Deutsche Geschichten. Группа авторов

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dem Schlafengehen Kinder in ihren Hemden, kleine weiße Gespenster, und singen mit dünnen, glashellen Stimmen ein Siegeslied. Alte Frauen sitzen auf den Bänken, die Hände müßig im Schoße, und blicken mit dem geduldig wartenden Blick des Alters in die Dämmerung. Am Brunnen aber stehen große blonde Mädchen, sie lassen die Hände einen Augenblick auf dem Rande des Eimers ruhen und starren mit groß werdenden Augen vor sich hin, als horchten sie hinaus in die Ferne, auf etwas Großes und Furchtbares.

      Die Nacht sinkt nieder, die Dorfstraße wird still, die Haustüren fallen in das Schloß, durch die kleinen Fensterscheiben blinzeln friedliche Lichter in die Finsternis, schläfrig singt der Brunnen, und hie und da in einem dunkeln Gärtchen zwischen den taufeuchten Sonnenblumen und Nachtviolen steht einsam eine Frau und weint. In Tausenden der Männer, die begeistert an die Grenze des Reiches beim Feinde entgegeneilen, verdichtet sich der weite Begriff des Vaterlandes, für das sie kämpfen, zu dem Bilde solch eines stillen Dorfes; denn das große Gefühl Vaterlandsliebe erwächst aus der Liebe zu der Scholle, dem Heimatsdorf und dem Heimatshause. Und für die Sicherheit des großen Vaterlandes steht als Symbol die Geborgenheit des kleinen Stückes Erde, auf dem das lebt, was dem Herzen dieser Männer am nächsten steht. Die Enge dieses Gefühls gibt der Liebe zu der deutlichen Allgemeinheit seine Wärme und Intensität. Aber jene Dörfer, die friedlich inmitten ihrer wogenden Kornfelder liegen mit der stetigen und fleißigen Alltäglichkeit ihres Lebens, sie sind die Grundlage des stolzen Baues des Reiches mit seiner Macht, seinem Reichtum, seiner Kultur.

      Unser modernes Leben hat sich in hohem Grade kompliziert, mit seinen Gegensätzen und Spannungen. Wir schweigen in Widersprüchen und berauschen uns an Zweifeln. Überallhin bohren die Gedanken sich hinein und nehmen den Gefühlen ihre Ganzheit und Unmittelbarkeit. Jetzt aber, da ein großes Schicksal wie ein Sturmwind über das deutsche Vaterland hinbraust, jetzt verlieren viele der Gedanken und Einfälle, der Gefühle und Gefühlchen ihren Glanz. Vieles, das groß schien, schrumpft zusammen, und was bedeutungsvoll war, wird unwichtig. Die Gefühle in jedem Deutschen vereinfachen sich unendlich. In allen lebt ein großes, einfaches Ziel, die Sicherheit des Vaterlandes, eine Hoffnung, der Sieg, ein Wille, alles für das Vaterland einzusetzen. Dieses Fühlen ist so klar, stark und einfach, daß jedes Kind es ahnt, es ist das gleiche in den Dorfbewohnern, dem Gelehrten, dem Staatsmann, es ist das Urgefühl der Menschheit und liegt in der Menschenbrust, seit der Mensch es begriff, daß es so etwas wie eine Heimat gibt. Dieses Gefühl gleicht dem vollen und reinen Glockenton, der alle die kleinen und eigensinnigen Melodien übertönt, die ein jeder vor sich hinsummte.

      Moltke spricht von der reinigenden Wirkung des Krieges. Sie liegt darin, daß das Kleine, Unruhige der vielen Sonderinteressen von uns abfällt und einem einheitlichen Wollen, einem einfachen starken Fühlen Platz macht. Trotz der Spannung, der Schmerzen und der Not dieser Tage wirkt die Konzentration, der schwere Ernst des Gefühls, dennoch stählend auf die Seele wie ein tiefer Atemzug in klarer, scharfer Luft. Wunderbar transzendent ist dieses Gefühl der Vaterlandsliebe. Der Soldat ist bereit zu sterben, damit das Vaterland lebe. Das Spiel seines Willens, seiner Sehnsucht geht über sein individuelles Leben hinaus, er opfert seine Persönlichkeit einem Glücke, das nach ihm der großen Gemeinschaft des Vaterlandes zugute kommen soll, dieses Glück begeistert ihn und macht ihn stark, wie die Hoffnung auf eine ewige Seligkeit den christlichen Märtyrer freudigen Mutes den Tod erleiden ließ. Dieses Hinausgehen über das eigene vergängliche Leben ist das Mysterium jedes großen, ethischen Gefühl und jeder ethischen Tat. Jene Männer aber, die von den Schlachtfeldern in das bürgerliche Leben, in den Alltag der Arbeit und Sorge zurückkehren – wird in ihrer Seele nicht etwas stets geweiht bleiben, durch die Berührung mit dem heiligen Mysterium der Todesbereitschaft für das Vaterland?

      QUELLE: Eduard von Keyserling: Über die Vaterlandsliebe, in: Der Tag, Ausgabe, Nr. 244, Berlin, 17. 10. 1914

      Karl Kraus kommt am 28. April 1874 in Gitschin, Böhmen (heute Jicin/​Tschechien) als Sohn des Papierfabrikanten Jakob Kraus und seiner Frau Ernestine geb. Kantor zur Welt. 1877 zieht die Familie nach Wien, wo Kraus ein Studium der Rechtswissenschaften beginnt.

       1897 gelingt ihm mit der Veröffentlichung der Satire »Die demolirte Litteratur« der erste Publikumserfolg. 1899 gründet er die satirische Zeitschrift »Die Fackel«, die bis kurz vor seinem Tod 1936 in unregelmäßigen Abständen erscheint. Hierin werden von 1915 bis 1919 Teile des monumentalen Epos »Die letzten Tage der Menschheit« veröffentlicht. Darüber hinaus hält Kraus 700 öffentliche Lesungen, übersetzt Shakespeare-Sonette und liest im Rundfunk in Berlin. 1952 erscheint posthum sein Werk über die Machtübernahme Hitlers »Dritte Walpurgisnacht«.

       Karl Kraus polarisiert durch seine Person und seine Werke. Daher hat er auch kaum Verbindungen zu der kleinen, aber einflussreichen Zeitschrift »Weltbühne«, die u. a. Kurt Tucholsky und Carl von Ossietzky in Berlin herausgeben. Kraus stirbt unverheiratet am 12. Juni 1936 in seiner Wohnung in Wien.

       KARL KRAUS

       DIE LETZTEN TAGE DER MENSCHHEIT

       EPILOG

       Die letzte Nacht

      Schlachtfeld. Trichter. Rauchwolken. Sternlose Nacht. Der Horizont ist eine Flammenwand. Leichen. Sterbende. Männer und Frauen mit Gasmasken tauchen auf.

      EIN STERBENDER SOLDAT

      schreiend

      Hauptmann, hol her das Standgericht!

      Ich sterb’ für keinen Kaiser nicht!

      Hauptmann, du bist des Kaisers Wicht!

      Bin tot ich, salutier’ ich nicht!

      Wenn ich bei meinem Herren wohn’,

      ist unter mir des Kaisers Thron,

      und hab’ für sein Geheiß nur Hohn!

      Wo ist mein Dorf? Dort spielt mein Sohn.

      Wenn ich in meinem Herrn entschlief, kommt an mein letzter

      Feldpostbrief.

      Es rief, es rief, es rief, es rief!

      Oh, wie ist meine Liebe tief!

      Hauptmann, du bist nicht bei Verstand,

      daß du mich hast hieher gesandt.

      Im Feuer ist mein Herz verbrannt.

      Ich sterbe für kein Vaterland!

      Ihr zwingt mich nicht, ihr zwingt mich nicht! Seht, wie der Tod

      die Fessel bricht!

      So stellt den Tod vors Standgericht!

      Ich sterb’, doch für den Kaiser nicht!

      WEIBLICHE GASMASKE

      nähert sich

      Soviel ich seh’, fiel hier ein Mann mit Gottes Willen.

      Auch unsereins hat

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