Dr. Norden Staffel 5 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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Auch die Klinikchefin Jenny Behnisch hatte alle Hände voll zu tun, bis sie ein schriller Klingelton an die Verabredung mit ihrem Lebensgefährten erinnerte.
»Schon so spät?«, fragte sie sich mit gelindem Entsetzen. Ihr Schreibtisch sah immer noch genauso wüst aus wie zu Beginn des Tages. Doch es nützte nichts. Roman hatte ihr unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass er keine Absage mehr tolerieren würde. Seufzend schaltete Jenny den Computer aus und schlüpfte in den Mantel, als ihre Assistentin Andrea Sander hereinkam, zwei prall gefüllte Unterschriftenmappen im Arm.
»Oh, Sie gehen schon?«, erkundigte sie sich sichtlich überrascht.
»Wenn ich nicht demnächst wieder Single sein will, sollte ich das tatsächlich tun«, gab Jenny Behnisch zurück.
Einen Moment lang haderte Andrea sichtlich mit sich. Doch dann siegte ihr Pflichtbewusstsein.
»Ich glaube kaum, dass Herr Kürschner so verständnislos ist«, erwiderte sie lapidar und legte die beiden Mappen vor ihre Chefin auf den Schreibtisch. »Sie haben mir den ganzen Nachmittag lang versprochen, diese Briefe zu unterschreiben.«
Gequält verdrehte die Klinikchefin die Augen.
»Ich hatte heute fünf Operationen, drei Besprechungen und eine Unmenge an Telefonaten. Mal abgesehen von meiner Sprechstunde und den Patienten, die mich darüber hinaus sehen wollten«, erklärte sie das, was Andrea als ihre Assistentin längst wusste. »Stellen Sie sich vor: Auch ich habe ein Zuhause und bin froh, wenn ich irgendwann einfach nur mal gehen kann.«
Doch Andrea hatte nicht vor, sich auf eine Diskussion einzulassen.
»Sie haben es versprochen«, wiederholte sie.
»Wenn ich damals gewusst hätte, wie grausam Sie sind, hätte ich Sie nicht eingestellt!«, bemerkte Jenny düster.
»Doch, das hätten Sie!« Selbstbewusst, wie sie war, ließ sich die pflichtbewusste Assistentin nicht beirren.
Sie zwinkerte ihrer Chefin zu und verließ das Zimmer.
Seufzend ließ sich die Klinikchefin wieder auf den Stuhl fallen und starrte auf die Mappen. Endlich hob sie die Hand. Aber nicht etwa, um sie zu öffnen, sondern um nach dem Telefonhörer zu greifen und eine Nummer zu wählen.
»Ich bin’s, Fee«, sagte Jenny, als sich ihre langjährige Freundin und Kollegin meldete, die seit einiger Zeit ihre Ausbildung zur Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie in der Behnisch-Klinik machte. »Du musst mir einen Gefallen tun.« In knappen Worten erläuterte sie ihr Dilemma, und Felicitas stimmte lachend zu.
Die Klinikchefin legte auf und spitzte die Ohren. Gleichzeitig schlug sie eine der Mappen auf und nahm einen Füller zur Hand. Sie hatte den ersten Brief noch nicht ganz durchgelesen, als tatsächlich Andrea Sanders Telefon klingelte. Jenny konnte nicht genau verstehen, was gesprochen wurde. Aber das war auch nicht nötig, denn gleich darauf klopfte es. Schnell beugte sie sich über die Unterschriftenmappe.
»Tut mir leid, wenn ich nochmal stören muss«, erklärte Andrea Sander sichtlich zerknirscht. »Frau Dr. Norden war dran. Die Eltern eines kleinen Patienten wollen Sie unbedingt sprechen.«
»Unmöglich!« Ohne den Blick von der Mappe zu heben, schüttelte Jenny entschieden den Kopf. »Ich habe mindestens für die nächsten zehn Jahre zu tun.«
Andrea lachte schuldbewusst auf.
»Vielleicht haben die Unterschriften doch noch bis morgen Zeit«, gab sie nach.
Innerlich gratulierte sich Jenny Behnisch zu ihrer gelungenen List. Doch nach außen hin trug sie eine bedauernde Miene zur Schau.
»Na gut!«, seufzte sie ergeben und legte den Füllhalter zur Seite. »Dann bis morgen!« Sie griff nach Mantel und Aktentasche und ging an Andrea vorbei aus dem Büro.
Auf dem Weg zum Wagen traf sie Fee, die sich auch auf den Nachhauseweg machen wollte. Die beiden Frauen tauschten einen verschwörerischen Blick, ehe sie Seite an Seite weitergingen.
»Du hast mir den Feierabend gerettet«, bedankte sich Jenny. »Wenn ich noch eine Verabredung absagen muss, steigt mir Roman aufs Dach.«
»Aber er ist doch selbst im Augenblick gut beschäftigt.« Fee dachte an die kleine Bäckerei, die die Freundin ihres ältesten Sohnes führte.
Roman Kürschner hatte sich bereit erklärt, das Geschäft mit dem angeschlossenen Café nach gemeinsamen Plänen umzugestalten und ein kleines Paradies daraus zu machen.
»Das schon«, stimmte Jenny ihrer Freundin bekümmert zu. »Aber erstaunlicherweise bringt er es immer fertig, sich die Termine mit mir freizuhalten. Irgendwas scheine ich falsch zu machen.«
»Vielleicht sind dir eure Verabredungen nicht so wichtig wie ihm«, entfuhr es Felicitas spontan.
Fast sofort bereute sie ihre Gedankenlosigkeit.
»Was soll denn das schon wieder heißen? Im Gegensatz zu mir hat Roman viel mit Papier zu tun, und das ist ja bekanntermaßen geduldig.« Jennys Stimme war erstaunlich schroff, und Fee zuckte erschrocken zusammen. »Zumindest geduldiger als Patienten.«
Felicitas wusste, dass sie zu weit gegangen war. Jenny war eine mehr als engagierte Ärztin, die sich für ihre Patienten aufopferte, und auf keinen Fall wollte sie ihre Freundin verletzen.
»Tut mir leid. Ich wollte dir nicht zu nahe treten.«
Doch Jennys Gedanken waren längst weiter geeilt. Sie schüttelte den Kopf.
»Es liegt an Andrea. Sie kann einfach nicht ›Nein‹ sagen, wenn jemand ein Anliegen an mich hat, und stopft meinen Terminkalender dermaßen voll, dass ich nicht mehr weiß, wo links und recht ist.« Es war einfach, die Schuld komplett auf ihre Assistentin zu schieben. Jenny wusste das und schämte sich ein bisschen.
Inzwischen waren die beiden Frauen an Fees Wagen angelangt und blieben stehen.
»Warum sprichst du nicht mit ihr darüber?«, erkundigte sich die Ärztin, während sie in ihrer Handtasche nach dem Autoschlüssel suchte.
»Das nützt doch eh nichts«, tat Jenny entschieden ihre Meinung kund.
Doch Fee war anderer Ansicht und machte trotz der vorangegangenen Ablehnung keinen Hehl aus ihrer Ansicht.
»Könnte es auch sein, dass du einfach den Konflikt scheust?«, fragte sie und ließ die Schlösser des Wagens aufschnappen.
Um nicht wieder ausfallend zu werden, lachte die Klinikchefin unfroh.
»Du bist mit Sicherheit die Erste, die das von mir behauptet. Aber sag, wie machen Daniel und Danny das mit ihren Assistentinnen?«
Felicitas stellte die Aktentasche auf den Rücksitz und schlug die Wagentür zu.
»Hin und wieder setzen sie sich gemütlich zusammen, essen was Schönes und trinken ein Glas. Bei diesen Gelegenheiten werden solche Dinge geklärt. Im entspannten Rahmen geht das alles«, wusste sie aus dem weitgehend harmonischen Praxisalltag zu berichten.