Kürschners Volkshandbuch Deutscher Bundestag. Группа авторов

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wird auch deutlich, wie sehr das Amt des Bundespräsidenten in der gewöhnlichen Betrachtung unterschätzt wird, wenn man es auf die Funktionen als Notar von Gesetzesbeschlüssen und Spitzenpersonalentscheidungen sowie auf die Wirkung von Reden in der Öffentlichkeit verkürzt. Gerade in Zeiten von Krise und Machtvakuum kommt dem Bundespräsidenten eine immens stabilisierende Funktion im Zusammenspiel mit dem Bundestag zu. Nur die Staatsorgane zusammen können den Weg zu vorgezogenen Neuwahlen einschlagen. Zugleich macht das Grundgesetz durch die Errichtung von hohen Hürden deutlich, dass dies kein bequemer Ausweg sein soll, solange es mögliche Mehrheiten im Parlament gibt. Dieses Mal mussten sich die Verfassungsorgane zunächst nicht mehr mit Neuwahlen beschäftigen: Die Kanzlerin kam mit neun Stimmen oberhalb der Kanzlermehrheit am 14. März 2018 ins Amt.

      Zu diesem Zeitpunkt ahnte niemand, dass die Herausforderungen, die mit der Corona-Krise auf die Akteure in dieser Wahlperiode zukommen würden, die dramatischen Wochen der Weltfinanzkrise von 2008 noch weit in den Schatten stellen würden. Das Infektionsschutzgesetz aus dem Jahr 2000 wurde 2019 über Nacht zum Dreh- und Angelpunkt nahezu aller wichtigen Handlungen von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung. Es war bei seiner Verabschiedung knapp zwei Jahrzehnte zuvor insbesondere in der Erwartung verabschiedet worden, eine unkontrollierte Ausbreitung von HIV über Bluttransfusionen unterbinden und vereinzelt auftretende Infektionen lokal besser erkennen und kontrollieren zu können. Zu den allgemeinen Erwartungen hatte es gehört, dass dieses Gesetz „spürbare Erleichterungen für die Wirtschaft“ bringen würde, da ihre Mitarbeiter besser geschützt sein würden. So hieß es seinerzeit in der Gesetzesbegründung. Dass 19 Jahre später der Bundestag einen dreistelligen Milliardenbetrag in die Hand nehmen würde, um die Auswirkungen der Pandemie für Bevölkerung und Betriebe, für Gastwirte und Künstler erträglicher zu machen, lag außerhalb der üblichen Vorstellungswelt des seinerzeitigen Gesetzgebers.

      Viele erwarteten auch im Januar 2020 nach den ersten Meldungen über ungewöhnlich verlaufende Infektionskrankheiten im Raum der chinesischen Millionenstadt Wuhan zunächst einen regional begrenzten, nach dem Auftreten der Pandemie in Deutschland auch noch einen zeitlich begrenzten Verlauf. Stattdessen führte das mehrfache Runterfahren des öffentlichen Lebens zu einer anhaltenden beispiellosen Entwicklung seit 1949. Die größten Krisen-Auswirkungen waren bis dahin in ein paar autofreien Sonntagen im Verlauf der Ölkrise von 1973 erlebbar gewesen. Nun fühlten viele Millionen am eigenen Leib, dass etwas Bedrohliches vorging. Als klar war, dass die Zahl der Kontakte drastisch verringert werden muss, um Infektionsketten zu durchbrechen und das Leistungsvermögen des öffentlichen Gesundheitssystems nicht zu überfordern, wurden in der Folge alle Bereiche des öffentlichen Lebens betroffen. Natürlich auch der Bundestag. Anfangs machte sich das in einer vorübergehenden Schließung der Kuppel für Besucher bemerkbar. Auch die Plätze für Journalisten auf der Pressetribüne wurden verringert, um die Ansteckungsgefahr zu minimieren. Und auch im Plenarsaal und den Ausschussräumen galten Mindestabstände, im weiteren Verlauf ergänzt durch eine Maskenpflicht. Die übliche Begrüßung durch den Bundestagspräsidenten bekam eine neue Form: „Liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte nehmen Sie unter Wahrung des notwendigen Abstands Platz“, hieß es zum Beispiel in der 154. Sitzung des Bundestages am 25. März 2020.

      Es war ein denkwürdiger Tag. Der Bundestag stellte eine „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ auch offiziell fest. Und er verabschiedete eine Neufassung des Infektionsschutzgesetzes mit zahlreichen Regelungen, die es dem Bundesgesundheitsminister und den Landesregierungen ermöglichten, lageangepasst auf die Corona-Entwicklung zu reagieren. Wichtig blieb, dass der Bundestag sein Recht und seine Pflicht zur Regelung der teils einschneidenden Vorgaben nur zeitlich und sachlich begrenzt übertrug und jederzeit zurückholen konnte. Gleichzeitig veränderte das Parlament mit einer Anpassung der Geschäftsordnung auch seine eigene Arbeit an die Pandemie-Bedingungen. Nun reichte zur Beschlussfähigkeit die Anwesenheit von mehr als einem Viertel (statt der Hälfte) der Abgeordneten, und Beratungen sowie Abstimmungen in Ausschüssen waren auch virtuell möglich: Die Abgeordneten konnten an den Zusammenkünften nicht mehr nur persönlich in den Sitzungssälen, sondern per Video auch von ihren Büros oder von zu Hause aus teilnehmen. Liefen Namentliche Abstimmungen vor der Pandemie in der Regel unter Entstehen eines dichten Gedränges Hunderter von Abgeordneter in kurzer Zeit auf engstem Raum ab, wurden die Urnen für die Stimmkarten nun außerhalb des Plenarsaales aufgestellt und so lange geöffnet, dass die Abgeordneten mit Abstand nacheinander ihre Karten einwerfen konnten. Zudem wurden die Immunitätsrechte der Abgeordneten so verändert, dass auch sie von Quarantäne- und ähnlichen Regelungen erfasst werden konnten.

      Nach wenigen Wochen hatte sich der Bundestag an die Arbeit unter Pandemie-Bedingungen gewöhnt und war zu der üblichen Vielzahl von Sitzungen, Tagungen, Hearings und Besprechungen zurückgekehrt – nur halt unter anderen Umständen. So tagten die Fraktionen häufiger virtuell oder wechselten den Versammlungsort: Die Fraktionen von Union und SPD konnten sich beispielsweise nacheinander auch im deutlich größeren Plenarsaal treffen, damit Abgeordnete und Mitarbeiter trotz physischer Präsenz untereinander die Mindestabstände einzuhalten vermochten. So wie das alltägliche Leben vor allem in den Sommermonaten unter Corona-Bedingungen weiter ging, spielten sich auch die parlamentarischen Abläufe ein. Im November 2020 verabschiedete der Bundestag eine noch detailliertere Novelle der gesetzlichen

      Grundlagen des behördlichen Handelns. Sie folgten unter anderem einem Appell des Bundestagspräsidenten und einer Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, wonach Eingriffe in die Grundrechte so präzise wie möglich gesetzlich verankert sein müssen.

       Aufgaben des Bundestages

      Damit sind zwei der wichtigsten Funktionen des Bundestages bereits deutlich geworden: Die Wahl- und die Gesetzgebungsfunktion. Der Bundestag entscheidet direkt oder indirekt mit, wer wichtige Staatsorgane, Verwaltungsfunktionen, herausgehobene Richterstellen und die Leitung von Kontrollbehörden übernimmt. Er kreiert also Verantwortlichkeiten, weswegen auch von einer Kreationsfunktion gesprochen wird.

      Nicht minder wichtig ist seine Aufgabe als Gesetzgeber. Wie zu Beginn der Wahlperiode deutlich wurde, kann er sie selbstständig wahrnehmen und muss nicht auf Gesetzentwürfe der Regierung warten, obwohl dort natürlich ein großer praktischer und juristischer Sachverstand vorhanden ist. Die Gesetzgebung (lateinisch: legum latio) ist ein derart herausragendes Alleinstellungsmerkmal, dass die Wahlperiode eines Bundestages auch als Legislaturperiode bezeichnet wird, das Parlament auch als Legislative gilt.

       Bundestag das oft zitierte „Forum der Nation“.

      Ohne die Forumsfunktion des Bundestages sind diese beiden Aufgaben jedoch nicht vorstellbar: Wer vom Volk als Vertreter legitimiert ist, die Regierenden zu bestimmen und Gesetze zu machen, der muss auch nachvollziehbar die dahinter stehenden Beweggründe darlegen. Alle drei Aufgaben stehen unter der Klammer höherer Verbindlichkeit. Es ist ein Unterschied, ob eine Talkshow im Fernsehen mit provokanten, gezielt ausgesuchten Meinungen Einschaltquote erreichen will oder ob der nach dem Wählerwillen repräsentativ zusammengesetzte Bundestag stellvertretend in aller Öffentlichkeit mit der Überzeugungskraft unterschiedlicher Argumente ringt. Hier bildet der Bundestag das oft zitierte „Forum der Nation“. Die Zeiten sind längst vorbei, in denen diese Öffentlichkeit lediglich gegenüber zufälligen Besuchergruppen, über die Berichterstattung der Medien und dicke Wälzer gebundener stenografischer Protokolle hergestellt wurde. Ein paar Klicks reichen nun, und jeder ist per Internet über bundestag.de live dabei, kann sich auch nachträglich noch alle öffentlichen Sitzungen insgesamt anschauen oder zu einzelnen Redebeiträgen scrollen. Wer wissen will, was im Bundestag vor sich geht, wird rund um die Uhr zu jedem Thema fündig.

      Die Bedeutung des Parlamentes liegt zudem in seiner Budgetfunktion. Der Bundestag entscheidet, wofür in diesem Staat auf Bundesebene Geld ausgegeben wird. Und wofür nicht. Die Bundesregierung wird zwar gerne mit Hinweisen zitiert, sie habe für dieses oder jenes Projekt Mittel bereitgestellt.

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