Wertschätzende Organisationsentwicklung. David Schneider
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Fällt dir ein praktisches Beispiel aus deiner Arbeitswelt ein, das den Gedanken visualisieren kann?
TE: Da ging es mal um ein Drehgelenk mit einer pneumatisch betriebenen Rasteinheit zum Feststellen. Da waren die Ausfall- und Rücklaufquoten sehr hoch. Das ist für einen Fertigungsleiter eine Vollkatastrophe. Das Problem lag in der Dichtungsmembran. Ein junger Mitarbeiter bekam die Aufgabe mit dem Hinweis: Die Membran muss nicht dicht sein, um seine Funktion zu erfüllen. Dann hat er schließlich eine sehr clevere Idee gehabt: eine variable Membran zu nutzen. Die Aussage „nicht dicht“ war genau der Freiheitsgrad, den die Lösung brauchte: Dieses Wegnehmen der Zwangsbedingung „dicht“ hat den Lösungsraum verändert. Da ist die Aufgabe einer Führungskraft oder eines Beraters, zu hinterfragen: Ist es genau dieses Thema oder diese Anforderung oder kann man mit einer leicht anderen Beschreibungs- oder Sichtweise neue Lösungsräume eröffnen?
Worauf bist du in Bezug auf deine Arbeit besonders stolz?
TE: Dass wir es geschafft haben, an vielen Stellen in diversen Konstellationen mit Kollegen ein sehr vertrauensvolles Team aufzubauen, in dem man miteinander arbeitet und dann, egal wie groß die Fragestellung ist, eine vergleichsweise einfache Lösung findet. Einfache Lösungen sind ja die komplizierten. Stolz machen die Dinge, die uns einen richtigen Schritt vorwärtsbringen oder, wenn mal eine Lösung erfolgreich komplett anders angegangen wird. Es ist spannend, wenn man neue Dinge ausprobiert. Und wenn das dann auch noch aufgeht, das macht Spaß und gibt dem Team zusätzliche Motivation. Das ist dann der Wert der Arbeit. Dann wollen alle dabei gewesen sein.
Was möchtest du aus der Zeit der Corona-Krise gerne mit in die Zukunft nehmen?
TE: Ich glaube, da steckt jetzt eine große Chance drin, dem Homeoffice einen tatsächlichen Sinn und auch ein paar Regeln zu geben. Es braucht die Regeln, damit die Leute trotz des räumlichen Abstands produktiv zusammenarbeiten. Es muss zum Beispiel einen Tag geben, an dem alle im Büro sind. Eine zweite Regel kann sein: Du schaust jeden Tag vor neun Uhr in deine E-Mails. Corona war zumindest mal der Start-Impuls, dass wir anfangen, ernsthaft darüber nachzudenken. Ich sehe eine Riesenchance da drin, dass wir unsere persönlichen Freiheiten erkennen können und leben sollten, um letzten Endes mit dieser gelebten Freiheit auch bessere Lösungen im Arbeiten zu schaffen und dabei sogar effizienter zu sein. Mein größter Wunsch ist, dass wir anders miteinander arbeiten. Wir müssen nicht härter arbeiten, sondern schlauer. Und ich glaube, dass Corona uns dazu bringt, die Augen dafür zu öffnen, wie es anders geht. Es wird ein anderes Wertemodell der Führungskräfte brauchen. Sinnhaftigkeit und Bedeutung der Arbeitsinhalte werden zentrale Aspekte moderner Führungskultur. Wir können so zu einem anderen Verständnis von Freiheit, Flexibilität und Eigenverantwortung kommen − für Mitarbeiter und Führungskräfte. Die Frage am Ende eines Arbeitstages sollte immer lauten: Bin ich mit dem, was ich heute geleistet und gelernt habe, zufrieden? Das ist vielleicht sogar mehr wert, als zu sagen: Ich habe meine sieben Stunden oder acht Stunden abgearbeitet. Eine dringende Aufgabe wird zudem sein, die Arbeit so zu verändern, dass eine authentische und keine künstliche Nähe entsteht: echte Empathie, die über Wertschätzung und gelebte Augenhöhe vermittelt wird. Bereichernd ist eine offene Interaktion auch mit Spontanität.
Danke, Thomas!
Lernende Organisation
Wozu?
Wir müssen unaufhörlich lernen, um in Zeiten von VUKA (Volatilität, Unsicherheit, Komplexität, Ambiguität) überlebensfähig zu bleiben. Mittlerweile wird in der Wirtschaft die permanente Anpassungsfähigkeit von Organisationen und Unternehmen an ein verändertes Umfeld zu einem Überlebensprinzip. Der Wandel „wandelt“ sich zum Normalfall und er durchdringt zunehmend alle Bereiche und Menschen in Organisationen. Ein Grund dafür ist der fast uneingeschränkte Zugang zu Wissen und immer schnellere Erkenntnisgewinne, welche Wissensbestände beschleunigt altern lassen. Die Digitalisierung wirkt als starker Treiber für die Veränderung hin zu permanent wandlungsfähigen Organisationen. Lernen wir lebenslang, steigern wir unsere Resilienz in unsicheren Zeiten. Uns gelingt es besser, den Umgang mit neuen Gegebenheiten zu verinnerlichen − eine Kernkompetenz für VUKA.
Wirtschaftlich sticht aber noch ein weiterer wesentlicher Vorteil des Lernens hervor. Organisationen, deren Personal sich permanent weiterentwickelt, erreichen eine höhere Qualität ihrer Leistung, wodurch ein klarer Wettbewerbsvorteil entsteht. Zudem macht Lernen die Menschen glücklicher und kann als Chance zur Mitarbeitermotivation gesehen werden. Wenn wir die Menschen bei ihrer Weiterentwicklung unterstützen, schaffen wir Win-win-Situationen.
Wesentliche Bausteine
Peter M. Senge legte in den 1990ern den Grundstein für den Begriff Lernende Organisation. Die Lernende Organisation beschreibt ein System, das permanent in Bewegung ist. Die Menschen entwickeln sich fortlaufend weiter, Wissen wird kontinuierlich aufgebaut. Reflexion ist ein Kernelement dieses Prozesses. Senge (1990) beschreibt fünf Disziplinen, um zu lernen:
1 Individuelles Wachstum beschreibt die persönliche Reife eines jeden Menschen in der Organisation. Selbstbestimmtes und intrinsisch motiviertes Arbeiten sind Kern dieser Mastery. Die persönliche Reife ist nur erreichbar, wenn die Organisationskultur ebenfalls dementsprechend reif ist. Eine weiterentwickelte Haltung wird verlangt.
2 Mentale Modelle verinnerlichen das konstruktivistische Denken. Auch hier zeigt sich die Anforderung an eine weit entwickelte Haltung innerhalb der Organisation, um zu erkennen, dass neben dem eigenen Blick auf die Welt auch andere Sichtweisen vorhanden sind. Selbstreflexion als Kernkompetenz für das Hinterfragen der eigenen mentalen Modelle.
3 Eine gemeinsame Vision, welche zu den unterschiedlichen persönlichen Wünschen der Menschen der Organisation passt, motiviert zum Arbeiten im Kollektiv.
4 Lernen im Team bedeutet, das Wissen gemeinsam zu erarbeiten und weiterzugeben.
5 Denken in Systemen ist ganzheitliches Denken. Jede Disziplin betrachten wir im Gesamtkontext. Vor allem das Systemdenken verdeutlicht die hohe Komplexität dieser Theorie.
Alle Disziplinen stehen in Wechselwirkung zueinander und können nicht isoliert betrachtet werden. Dementsprechend ist ein stabiler Zustand, wie in der klassischen Organisationslehre verlangt, nicht erreichbar. Die Organisation ist immer in Bewegung und Veränderung ist gegenwärtig. Die fünf Disziplinen sind Leitlinien für den Weg zu etwas Großem und Wünschenswertem. Die Entwicklung zu einer lernenden Organisation kann demzufolge nur als langfristiger, nie endender Prozess gesehen werden.
Unter Einbeziehung von Senges Disziplinen sind die folgenden Eigenschaften und Handlungsempfehlungen für den Weg zu einer lernenden Organisation entstanden (vgl. Roper und Pettit, 2002): (1) Integrieren von (analogen oder digitalen) Lernumgebungen, in denen es Menschen ermöglicht wird, entsprechend ihrer Interessen und Potenziale Wissen aufzubauen und sich zu entfalten. (2) Stärken der Kommunikation zwischen den Menschen,