen Zeitungsbericht). Vater Leopold hatte darüber hinaus nahezu zirzensische »Nummern« einstudiert, in denen der Siebenjährige brillierte: »Man legte ihm Stücke vor ohne Bass, dass er denselben darunter schriebe …
Arien, die man ihm vorsang, accompagnierte er nach Gehör …« Schließlich verdeckte man die Klaviertasten mit einem Tuch, »ohne dass dieses ihn hinderte, mit gleicher Richtung und Geschwindigkeit zu spielen.« (Zeitungsberichte)
Der große Erfolg führte zu einer dreieinhalbjährigen (!) Konzertreise durch die deutschen Lande und Westeuropa. 1764 traf der junge Mozart in London den Sohn des großen Johann Sebastian Bach, Johann Christian Bach (1735–1782), Musiklehrer der englischen Königin (und Freimaurer seit 1762). Bach und der damals achtjährige Mozart musizierten vierhändig (eine sympathische Legende behauptet, sie hätten das vierhändige Klavierspiel »erfunden«).
Mozart musiziert mit Schwester Maria Anna und Vater Leopold, 1764
Mozart hat viel von J. Ch. Bach gelernt, wie auch vom Bach-Vater, den er zeitlebens verehrt hat. »Er ist der Vater; wir sind die Bub‘n. Wer von uns 'was rechts kann, hat es von ihm gelernt.« Trotz des großen Altersunterschiedes blieben Johann Christian Bach und Mozart freundschaftlich und musikalisch viele Jahre miteinander verbunden. »Ich liebe ihn von ganzem Herzen – und habe Hochachtung vor ihm«, schrieb Mozart einmal über J. Ch. Bach.
Als die Mozarts 1766 nach Salzburg zurückkehrten, war Wolfgang Amadé zehn Jahre alt. Da hatte er schon europaweit bei Hofe und auf »Akademien« musiziert und auch in Städten wie Paris, London, Genf, Brüssel, München, Frankfurt und vielen weiteren wahre Triumphe gefeiert.
Mit acht Jahren hatte er seine erste Sinfonie komponiert, mit zwölf die erste Oper und eine Messe, die er selbst dirigierte. Als er dreizehn war, berief man ihn zum Dritten Konzertmeister der Salzburger Hofkapelle.
Ausgedehnte Italienreisen waren strapaziös, aber auch ungemein erfolgreich und dauerten über mehrere Jahre. In Bologna studierte er Kontrapunkt und wurde in die dortige »Accademia Filarmonica« aufgenommen. Papst Clemens XIV. ernannte ihn 1770 zum »Ritter vom Goldenen Sporn«. Da war Mozart sechzehn.
Kleine Randnotiz: Im selben Jahr bestellte die Münchener Loge »Zur Behutsamkeit« beim sechzehnjährigen Mozart einen »Lobgesang auf die feierliche Johannisloge«. Diese Komposition – eine »Auftragsarbeit« gegen Bezahlung – war möglicherweise Mozarts erste Verbindung zu freimaurerischen Inhalten. Er vertonte einen Text des Altenburger Freimaurers Ludwig Lenz »O heiliges Band der Freundschaft treuer Brüder« (KV 148).
Welch eine Kindheit! Er hat sie überwiegend auf Reisen und in Konzertsälen verbracht, viel bewundert und bestaunt, aber auch wie eine Zirkusnummer vorgeführt und als »Wunderkind« vermarktet.
Johann Amadeus Mozart im Alter von 6 Jahren, Ölgemälde, verm. von Pietro Antonio Lorenzoni, 1763
Mozart und Schröder als Teenager: Kinder, Künstler, Karrieren
»So zog dann die Familie Mozart durch die Lande … wie eine Seiltänzerfamilie, ehrbarer zwar und solide, in einer eigenen Moral ihrer Aufgabe verhaftet, dennoch: Fahrendes Volk, angewiesen auf Glück und Gunst, auf Witterung und Gesundheit, abhängig vom Wohlwollen der Großen, deren Privileg es war, Schicksale zu bestimmen oder zumindest zu beeinflussen.«