Deutschland – deine Politiker. Friedemann Weckbach-Mara
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Im folgenden Februar gab es erste Anzeichen für eine Neuordnung. Es hieß, die Aussöhnung mit Ehefrau Karin (damals 48) in Ingolstadt komme „gut voran“. Allerdings war das Problem mit seiner gut 20 Jahre jüngeren Ex-Geliebten in Berlin noch nicht gelöst. Sie fand sich nur schwer damit ab, dass Seehofer nun doch bei seiner Familie bleiben und sie in der Hauptstadt allein lassen könnte.
Am 14. Februar kritisierte der Kölner Kardinals Joachim Meisner im dortigen „Express“: „Wenn ein Politiker permanent ein Desaster nach dem anderen in seiner Familie erlebt, heißt es bei uns: Blendet das Private aus, in der Politik geht es um etwas ganz anderes. Warum? Haben wir es denn bei ihm mit zwei verschiedenen Menschen zu tun? Oder ist er eine gespaltene Persönlichkeit? Dann ist er schizophren und gehört zum Arzt, aber nicht auf einen Ministersessel. Wenn wir über Wertevermittlung reden, muss man an das private Leben öffentlicher Personen besondere Ansprüche stellen dürfen. Was soll denn ein mehrfach geschiedener Politiker über eheliche Treue sagen? Da lachen doch alle.“ Im Fall Seehofers müsse man sich fragen: „Wie will er denn Vorsitzender einer christlichen Partei werden?“ Wurde er auch diesmal nicht.
Offiziell verkündete Seehofer zu der Zeit noch, er werde sich „in absehbarer Zeit zu Medienberichten über eine angebliche Affäre äußern.“ Seine Wähler hätten ein Recht auf eine klare Aussage, aber man müsse ihm die Chance für die nötige Klärung zubilligen. Seine Geliebte ließ sogar von ihrem Anwalt verkünden, dass sie schweigen werde.
Doch nicht von langer Dauer.
Als ihr dämmerte, dass Seehofer zu seiner Frau zurückkehren werde, ging sie in die Offensive. Auf Seite Eins der „Bunten“ vom 1. August präsentierte sie sich mit vollem Namen samt Tochter Anna Felicia und beklagte, die Art und Weise der Trennung habe sie „tief getroffen und verletzt. Ich war bestürzt und konnte es nicht begreifen“. Seehofer habe zuerst seine Parteifreunde und erst dann sie informiert. Die junge Mutter weiter: „Leider hat er mir seine Entscheidung nicht persönlich, sondern am Telefon mitgeteilt. Vor allem hätte ich sie als Betroffene gern als Erste erfahren.“ Sie sei jedoch „erleichtert, dass jetzt endlich diese Ungewissheit weg ist.“ Der CSU-Politiker habe ihr „bis zum Schluss Hoffnungen gemacht.“ Sie hätte nicht gedacht, dass es so lange dauert, bis er sich entscheidet. Mit einem druckfrischen Exemplar dieser Anklage unterm Arm fuhr ich ins bayerische Markt Rettenbach. Dort hatte die CSU zur Diskussion mit Seehofer geladen. Der Adlersaal war proppenvoll, die Gäste gespannt auf ihren großen Redner aus dem fernen Berlin. Der kommt pünktlich um 20.00 Uhr, redet viel über die Bedeutung der Landwirtschaft, EU, Hilfen aus Brüssel und über die CSU, deren Vorsitzender er gern würde. Als er mit korrekt weiß-blauer Krawatte verspricht: „Ich werde die deutschen Interessen in der EU mit Nachdruck vertreten“, kommt Gemurmel auf. Seehofer irritiert: „Was ist das für ein Echo?“ Parteifreund Kurt Rossmanith aus der Region: „Die wollen wissen, wie lange du noch im Amt bist.“
Seehofer, mit dem „Bunte“-Titel konfrontiert
Seehofer ballt die Faust: „Da werden sich manche noch wundern, wie lange ich im Amt bin. Ich bin schon durch so manches Stahlbad gegangen.“
Ich wechsle im Saal mehrfach meinen Platz. Mit Bierkrug in der Hand, Wurstsalat auf dem Teller, sagt mir mancher hinter vorgehaltener Hand, was er heute von Seehofer hält: „Die Art des Umgangs mit seiner Ex-Freundin und seine Entscheidungsschwäche schaden seinem Ansehen.“ Die Sekretärin Gerlinde Kössler („Ich bin 50 plus, wie die CSU in Bayern“) redet frei heraus: „Das Wie seines Umgangs lässt Rückschlüsse auf seinen Charakter zu. Das schadet dem Seehofer sicher, obwohl er als Minister so kompetent wirkt.“ Der wohlbeleibte Jochen Wölfe (damals 53) sieht das ganz anders: „Das hätt’ die doch wissen müssen, dass der Seehofer Horst verheiratet ist.“
Nach seiner Rede als Wahlkämpfer um das Amt des CSU-Vorsitzenden wird Horst Seehofer immer einsilbiger. Im Ausgang des Landgasthofs Adler nahe Ottobeuren meint er zu mir: „Da ist ja sogar ein Gast aus Berlin.“ Doch sein Lächeln schwindet sofort, als ich ihm die Titelseite mit dem Interview seiner (inzwischen wohl eher) Ex-Geliebten Anette Fröhlich zeige und wissen will: Was halten Sie davon?
Seehofer: „Dazu kein Kommentar.“
Frage: Schadet Ihnen das bei der Bewerbung um den Parteivorsitz?
Seehofer: „Auch dazu kein Kommentar.“
Frage: Wie finden Sie denn die Fotos von Ihrer Tochter?
Seehofer: „Dazu sage ich nichts.“
Frage: Wo fahren Sie denn jetzt hin?
Seehofer: „Ich fahre jetzt dorthin, wo ich hingehöre.“
Spricht’s und entschwindet, den goldenen Ehering am rechten Ringfinger, im illustriertenfreien Audi nach Hause. Zum Abschied spielt die Kapelle „Auf, auf zum fröhlichen Jagen“. Zur selben Zeit ist Anette Fröhlich bei ihren Eltern in Franken.
Die Distanz zwischen Horst Seehofer und ihr wird nun auch im ganz persönlichen Gespräch deutlich. Unter vier Augen redet er mir gegenüber nur noch von „Frau Fröhlich“ und kehrt offiziell zur Familie zurück. Es wächst zwar Gras über das zeitweilige Doppelleben, aber nicht schnell genug. Am 29. September verliert Seehofer die Wahl um den CSU-Vorsitz mit 39,1 Prozent. Wirtschaftsminister Erwin Huber gewinnt mit 58,19 Prozent. CSU-Parteichef in München wird Seehofer im Oktober 2008. Fünf Jahre später residiert seine Ex-Anette in Berlin als verbeamtete Sprecherin der staatlichen Regulierungsbehörde – zur Überraschung der 2.700 Mitarbeiter im Bonner Stammhaus der Behörde.
Ludwig Erhard stirbt
Heimlichkeiten beim Privatleben gab es lange Zeit erst recht im Umgang mit Krankheiten von Politikern. So blieb die verhängnisvolle Ursache für das Leiden von Ludwig Erhard20 für die Öffentlichkeit lange im Dunkeln, obwohl der Hergang sehr klar war: Der Vater des deutschen Wirtschaftswunders hatte sich Anfang März 1977 die Rippen schwer geprellt, als sein damals 33-jähriger Fahrer Dieter Räbsch mit 1,3 Promille einen leichten Verkehrsunfall baute. Der Fahrer bekam einen neuen Job als Bote. Erhard erholte sich von den Folgen des Unfalls nie mehr ganz. Zwar durfte er am 27. April das Krankenhaus verlassen, aber er hatte bereits Gedanken an den Tod. Erhard rief seine engsten Mitarbeiter zu sich: Die beiden Sekretärinnen Dorothea Bilda (seit 20 Jahren bei ihm) und Eva-Marie Schattenberg (seit 14 Jahren) sowie seinen engsten Vertrauten Karl Hohmann, schenkte jedem zum Abschied eine wertvolle Grafik des Mahlers Ernst Günter Hansing (1929–2001). Dann ordnete er seinen Nachlass: Die Ludwig-Erhard-Stiftung soll mit 1,5 Millionen D-Mark junge Wissenschaftler fördern. Außerdem verleiht sie jährlich eine 120 Gramm schwere Goldmedaille „für Verdienste um die soziale Marktwirtschaft“. Für die beiden Töchter wird eine halbe Million D-Mark in bar vorgesehen.
Ludwig Erhard bei einem seiner letzten Interviews
An diesem Mittwochabend sah Erhard sich das Fußballspiel Deutschland-Nordirland (5 : 0) im Fernsehen an, bekam aber schon nach dem Spiel wieder heftige Brustschmerzen und fuhr am folgenden Donnerstag mit einem Krankenwagen zurück ins Bonner Elisabethkrankenhaus. Chefarzt Dr. Hubert Westermann konnte die Schmerzen lindern und das Fieber auf 38 Grad senken. Der Vater des Wirtschaftswunders hing am Tropf und fiel meist in einen Dämmerschlaf. Bei einem kurzen Aufwachen am Abend des 2. Mai sagte er mit erstaunlich fester