Ethnobombe. Michael Exner

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Ethnobombe - Michael Exner

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Kampa hatte längst die Leitung des Meetings übernommen. „Beeilen Sie sich, wir treffen uns in fünf Minuten wieder.“

      „Ich besorge inzwischen die neuesten Daten.“ Molina verschwand.

      Es dauerte acht Minuten, dann waren alle wieder da.

      „Admiral Connors, was haben Sie erreicht?“ Kampa verlor keine Zeit.

      „Die ‚Oriskany‘ war etwa 20 Meilen nördlich auf Parallelkurs zur ‚Maaru‘. Sie hat auf Nord gedreht und wird es aufgrund ihrer deutlich höheren Geschwindigkeit schaffen, den Graben zu verlassen. Ebenso die beiden russischen U-Kreuzer, die den Flugzeugträger begleitet haben. Die anderen U-Kreuzer, die bei der ‚Maaru‘ waren, sind wie diese zu weit weg vom Grabenrand und werden bei dem Kreuzfahrtschiff bleiben. Wir haben nur drei Hubschrauber, die auf dem Kreuzfahrtschiff landen können. Sie sind bereits unterwegs. Leider werden sie nur einen Evakuierungsflug schaffen, da sich die Schiffe auseinanderbewegen. Jeder Hubschrauber kann maximal zehn Leute aufnehmen. Machen Sie eine Liste. In zwanzig Minuten landen wir bei Ihnen.“

      Molina staunte: Ein Kreuzfahrtschiff, das von einem Flugzeugträger und U-Booten bewacht wird? „Darf ich fragen, was…“

      „Nein.“ kam kategorisch von Kampa. Dieser Geologe musste wirklich von einer anderen Welt sein. Monatelang waren die Medien voller Meldungen gewesen von dem Schiff, auf dem Dutzende von hochrangigen Wissenschaftlern an der Bekämpfung der schlimmsten Seuche seit Menschengedenken arbeiteten und dieser Kerl kam aus dem Mustopf.

      „Ich habe inzwischen nachgefragt, ob uns jemand helfen kann, wenigstens noch ein paar Leute von der ‚Maaru‘ auszufliegen. Keine Chance. Die Einzigen, die nahe genug wären, sind die Katastrophenschützer auf den Jungferninseln. Die haben aber alle Hände voll zu tun, die Bevölkerung der Küstenregion zu retten, die von dem Tsunami betroffen sein wird.

      Herr Molina, jetzt bitte Ihre Erklärung dessen, was sich da im Puerto-Rico-Graben abspielt. Und bitte in allgemein verständlichen Begriffen.“

      „Ja gut, das Seebeben, das sich vor etwa 40 Minuten ereignete, war zunächst einmal kein massives kurzes Beben, sondern eher eine Folge von mehreren kleinen und mittleren Beben, ein so genanntes Schwarmbeben. Das Epizentrum lag nicht sehr tief, sondern nur knapp unter dem Meeresboden auf Höhe der Virgin Islands, was an sich schon ungewöhnlich ist. Wir sind noch dabei, es zu analysieren.“

      „Gut, wenn Sie etwas herausbekommen haben, lassen Sie es uns wissen. Jetzt bitte nur die bekannten Fakten.“ Kampa bremste Molina aus, bevor er sich in Spekulationen erging. „Das Beben, das mehrere Minuten dauerte, löste einen sogenannten Storegga-Effekt aus. Das ist eine massive Hangrutschung an beiden Hängen, also nördlich und südlich des Grabenbodens. Die beiden Schlammlawinen vereinten sich in der Mitte des Grabens. An beiden Seiten des Grabens wurden einige Hundert Quadratkilometer eines Sediment-Methanhydrat-Gemisches freigelegt, aber auch Millionen Kubikmeter dieses Gemisches mitgerissen. Das Methaneis, wie man es auch nennt, ist dadurch aus seinem einigermaßen stabilen Zustand gebracht worden und fast explosionsartig in seine Bestandteile zerfallen, Methan und Wasser. Das hatte einen gewaltigen BlowOut zur Folge. Weiterhin haben sich die beiden vereinigten Schlammlawinen am abschüssigen Grund des Grabens in Richtung Puerto-Rico-Graben in Bewegung gesetzt. Auf seinem Weg wird die Lawine große Teile des Grabenbodens und seiner Böschung mitnehmen. Auf Grund der starken Abschüssigkeit wird die Lawine an Geschwindigkeit und Mächtigkeit ständig zunehmen und mit einer kaum vorstellbaren Gewalt in den Puerto-Rico-Graben einbrechen. Soweit die schlechten Nachrichten.“

      Christiano Molina brachte eine Reliefkarte zum Vorschein. „Hier sehen Sie die beiden Gräben, um die es geht. Ich habe die Karte um knapp 900 gedreht, damit man besser sehen kann, was dort geschehen wird.

      Östlich der Virgin Islands ist der kleinere Graben nur etwa 3000 Meter tief, fällt dann aber bis zum Puerto-Rico-Graben auf etwa 6500 Meter ab. Auf diesem Weg wird die Schlammlawine ständig an Energie, Größe und Geschwindigkeit gewinnen. Wenn sie den Puerto-Rico-Graben erreicht hat und sich dann in östlicher Richtung bewegt, ist der Grabenboden nicht mehr abschüssig, sondern verliert sogar leicht an Tiefe. Deshalb meine Empfehlung, sich so schnell wie möglich in Richtung Osten zu bewegen, weil die Lawine hier mit der Zeit langsamer wird und an Masse verliert, weil die schwereren Bestandteile zurückbleiben bzw. liegenbleiben.

      Noch ein Wort dazu, warum Sie über dem Grabenboden bleiben sollten. Die größte Gefahr geht von dem permanenten BlowOut aus, den die Schlammlawine auslöst. Am stärksten ist dieser über den Hängen des Grabens, weil hier das meiste Eis lagert. Am Boden entsteht das Methangas in erster Linie durch mitgerissenes Material, das einen großen Teil seiner Methanhydrat-Fracht schon verloren hat. Deshalb sind hier die Chancen am größten, dem Untergang zu entgehen.“

      Molina war fertig. Niemand sagte etwas. Alle waren wie betäubt. Sara fing sich als erste.

      „Wir müssen die Liste erstellen.“

      „Dreißig Leute von zweihundertachtzig.“ Mauters war entsetzt.

      Es stellte sich heraus, dass niemand evakuiert werden wollte. Da Sibo schüttelte den Kopf. „Verstehst du das, Sara?“

      „Ich glaube schon. Willst du gerettet werden, wenn vielleicht alle Zurückgebliebenen sterben? Das schleppst du den Rest deines Lebens mit dir herum.“

      Kapitän Solejow ließ sich auf keine langen Diskussionen ein. Er legte fest, dass die dreißig Jüngsten an Bord auf die ‚Oriskany‘ ausgeflogen werden. Wer protestierte, wurde einfach in die Hubschrauber gestopft. Solejow entwickelte dabei eine Zielstrebigkeit, die niemand dem laschen Kapitän zugetraut hätte.

      Als der letzte Hubschrauber abflog, tauchten nach und nach sieben Kanew- Kreuzer auf.

      So etwas hatte noch keiner von ihnen gesehen. Jeder kannte U-Boote zumindest von Bildern, immer zigarrenförmig mit dem Turm obendrauf. Was hier zu sehen war, hatte damit nichts mehr zu tun. Sechzig Meter lang, flach und im vorderen Drittel fast 30 Meter breit, eher an Flundern oder Rochen erinnernd, lagen sie träge in der Sonne. Auf Höhe der größten Breite sind zwei flache Buckel, nur etwa drei Meter hoch. Das ist wahrscheinlich die Entsprechung der Türme an klassischen U-Booten. Das verstärkte noch den Eindruck, man hätte es hier mit riesigen Tieren zu tun. Es war keine Farbe zu erkennen. Je nachdem, wie das Licht einfiel, schimmerten sie in blauen, grünen oder dunkelroten Tönen.

      „Wahrscheinlich irgendeine Beschichtung gegen Sonarortung.“ vermutete Sara.

      „Wenn die nicht gewesen wären… Jetzt gehen sie vielleicht mit uns unter. Warum sind sie aufgetaucht?“

      „Ich nehme an, sie können das Inferno, was uns erwartet, an der Oberfläche besser überstehen.“

      „Oder die Besatzung kann wenigstens aussteigen, wenn sie havariert sind.“

      Da Sibo schüttelte den Kopf. „Aussteigen mitten in einem BlowOut?“

      Von Achtern näherte sich ein Geräusch. Eine Mischung aus Rauschen und Zischen, dazwischen dumpfe Explosionen. Eine gewaltige Nebelwand verdeckte den Horizont und schien bis in den Himmel zu reichen. Dünne, verästelte Blitze zuckten in der Wand, Ergebnis der elektrostatischen Aufladung durch die enorme Geschwindigkeit, mit der das Methangas-Wasser-Gemisch in die Atmosphäre gerissen wurde. Ab und zu gab es über dem Wasser Feuerbälle, wenn ein paar Kubikmeter Gas entzündet wurden.

      Sara und Alva gingen mit den Letzten unter Deck.

      Dann sackte das Heck der ‚Maaru‘ einfach weg.

      

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