Gesicht des Wahnsinns. Блейк Пирс
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Dr. Applewhite ergriff das Wort und vervollständigte den Satz für sie. „Angst?“
Zoe neigte den Kopf. „Ein bisschen.“
„Und was ist mit den Zahlen?“, fragte Dr. Applewhite und traf direkt den Kern der Sache, so, wie sie es immer tat. „Weiß er es schon?“
„Nein“, seufzte Zoe. Die Zahl der Menschen, die von ihrem Geheimnis wussten, ihrer Fähigkeit, überall Zahlen zu sehen, konnte sie an einer Hand abzählen. Shelley, Dr. Monk, Dr. Applewhite und ihr Hausarzt. Diejenigen, die es wissen mussten und diejenigen, die es selbst herausgefunden hatten.
„Glaubst du, du kannst es ihm sagen?“, fragte Dr. Applewhite sanft.
Zoe drehte ihre Hände und betrachtete die Linien auf ihren Handflächen. Einige Leute, so wusste sie, glaubten, dass man dort in den Linien und Winkeln das Schicksal ablesen könne. Es war die Art von Denken, der sie vielleicht verfallen wäre, wenn sie denn nunr irgendetwas daran glauben könnte. „Vielleicht“, sagte sie und zeichnete die Linie nach, von der man dachte, sie hätte etwas mit Liebe zu tun. „Das hängt von heute Abend ab.“
Dr. Applewhite stand abrupt auf und begann, aufzuräumen. Sie beschäftigte sich mit dem Badezimmerschrank, um ihr Gesicht vor Zoe zu verbergen. „Ich hoffe, es geht gut“, sagte sie, ihre Stimme klang seltsam nervös. „Das hoffe ich wirklich.“
„Danke“, sagte Zoe. „Ich meine, für alles.“
Zu ihrer Überraschung drehte sich Dr. Applewhite rasch um und zog sie in eine Umarmung. Sie umklammerte Zoe leicht und drückte ihre Schultern. Als sie Zoe losließ, wischte sich Dr. Applewhite über die Augen und stieß Zoe mit einem sanften Schubser in Richtung Tür. „Ich weiß nicht, warum du deine Zeit bei einer alten Frau wie mir vergeudest“, sagte sie. „Du hast eine wichtige Verabredung, zu der du gehen musst. Jetzt geh schon. Geh und amüsiere dich.“
Innerlich fragte sich Zoe, ob es wohl doch noch Spaß machen würde. Es hing viel vom Ergebnis ihres Gesprächs mit John ab und es war auch eine Chance, einen besseren Eindruck auf Shelleys Mann zu machen, als bei ihrem letzten Treffen.
Als sie auf die Straße trat und auf ihr Auto zusteuerte, spürte Zoe, wie der Druck auf ihren Schultern lastete. Dazu kam noch ihre Nervosität. Sie dachte fast, sie könnte direkt nach Hause fahren.
Aber als sie auf dem Fahrersitz saß, entspannte sie ihre Schultern noch einmal und sah nach vorne. Sie wollte es unbedingt schaffen, selbst wenn es sie umbringen würde.
Es war einfach zu wichtig, um jetzt einen Rückzieher zu machen.
KAPITEL ZWEI
Lorna hielt ihre Hand über ihre Augen, um einen Schatten zu erzeugen, damit sie die späte Augustsonne nicht zu sehr blendete, und betrachtete die Aussicht vom Bergrücken. Am Horizont erhoben sich Windturbinen, in ihrer weißen Farbe schienen sie über den grünen Feldern, Sträuchern, versunkenen Tälern und Gewässern zu schweben. Bald würde das ganze Grün anfangen, orange oder braun zu werden, aber im Augenblick war es immer noch frisch und voller Leben. Eine Palette von Grün-, Blau- und Weiß-Tönen. Perfekt für eine Tageswanderung.
Lorna drehte sich um und blickte zurück auf den Weg, den sie hierher genommen hatte, und auf die Gebäude der Stadt hinter ihr. Sie war noch nahe genug, um einige von ihnen erkennen zu können: eine Kirche, ein Gemeindezentrum, die Bibliothek neben einem offenen Landstreifen, der Teil eines der Parks war. Es war ihr Zuhause. Sie hatte ihr ganzes Leben lang in dieser kleinen Stadt in Nebraska gelebt. Aufgrund der vielen Wanderwege in der Umgebung – und weil es hier alle Annehmlichkeiten gab, die man sich wünschen konnte – hatte sie nie daran gedacht, woanders hinzuziehen.
Sie richtete ihre Augen wieder auf den vor ihr liegenden Pfad und begann, weiterzulaufen. In ihrem Kopf plante sie ihre Route für den Rest des Tages: diesen Bergrücken wieder hinunter und über den nächsten hinweg, vorbei am Fuß der ersten Turbine – der komischerweise immer größer war, als sie erwartete – und weiter. Sie plante, an einer ihrer Lieblingsstellen Rast zu machen: einem See, der, wenn man die Augen ein wenig zusammenkniff, fast wie ein Herz geformt war. Dort würde sie sich eine Weile ausruhen, dann wieder zurück in Richtung Stadt und zu ihrem Auto abbiegen und schließlich rechtzeitig zum Abendessen wieder auf dem Heimweg sein.
Sie fragte sich, ob sie auf der Fahrt nach Hause beim Supermarkt anhalten und sich ein Fertiggericht besorgen sollte, um nicht kochen zu müssen. Das war eine gute Idee. Eine Belohnung für die Mühen des Tages.
Beschwingten Schrittes ging sie ihren geliebten Wanderweg entlang und trat damit in die unsichtbaren Fußstapfen so vieler anderer – darunter auch sie selbst, denn sie war schon hunderte Male hier gewesen –, die vor ihr hier entlang gegangen waren und ihr den Weg wiesen. Sie hatte das Glück, in der Nähe einiger Wanderwege zu leben, die ihr viel Schönheit und Abwechslung boten. Sie musste dafür nicht in die Walachei hinausfahren, wie es Menschen machen mussten, die anderswo lebten. Ihr sicheres Zuhause war nie weit entfernt.
Lorna atmete tief die frische Luft ein, als sie einen weiteren Bergrücken erklommen hatte. Sie drückte ihre Schultern durch und nahm die Hitze der Sonne darauf wahr. Unter ihrer Baseballkappe, die ihrem Kopf und ihrem Gesicht Schatten spendete, konnte sie diese Hitze allerdings genießen. Denn sie spürte eine leichte Brise, angenehm kühl auf ihren nackten Armen, die sie vor Beginn ihrer Wanderung gut mit Sonnencreme eingecremt hatte. Es war ein fast perfekter Tag. Vor ihrem geistigen Auge skizzierte sie den Ausblick, ein auf allen Seiten vertrauter Anblick, den sie mittlerweile aus der Erinnerung zeichnen konnte.
Sie sah nach unten und stolperte beinahe, fing sich aber gerade noch rechtzeitig. Sie wäre beinahe gegen einen anderen Wanderer gerempelt, der auf dem steinigen Weg direkt unterhalb des Bergrückens saß. Der Mann verarztete gerade seinen Knöchel und hielt dabei einen abgenutzten Wanderschuh in der Hand.
„Oh!“, rief sie und fand wieder Halt auf ihren Füßen. „Oh Gott, ich habe Sie gar nicht gesehen. Entschuldigen Sie bitte, ich wäre fast über Sie gefallen!“
Er lachte kurz und neigte den Kopf nach hinten, um sie unter dem Schirm seiner eigenen Mütze besser sehen zu können. „Oh, nein, tut mir leid – das ist meine Schuld. Ich hätte mich nicht in den toten Winkel setzen dürfen.“
„Alles in Ordnung bei Ihnen?“, fragte Lorna. Jetzt, wo er den Kopf zurückgelegt hatte, konnte sie sehen, dass er ziemlich attraktiv war. Sein Look war klassisch – er hatte eine ausgeprägte Nase, definierte Wangenknochen und einen männlichen Kiefer. Auch er war jung, wahrscheinlich Anfang dreißig. Ihr Herz flatterte ein wenig in ihrer Brust. Fast ganz unbewusst richtete sie sich gerade auf, drückte ihre Brust raus und wünschte sich innerlich, sie hätte sich stärker geschminkt.
„Oh, ja“, sagte er und machte eine beschwichtigende Handbewegung, als er wieder auf seinen Knöchel hinunterblickte. „Wirklich dumm. Nur eine kleine Verstauchung, glaube ich.“
„Was ist denn passiert?“, fragte Lorna. Sie hatte mit den Händen die Trägers ihres Rucksacks festgehalten, ließ sie nun aber los, woraufhin ihre Hände seitlich an ihrem Körper herunterfielen.
Er zeigte auf einen Stein, nicht weit vom Gipfel des Bergrückens entfernt. „Ich bin auf dem Weg nach unten umgeknickt, als ich an dem Stein da hängengeblieben bin. Ich habe mehr auf die Aussicht geachtet, als auf den Weg. Ein Anfängerfehler, richtig?“
Lorna lächelte.