Der Bergpfarrer Paket 2 – Heimatroman. Toni Waidacher
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»Na ja, es kommt immer darauf an, wie man so einen Menschen anspricht«, meinte Sebastian. »Wenn die Angelegenheit auch problematisch ist, so hoff’ ich doch, daß es eine Möglichkeit gibt, dem Christian zu helfen.«
Max nahm eine weitere Scheibe von dem deftigen Brot, das die Haushälterin seines Bruders selbst gebacken hatte. Er belegte sie mit dem kräftigen Bergkäse, den Sebastian von seinen Touren immer mitbrachte. Während er es sich noch schmecken ließ, hatte der Bergpfarrer sein Abendbrot beendet. Die beiden Brüder unterhielten sich über den neuesten Tagesklatsch, der in St. Johann die Runde machte, und dann fiel Sebastian plötzlich die Begegnung mit der Fahrerin des Wagens, mit dem Frankfurter Kennzeichen ein.
»Aus Frankfurt sagst?« überlegte Max. »So einer steht auf dem Parkplatz vom Löwen. Ein dunkler Sportwagen.«
»Genauso einer war’s«, nickte der Geistliche. »Meinst’, die Dame ist im Hotel abgestiegen? Dann muß sie wohl doch zum Sonnenhof gewollt haben. Wenn ich nur wüßt’, wer sie ist..., das Gesicht kam mir bekannt vor.«
»Hm«, machte der Polizist. »Ich bin zwar kein Hellseher, aber ich könnt’ mir vorstellen, daß die Kathie vielleicht...«
»Max, das ist sie!«
Pfarrer Trenker hatte vor Begeisterung in die Hände geklatscht.
»Natürlich. Jetzt, wo du’s sagst. Es ist die Kathie Hofer! Ich seh’ sie ganz deutlich vor mir. Es sind zehn Jahre vergangen, Jahre, die das Aussehen eines Menschen verändern. Aber doch net so sehr, als daß ich’s net genau wüßt’. Ich hab’ mich schon gewundert, denn die Straße endet ja da am Sonnenhof. Jetzt versteh’ ich’s, sie wollte den Hof, ihre alte Heimat, wiedersehen.«
Nachdenklich schaute er vor sich hin.
»Ob ihr plötzliches Auftauchen hier was Gutes bedeutet? Es kann doch kein Zufall sein, daß sie ausgerechnet jetzt herkommt, wo sie in all den Jahren nix von sich hat hören lassen.«
Max Trenker sah seinen Bruder schmunzelnd an.
»Denkst’ vielleicht, daß man da was arrangieren könnt’, zwischen der Katharina Hofer und dem Christian Buchner? Ich mein’, wer solch ein Auto fährt, der hat wahrscheinlich keine Geldsorgen. Vielleicht, wenn die beiden zueinander fänden...«
Sebastian schüttelte den Kopf.
»Arrangieren nützt da gar nix. Entweder die Liebe kommt, oder sie bleibt weg«, erwiderte er. »Außerdem glaub’ ich die Gründe zu kennen, warum die Kathie damals so sang- und klanglos verschwand. Immerhin hat der Buchnerbauer, aus ihrer Sicht, ihrem Vater den Hof, und damit ihr Heim, fortgenommen. Ich weiß noch, daß sie tagelang kein Wort gesprochen hat, und als dann der Vater so plötzlich verstarb, verschwand sie gleich nach der Beerdigung. Ich hatte sie noch gebeten, sich an mich zu wenden, wenn sie Hilfe bräuchte, aber sie hat es vorgezogen, das Wachnertal zu verlassen.
Daß sie noch lebt, nahm ich nur daher an, weil das Grab ihrer Eltern regelmäßig gepflegt wird und immer frische Blumen darauf steh’n. Ich hab’, vor Jahren schon, bei der Gärtnerei nachgefragt, wer den Auftrag dazu erteilt hat. Leider konnte man mir keine Auskunft geben. Sie beriefen sich auf den Datenschutz, was ich durchaus verstehen konnte. Nun, jetzt ist sie sogar zurückgekommen. Ich will sie gleich morgen früh im Hotel aufsuchen. Wenn sie auf dem Hof war, dann hat sie auch mit Christian gesprochen und gesehen, wie’s um ihn und das Anwesen steht. Vielleicht hat’s wirklich seinen Grund, daß sie gerad’ jetzt wieder auftaucht...«
*
Katharina Hofer hatte tatsächlich eine unruhige Nacht, genau wie schon befürchtet. Die Rückkehr auf den Hof, auf dem sie aufgewachsen war, das unerwartete Wiedersehen mit Adrian Krammler, all das hatte sie doch mehr mitgenommen, als sie wahrhaben wollte.
Vor allem der Anblick ihrer einstigen, großen Liebe, wühlte vieles wieder auf, und ihre jetzige Lebenssituation wurde ihr deutlich vor Augen geführt. Sie hatte vieles erreicht, wovon andere nur träumen konnten. Als erfolgreiche Geschäftsfrau war sie finanziell unabhängig, davon zeugten der teure Sportwagen und die Villa in Heusenstamm.
Aber bin ich wirklich glücklich?
Diese Frage hatte sie sich gestern abend noch gestellt. Vroni Obermayr und Adrian Krammler schienen es zu sein. Jedenfalls hatte sie den Eindruck gewonnen, als sie die beiden beobachtete. Sie hingegen hatte niemanden, mit dem sie abends ausging. Allein und zurückgezogen lebte sie in der Villa. Anna Vogt war die einzige Bezugsperson in ihrem Leben, außerhalb der Firma. Selten nahm Katharina Einladungen an. Nur wenn es gut fürs Geschäft war und sich nicht vermeiden ließ.
Natürlich war so eine strahlend schöne Frau für die Männerwelt begehrenswert, und ein paar oberflächliche Beziehungen gab es schon in ihrem Leben. Doch die einzig wahre, die ganz große Liebe hatte sie nicht gefunden, und ein wenig beneidete sie Vroni um deren Glück.
Während die Maklerin sich duschte und anzog, überlegte sie, wie sie die Tage in St. Johann gestalten sollte. Natürlich wollte sie Pfarrer Trenker einen Besuch abstatten. Er war der einzige Mensch, der sich damals wirklich um sie gekümmert hatte. Es war ihr erst später bewußt geworden, was der gute Hirte von St. Johann alles für sie getan hatte, und sie bedauerte es, so still und heimlich gegangen zu sein, ohne sich von ihm verabschiedet und sich bedankt zu haben. Das wollte sie auf jeden Fall jetzt nachholen.
Und vor allem wollte sie das Grab der Eltern besuchen! Zehn Jahre hatte sie es nicht gesehen. Die Pflege war einer Gärtnerei aus der Kreisstadt übertragen worden, regelmäßig überwies ihr Büro die Kosten dafür.
Schließlich fragte sie sich, ob sie der Einladung Christian Buchners folgen sollte, noch einmal zum Hof zu kommen. Zwiespältige Gefühle bewegten sie. Zum einen freute sie sich darüber, auf der anderen Seite rief das Wiedersehen Erinnerungen hervor, die schmerzten. Zuviel Leid war ihr und dem Vater damals geschehen, und wenn sie herausfinden wollte, ob seinerzeit alles mit rechten Dingen zugegangen war, dann durfte ihr Verhältnis zu dem jungen Bauern nicht zu vertraut werden. Immerhin war er der Sohn des Mannes, der ihr die Heimat genommen hatte.
Und damit war Christian ihr Feind!
Nachdem sie fertig angekleidet war, ging Katharina hinunter in den Frühstücksraum. Im Löwen wurde am Tisch serviert, wobei man auf die besonderen Wünsche der Gäste einging. Das in anderen Hotels übliche Frühstücksbüffet, mit den abgepackten Portionen, gab es hier nicht. Dafür konnte man zwischen Rühr- oder Spiegel-eier wählen, oder sie wurden, je nach Wunsch, frisch gekocht. Außerdem standen Rostbratwürstel zur Auswahl, Aufschnitt und Bergkäse, Marmeladen, die Irma Reisinger selbst kochte, und verschiedene Müsli, mit Joghurt oder frischer Alpenmilch. Katharina Hofer hatte wirklich die Qual der Wahl. Als sie endlich ihr Frühstück zusammengestellt hatte und darauf wartete, daß es serviert wurde, nahm sie die Morgenzeitung zur Hand und schlug sie auf. Es war das erste Mal, seit ihrem Weggang, daß sie das Blatt wieder las. Zu Hause war ihr Vater es immer gewesen, der die Zeitung zuerst lesen wollte. Sie tat es später, in der ruhigen Stunde, wenn das Mittagessen auf dem Herd kochte, und sie darauf wartete, daß es gar wurde.
Auf der letzten Seite wurde noch einmal von dem Feuer berichtet, das in der letzten Woche auf dem Sonnenhof gewütet hatte. Es gab Katharina einen Stich