Kürschners Volkshandbuch Deutscher Bundestag. Группа авторов

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über einzelne Spezialnormen von wenig allgemeinem Interesse, gehen in der Regel sowohl die gerade nicht gefragten, also fachlich zuständigen Abgeordneten als auch die Journalisten außerhalb des Plenarsaales ihrer Arbeit nach.

      Der Bundestag darf nämlich nicht auf das Plenum verkürzt werden. Rund 90 Prozent der parlamentarischen Arbeit finden außerhalb statt. Deswegen ist er mit der Bezeichnung Arbeitsparlament insgesamt auch besser umschrieben als mit der eines Redeparlamentes. Sicherlich wäre eine bessere Präsenz des Plenums häufig wünschenswert. Doch Anwesenheitslisten werden nicht nur vor den Eingängen des Plenarsaales ausgelegt, sondern an vielen Stellen in den Häusern des Bundestages. Verschaffen wir uns einmal einen kleinen architektonischen Überblick.

       Gang durchs Parlamentsviertel

      Im Mittelpunkt steht das historische Reichstagsgebäude. Es gehört zu den attraktivsten touristischen Reisezielen, weil es ein Erlebnis besonderer Art ist, in der Kuppel bis ganz nach oben zu steigen und dabei stets neue Eindrücke von Berlins Mitte zu gewinnen. Zu DDR-Zeiten stand es dicht an der Mauer und wurde nach einer ersten Sanierung und Modernisierung Anfang der 70er Jahre bereits während der deutschen Teilung vom Bundestag für einzelne Gremiensitzungen und eine ständige Ausstellung über Fragen zur deutschen Geschichte genutzt. Die Verhüllung mit 100.000 Quadratmetern spezialbeschichtetem, leicht silbern glänzendem Stoff durch das Künstlerpaar Christo und Jean-Claude markierte 1995 einen weltweit beachteten Neuanfang.

      Daraus wurde der vierte Plenarsaal in der Geschichte des Bundestages – nach den ersten Jahrzehnten – alle in Bonn – im Bauhausstil der ehemaligen Pädagogischen Akademie, dem nachfolgenden Provisorium im früheren Wasserwerk und schließlich dem kreisrunden Neubau, der 1992 fertig wurde – und damit über ein Jahr nach dem Beschluss des Parlamentes, nach Berlin zu ziehen. Und zwar in das historische Reichstagsgebäude, das nach den Plänen des Architekten Paul Wallot bis 1894 errichtet worden war und sowohl das Parlament des Kaiserreiches als auch das der Weimarer Republik erlebte, bis es Ende Februar 1933 in Flammen aufging.

      Bis zum Umzug von Parlament und Regierung im Jahr 1999 wurde das Gebäude erneut entkernt und – mit besonderem Respekt vor der historischen Bausubstanz – unter der Regie des britischen Architekten Norman Foster an die Bedürfnisse eines modernen und transparenten Parlamentes angepasst. Die Gleichzeitigkeit von traditionellem Erbe und zeitgemäßen Ergänzungen kommt auch in zwei Widmungen zum Ausdruck. Ende 1916 waren aus eingeschmolzenen Kanonen die Buchstaben „DEM DEUTSCHEN VOLKE“ gegossen und auf dem Westgiebel angebracht worden. Sie bilden für Tagesbesucher auch heute noch die Begrüßung. Hinzu gekommen ist ein Projekt des Künstlers Hans Haacke im nördlichen Innenhof. In einem großen rechteckigen Trog sind hier die Buchstaben „DER BEVÖLKERUNG“ montiert. Rings umher wächst und wuchert es aus Erde, die Abgeordnete aus ihren Wahlkreisen mit nach Berlin brachten.

       . . . sondern darüber hinaus weitere 111 Volksvertreter ihren Dienst antraten.

      Im Osten schließt sich das ehemalige Reichstagspräsidentenpalais an, in dem die Deutsche Parlamentarische Gesellschaft untergebracht ist. Hier gibt es Räumlichkeiten für Empfänge, Veranstaltungen und Besprechungen in kleinem oder größerem Kreis. Im Fernsehen sieht man sie insbesondere, wenn – wie 2005, 2013 und auch wieder 2017 – Parteivertreter sondieren, ob sie in Koalitionsgespräche eintreten sollen. Hinter dem Palais beginnt das Jakob-Kaiser-Haus, das an beiden Seiten der Dorotheenstraße viele Abgeordnetenbüros enthält. Eigentlich handelt es sich um acht, jeweils sechsgeschossige Gebäude, die miteinander verbunden sind und bis zur Wilhelmstraße reichen. Spaziergänger sehen entlang der Spree auch etwas von der Kunst am Bau, etwa Glaswände mit den Grundrechten im 1949er Original.

      Wer sich an dieser Stelle rumdreht, sieht auf der anderen Flussseite zwei weitere prägnante Bauwerke: Das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus mit Räumen für die Verwaltung, die Bibliothek oder das Archiv und vor allem mit einem großen Anhörungssaal, aus dem die Medien bei wichtigen Sitzungen von Untersuchungsausschüssen berichten. Über zwei Fußgängerbrücken ist dieses Gebäude auf der anderen Spreeseite mit dem Paul-Löbe-Haus verbunden. Hier gibt es weitere Abgeordnetenbüros, die sich um Sitzungssäle für die Fachausschüsse gruppieren. Weil sich diese in vier Rundbauten auf der nördlichen und vier weiteren auf der südlichen Seite befinden, kann insgesamt von einem „Achtzylinder“ gesprochen werden. Ein sinniges Bild, wenn wir daran denken, dass die Ausschussarbeit sozusagen als Motor der parlamentarischen Demokratie betrachtet werden kann. Als in der Sommerpause 2019 der Plenarsaal gerade grundüberholt wurde und dafür auch alle Sitze ausgebaut wurden, bestand das Paul-Löbe-Haus eine weitere Prüfung: Im langgezogenen Atrium versammelte sich der Bundestag zu einer zusätzlichen Sitzung, damit nach dem Ausscheiden von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ihre Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer an ungewöhnlichem Ort vereidigt werden konnte.

       „Spreesprung“

      Das Paul-Löbe-Haus schließt nach Westen mit einer großen Glasfassade ab, in der sich das gegenüberliegende Kanzleramt spiegelt. Städtebaulich ist diese architektonische Verbindung von Exekutive und Legislative nicht nur interessant für die deutsche Praxis der parlamentarischen Demokratie. Es ergibt sich in der Ausrichtung und Abfolge der Bauwerke auch ein „Band des Bundes“, das bereits im Kanzlergarten beginnt und zwei Mal über die Spree „springt“. Diese von den Berliner Architekten Axel Schultes und Charlotte Frank schon kurz nach dem Hauptstadtbeschluss entworfene Konzeption ist ein starkes Ausrufezeichen an die Adresse der deutschen Geschichte: Die klare West-Ost-Linie überwindet die deutsche Teilung an der Spree. Wo früher die Grenzer patrouillierten und auf Flüchtlinge schossen, flanieren heute die Spaziergänger über eine luftige Brücke oder wechseln weiter oben Abgeordnete und ihre Mitarbeiter vom Paul-Löbe-Haus ins Marie-Elisabeth-Lüders-Haus.

      Im Bereich von Wilhelm- und Dorotheenstraße sowie am Boulevard Unter den Linden befinden sich weitere Gebäude des Bundestages, in denen Abgeordnete und Einrichtungen der Verwaltung untergebracht sind. Gerade zu Beginn dieser Wahlperiode war viel zu organisieren, hatte das Wahlrecht doch dazu geführt, dass nicht nur die gesetzlich vorgesehene Zahl von 598 Abgeordneten erreicht wurde, sondern darüber hinaus weitere 111 Volksvertreter ihren Dienst antraten.

       Der Weg in den Bundestag

      Wie konnte es dazu kommen? In einem Satz: Als Spätfolge verfassungsrechtlicher Vorgaben für ein Wahlrecht, das sich an dem Grundsatz orientiert, jeder abgegebenen Stimme gleich viel Gewicht zu geben und dabei die Vorteile zweier unterschiedlicher Wahlsysteme zu verknüpfen. Es gibt Demokratien, in denen ausschließlich diejenigen das Volk repräsentieren, die in den einzelnen Wahlkreisen die Nase vorn haben. Das ist ein Mehrheitswahlrecht. Sein Vorteil liegt in der Nähe des Gewählten zum Bürger. Der Nachteil liegt darin, dass alle Stimmen für sämtliche anderen Kandidaten und politischen Konzepte unter den Tisch fallen.

      Es gäbe auch die Möglichkeit, bundesweit nur Parteien zu wählen, die vorher zentrale Listen mit Bewerbern aufgestellt haben. Von diesen Listen zögen dann der Reihe nach so viele Politiker ins Parlament, wie den einzelnen Parteien im Verhältnis der abgegebenen Stimmen zueinander zustehen. Das nennt man Verhältniswahlrecht. Der Vorteil ist, dass jede Stimme gleich zählt, der Nachteil besteht darin, dass vor Ort eine Identifikation mit einem Volksvertreter immens schwerfällt. Deutschland versucht diese unterschiedlichen Auswahlprinzipien miteinander zu verschmelzen, indem es sich für ein „personalisiertes Verhältniswahlrecht“ entschieden hat.

       Das Problem des negativen Stimmengewichtes

      Das ist vom Grundsatz her leicht verständlich. Mit der Erststimme wird vor Ort derjenige gewählt, der den Wahlkreis direkt vertreten soll, mit der Zweitstimme wird geklärt, in welchem Stärkeverhältnis

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