Herrenfahrrad "Partizan". Dragan Aleksić

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Herrenfahrrad

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und schaute Mama beim Schlafen zu. Viel Arbeit, vier Kinder, unterschiedliche Typen vor und nach Papa, viel Bier und auch etwas Härteres – all das hatte dafür gesorgt, dass Mama gealtert war. Schlafend, mit offenem Mund, ohne ihre Zahnprothese, ohne Schminke schaute sie zehn Jahre älter aus als sie tatsächlich war. Leider habe ich ihre schönen blauen Augen nicht geerbt. Die Halbschwester und die beiden Halbbrüder ebenfalls nicht.

      Ich ging zum Kühlschrank. Eine Bierdose legte ich in die Tasche, die andere machte ich auf und kehrte zum Sessel Mama gegenüber zurück. Aus dem Fernseher ertönte Musik aus den Sechzigern, zehn CDs für Hundertzwanzig Dollar, gratis Zustellung. Von jedem Lied waren einige Takte zu hören. Zehn Minuten später ging ich wieder in die Küche; eine Bierdose machte ich auf, die andere legte ich in meine Tasche, damit ich später noch etwas hätte bei mir daheim. Wieder betrachtete ich Mama, sie hatte besseres Haar als ich. Ich dachte: „Nächstes Jahr um diese Zeit wirst du tot sein, Mama.“

      Nachdem ich das Bier getrunken hatte, stellte ich beide Dosen auf den Beistelltisch neben die anderen drei. Lautlos öffnete ich die Haustür, ging auf den Flur hinaus, und als ich die Tür zumachte, glaubte ich, von innen zu hören: „Ich weiß ... du hellseherische Schlampe.“

      Ich kehrte nicht ins Haus zurück. Ich stieg ins Auto, machte den Motor an und fuhr langsam los. Nach dem zweiten oder dritten Haus hörte ich im linken Ohr Mamas Flüstern: „Die Mutter deines Vaters, die Ärmste, hieß Elethia. Dein Vater mochte keine Namen. Er erwähnte nie die Namen seiner Eltern, Geschwister oder Arbeitskollegen ... den Namen seiner Mutter sprach er ein einziges Mal aus, zu Beginn unserer Beziehung, nachdem wir auf dem Rücksitz seines alten Buick LeSabre Sex gehabt hatten, während wir rauchten, nachdem du in meinem Inneren gezeugt wurdest.“

      Die Frauen von Dubrovnik

      Sie sagte, sie wäre sechzig Jahre alt. Eine schöne Frau.

      Mit neunzehn hatte sie einen Marinekapitän geheiratet. Sie hatte zwei Kinder zur Welt gebracht. Einige Jahre später wurde ihr Mann in Chile getötet. Dort wurde er auch begraben. Jedes Mal, bevor in See stach, sagte er zu ihr: „Wenn irgendwas passiert, dann ist besser, wenn ich dortbleibe. Man soll mich nicht hierher zurückbringen.“ Diesen Wunsch erfüllte sie ihm.

      Sie zog die Kinder alleine groß. Sie arbeitete in einer Bibliothek.

      Der Sohn ging nach Zagreb zum Studieren. Zwei Jahre später entschloss sich die Tochter, es ihm gleich zu tun. Bevor sie wegzog, sagte sie zu ihrer Mutter: „Du hast dich um uns gekümmert, kümmere dich jetzt ein wenig um dich selbst. Gib mir deinen Ehering. Ich werde ihn an einer Kette um den Hals tragen. Und du such dir einen anderen Ehering. Der Goldschmied Vido stellt noch immer Eheringe her, er ist noch immer ein gutaussehender Mann, er ist noch immer alleinstehend, er liebt dich noch immer genauso wie damals, als du die Wahl zwischen Papa und ihm hattest und dich für Papa entschieden hast. Du bist vierzig Jahre alt. Das ist nicht viel und nicht wenig, aber völlig ausreichend, um einen neuen Weg einzuschlagen.“

      Es regnete stark. Sie nahm ihren Regenschirm mit und ging heiter und entschlossenen Schrittes die Hauptstraße Stradun hinunter. Gerade, als sie beim Goldschmied „Vido“ ankam, hörte es auf zu regnen. Sie klappte ihren Regenschirm zusammen und betrat den Laden. Der Besitzer freute sich über ihren Besuch. Er schaute sie erstaunt an.

      Die Frau legte ihre Hände auf den Glastisch und streckte ihre Finger aus. Sie sagte: „Den alten Ehering gibt es nicht mehr. Ich brauche eine neuen. Mach mir einen.“

      „Was für einen möchtest du?“, fragte Vido.

      „Du bist doch der Goldschmied. Mach mir einen Ehering, den du an mir gerne sehen möchtest.“

      „Eheringe stellt man paarweise her. Für wen soll ich den zweiten machen?“

      „Für dich selbst.“

      Ein Jahr später bekamen sie eine Tochter.

      Die neunzehnjährige Tochter machte einen Abstecher zur Bibliothek, um ihre Mutter zu besuchen. Ich war zufällig dort, nachdem ich einen ruhigen Nachmittagsspaziergang durch die leeren Straßen Dubrovniks unternommen hatte. Nachdem die Tochter gegangen war, sagte ich zu der Frau: „Haben die jungen Männer Glück mit ihr oder nicht?“

      Die Frau lächelte. Ich fuhr fort: „Sie ist eine wunderschöne junge Frau. Manchmal bringt Schönheit kein Glück.“

      „Ja“, sagte die Frau und dachte kurz nach, „Sie sind nicht von hier?“

      „Nein. Ich bin weit weg von zu Hause ... Sie sind ebenfalls eine wunderschöne Frau, Ihre Tochter hat das von Ihnen.“

      „Setzen Sie sich.“

      Ich setzte mich, trank den Kaffee, den sie mir brachte, und hörte mir ihre Geschichte an. Bevor ich wegging, sagte ich, dass ich gerne im Geschäft ihres Mannes einen Ring für meine Frau kaufen würde. Vielleicht einen, der ihrem Ring ähnlich war. Etwas derart Schönes hatte ich noch nie gesehen. Sie lächelte und sagte, ich sollte unbedingt den Laden ihres Ehemannes besuchen.

      Am nächsten Vormittag kaufte ich beim Goldschmied „Vido“ einen sehr schönen Ring für meine Frau. Ich lud ihn auf einen Kaffee in der Gegend ein. Er freute sich über die Einladung. Wir tranken einen Kaffee und dann noch einen Schnaps. Wir unterhielten uns gut. Er wollte bezahlen, aber das ließ ich nicht zu. Während ich seine Hand festhielt, um ihn daran zu hindern, das Geld aus der bereit gehaltenen Geldtasche zu nehmen, sagte ich zu ihm: „Erlauben Sie mir, Sie einzuladen. Ich habe einen wunderbaren Ring für meine Frau gekauft. Sie sind ein Künstler.“

      Vido ließ sich umstimmen, aber beim Abschied schlug er vor, dass wir uns später in einem Restaurant treffen sollten, wo er gerne mit seiner Frau hinging, und dort einen guten Wein trinken sollten. Diesmal würde er mich einladen. Ich kannte das Restaurant. Auf dem Weg zum Hotel „Argentina“, wo ich einige Tage zuvor abgestiegen war, kam ich immer dort vorbei. Ich nahm seine Einladung an.

      Am Abend im Restaurant unterhielt ich mich sehr angeregt mit dem Goldschmied und seiner Frau, bei einem guten Wein. Später stieß die wunderschöne Tochter zu uns. Ich sagte: „Ihre Tochter ist so schön wie der Ring, den ich heute Morgen für meine Frau gekauft habe.“

      „Darauf trinken wir noch ein wenig Wein“, sagte der stolze Vido erheitert.

      Am nächsten Tag klopfte jemand an die Tür meines Hotelzimmers. Ich machte auf und erblickte die schöne Tochter. Erstaunt stellte ich fest, dass nur eine einzige junge Frau so schön gewesen war, nämlich diejenige, die ich eines Nachts vor der Kirche kurz vor der Weihnachtsmesse, vor vielen Jahren, gefragt hatte, ob sie mich heiraten würde, und sie hatte „Ja“ geantwortet.

      „Ich habe drei Vorschläge“, sagte die schöne junge Frau. „Erstens, wir können baden gehen. Zweitens, wir können auf der Terrasse einen Kaffee trinken. Drittens, wir können hier Liebe machen, in deinem Zimmer.“

      „Das dritte kannst du gleich vergessen“, sagte ich lächelnd. Ich näherte mich der jungen Frau und küsste sie auf die Stirn. „Gehen wir auf die Terrasse, trinken einen Kaffee und schauen wir hinaus aufs Meer.“

      Volksdeutsches Herz

      Anfang November des Jahres neunzehnhundertvierundvierzig waren in der Stadt mehrere unregelmäßige Gewehrsalven zu hören, vom Fluss Nera her. Das sind die Partisanen, hieß es, die Maisfresser, so wurden sie von der lokalen Bevölkerung genannt, weil sie nie kämpften, sondern sich in den Maisfeldern und Wäldchen in der Umgebung versteckten, und außerdem waren

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