Deutschland – deine Politiker. Friedemann Weckbach-Mara

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Deutschland – deine Politiker - Friedemann Weckbach-Mara

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Plass beklagte erst seine Probleme mit der Netzhaut, gab sich als ältester Freund von Münte aus und erinnerte an die vergangenen Jahre der engen Gemeinsamkeiten. Ihn beschäftigte immer noch, dass sein Freund „damals“ die Mutter von der eigenen Ehefrau Renate (verheiratet seit 1961) bis zum Ende pflegen ließ und „sich gleichzeitig bereits eine neue Frau gesucht“ habe.

      Ende 1980 folgte die Scheidung. 1995 heiratete er seine Freundin Ankepetra, die SPD-Bundestagsmitarbeiterin. Im katholischen Sauerland kam das nicht so gut an. Aber im fernen Berlin erlebten wir ihn nur in erkennbarer Liebe zu seiner zweiten Frau. Dass seine Tochter Mirjam aus erster Ehe ihre Freundin Sabine offiziell heiratete, war nach der Jahrtausendwende schon keine Sensation mehr.

      Anhaltender waren da die Schlagzeilen, als sich Münte 2007 immer mehr um seine krebskranke Ankepetra kümmerte und deswegen sogar am 13. November als Arbeitsminister und Vizekanzler zurücktrat. Die Bundeskanzlerin hatte ihm eine Auszeit angeboten. Doch er wollte keine halben Sachen.

      Ein klarer Fall von Rücktritt aus Liebe. Am 31. Juli 2008 verstarb seine Ankepetra.

      Monate später spielte eine Frau, jünger als seine Tochter, im Leben des Franz Müntefering zunehmend eine Rolle. Sie kannten sich aus der Parteiarbeit mindestens seit 2004.

      Als im Mai 2009 das neue Glück des Franz Müntefering durchsickert, erlebe ich reihenweise staunende Genossen wie Peter Struck, die sich fragen, ob das ernst gemeint ist. Die damaligen Daten sind auch bemerkenswert: Münte 69 Jahre, Michelle Schumann 29 Jahre. Aber sie heiraten. Kurz nach den Flitterwochen auf Madeira („Zwei Wochen. Das war der längste Urlaub meines Lebens.“) kommt er Ende Januar 2010 mit seiner Michelle ins Berliner Tempodrom zu Peter Maffay, der zu seinem 60. rockt. Ich frage das junge Paar, wer von beiden der größere Maffay-Fan sei. Münte: „Ich bin 1,76 Meter, sie ist 1,63 Meter.“ Was immer das heißen soll. Sein Glück erscheint dauerhaft. Sie strahlt ebenfalls. Und sie hat noch beruflich einiges vor. Mit dem großen alten Mann der SPD an ihrer Seite startete sie 2013 in den Bundestagswahlkampf, um als Abgeordnete in Müntes Fraktion einzuziehen, der selbst nicht mehr antrat.

      ◆

      Ein fraktionsinternes Bäumchen-Wechsel-Dich lieferten im Frühjahr 2000 die SPD-Bundestagsabgeordneten Christine Lambrecht (damals 35) und Hans-Joachim Hacker (50). Sie fielen zwar sonst nie auf, aber als die Mannheimerin Lambrecht ihren Freundinnen ein süßes Geheimnis anvertraute, machte das schnell die Runde. Die Noch-Verheiratete bekam ein Kind von ihrem Fraktionskollegen aus Schwerin. Der Familienvater mit vier Kindern reichte daraufhin die Scheidung ein und verkündete: „Ich werde alle Verpflichtungen erfüllen, aber die Trennung von Tisch und Bett ist unumkehrbar.“ Seine Begründung: „Die Politik ist sicherlich ein Grund, warum wir uns nach 25 Ehejahren auseinandergelebt haben. Natürlich ist das neue Leben hier in Berlin auch ein wesentlicher Grund.“

      Das war nur noch eine Meldung auf Seite Drei. Denn der Partnertausch bei Hinterbänklern reichte nach der Jahrtausendwende kaum noch für eine Schlagzeile. Der ziemlich konservative CSU-Politiker Norbert Geis wirkte da eher wie ein übriggebliebenes Fossil, als er 2012 „Spiegel“-Redakteuren kurz vor seinem eigenen Kariereende als Abgeordneter zu Protokoll gab, er könne jemanden nicht wählen, wenn dieser sein Heiratsversprechen nicht einhält. Selbst Bundespräsident Joachim Gauck18 wollte Geis raten, seine „persönlichen Verhältnisse zu ordnen, um nicht angreifbar zu sein“. Was immer das heißen sollte: Rückkehr zur Ehefrau, von der Gauck getrennt lebt, oder Trennung von der heutigen Lebensgefährtin? Unsinn. Über solches Ansinnen ist die Zeit erfreulicherweise hinweg.

      ◆

      Ein so kompliziertes Privatleben allerdings, wie es Horst Seehofer19 jahrelang praktizierte, finden die Bürger (und vor allem die Bürgerinnen) wohl zu jeder Zeit spannend.

      Angefangen hat diese Seehofer-Berichterstattung mit dem Hinweis, dass sich der Familienvater in Berlin eine Geliebte hält. Das machte richtig neugierig, als Anfang Januar 2007 auch noch herauskam, dass die Neue an seiner Seite schwanger war. Klar: Die Abende im Regierungsviertel fernab der Familie sind einsam. Im fünften Stock des riesigen schlangenförmigen Appartement-Hauses für Politiker nahe dem Reichstag aß Horst Seehofer oft zum Tagesabschluss allein eine deftige Brotzeit oder er ging zum Abschluss noch zu einem der vielen Empfänge. Genau dabei hat er 2004 die gut 20 Jahre jüngere quirlige Büroleiterin seines damaligen Fraktionskollegen Laurenz Meyer kennengelernt. Sie war mehr als einen Kopf kleiner, schlank, sehr gebildet – und eben da. Aus interessanten Gesprächen bei Abendempfängen wurden Gemeinsamkeiten während der Berliner Tage des Horst Seehofer. Zunächst in großer Verschwiegenheit.

      Der erste Wohnsitz Ingolstadt blieb seine eine Welt, Berlin die andere. In beiden fühlte er sich wohl.

      Plötzlich ist seine Berlinerin im vierten Monat schwanger. Sie vertraut ihr süßes Geheimnis Kolleginnen auf dem Flur und im Fitnessraum an, zeigt stolz das Ultraschallbild. Seehofer selbst schwieg dazu („Kein Kommentar“) und verzichtete nach Mitteilung seines Ministeriums „vorerst“ auf öffentlichkeitswirksame Auftritte. Dazu verschickte das Bundeslandwirtschaftsministerium am 18. Januar 2007 um 11.16 Uhr dieses Fax auf Briefbogen der Anwaltskanzlei Prinz, Neidhardt, Engelschall in Hamburg und Berlin:

      „Zu den zahlreichen Medien-Veröffentlichungen der vergangenen Tage über mein Privatleben möchte ich nur folgendes mitteilen. Über meine privaten und familiären Angelegenheiten werde ich mich in der Öffentlichkeit nicht äußern. Eine Diskussion auf dieser Ebene ist unter meinem Niveau. Als Politiker bin ich es gewohnt, wenn die Sache es erfordert, mit harten Bandagen zu kämpfen. Dies ist auch der Maßstab, an dem ich meine politische Arbeit gemessen sehen will. Traurig finde ich allerdings, dass in bestimmten Medien eine Kampagne läuft, die insbesondere auch meine Familie stark beeinträchtigt. Ich werde hiergegen nachhaltig mit allen rechtlichen Möglichkeiten vorgehen und habe diese Vorgänge an meine Anwälte von der Sozietät Prinz übergeben. Berlin, den 17. Januar 2006 Horst Seehofer.“

      Dabei feierte Horst Seehofer noch einen Monat zuvor im bayerischen Ingolstadt fernab von seiner Geliebten mit Ehefrau Karin und den drei Kindern im gemütlichen Vororthaus seinen 21. Hochzeitstag.

      In seinem Wahlkreis ist er zu der Zeit die absolute Nummer Eins, wird mit dem Rekordergebnis von 65,9 Prozent gewählt. Sein Versprechen seit zehn Jahren: „Die Kinder sind jetzt in einem Alter, wo die Probleme von meiner Frau allein nicht mehr zu bewerkstelligen sind. Ich werde mir da auch mehr Zeit nehmen müssen.“ Daran hält er sich nach außen sichtbar, gibt sich gern als Familienmensch. Die weiß-blaue Welt scheint für ihn in Ordnung, die Kinder haben viel Verständnis für den arbeitsintensiven Berufsalltag. Sich selbst sah Seehofer zu keiner Zeit als Querdenker, sondern „schlicht und einfach als standfest: Ich bemühe mich, dass Denken, Reden und Handeln übereinstimmen – eigentlich die natürlichste Sache für jeden Menschen.“ In seiner persönlichen Alltagspraxis sah das dann allerdings so aus: Seehofer ließ lange Zeit offen, ob er mit neuer Frau und deren Kind oder mit seiner bisherigen Ehefrau und deren Kindern künftig zusammenleben wolle.

      Da es in Bayern gleichzeitig um das politische Erbe des langjährigen Landesvaters Edmund Stoiber ging, geriet das Privatleben zum Politikum. Ganz nach dem Motto: „Horst Seehofer hat sich im Kampf um den CSU-Vorsitz disqualifiziert.“ Wer die heile Familie als politisches Argument zelebriert, obwohl er sich gleichzeitig mit einer weiteren Frau auf ein Kind freut und sie in der Hoffnung auf ein gemeinsames Leben wiegt, der erschien so manchem Beobachter schlicht unglaubwürdig. Genau das habe ich ihm an einem langen Abend bei Rotwein erzählt, während er sich über die Verfolgung durch Journalisten beklagte – in einigen Fällen nicht ganz zu Unrecht. Im Beisein seiner damaligen Sprecherin saßen wir im Steak-Restaurant, das in den Innenhof des ZDF-Hauptstadtstudios reicht. Die Kellnerin stellte schon Stühle hoch, brachte uns aber trotzdem noch

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