DAS VERMÄCHTNIS (JET 5). Russell Blake
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Ari ignorierte die Sticheleien, denn es war nicht sein Job, sich mit der Crew anzulegen. Diese Seefahrten waren immer sterbenslangweilig, und er hatte schon Hunderte von ihnen absolviert, auf denen nie etwas passiert war. Eigentlich schon fast enttäuschend, nach den großen Reden, die die Firma bei seinem Bewerbungsgespräch geschwungen hatte. Er hatte sich exotische Häfen und Kämpfe gegen Piraten auf offenem Meer vorgestellt, doch in Wirklichkeit gab es nur Dieseldämpfe und Seekrankheit.
Er schaute Barry, seinen Partner an und verzog das Gesicht.
»Klingt nicht besonders aufregend. Willst du wach bleiben und dir das mal anschauen? Ich lege mich dann wieder hin. Bei dem Schneckentempo, das die draufhaben, kann ich auch Eis beim Schmelzen zugucken.«
»Klar, mach das. Die Situation ist definitiv nicht so aufregend, dass wir beide ein Auge darauf haben müssen.«
Ari nickte und schlurfte zurück zu dem schmalen Treppenaufgang, der auf das Hauptdeck führte, wobei er sorgsam darauf achtete, dass die Mündung seiner Waffe immer nach unten zeigte. Das Ganze war nur wieder ein falscher Alarm, wie so oft. Jedes Mal, wenn irgendetwas auf dem Radar auftauchte, das nicht auch ein Tanker war, gab es sofort einen Alarm. Doch nach knapp zwei Jahren hatte er sich daran gewöhnt. Eigentlich war es auch gar nicht so schlimm. Die Angriffe, von denen er gehört hatte, hatten eigentlich alle damit geendet, dass die Piraten in dem Moment, als zurückgeschossen wurde, sofort abdrehten und das Weite suchten. Im Grunde waren das doch auch nichts anderes als extrem arme Hunde, die aus purer Not einem kriminellen Geschäft nachgingen. Deshalb war die Anwesenheit von ihm und Barry ja auch so wertvoll. Ein paar Salven vor den Bug von irgendwelchen Piratenkähnen und die suchten sich sofort ein anderes Opfer. Zumindest wurde es ihm so immer wieder erzählt, und er sah keinen Grund, die Geschichten infrage zu stellen.
Auf der Brücke legte Barry jetzt sein Gewehr beiseite und ging, in Erwartung von zwei höchst langweiligen Stunden, in denen er wohl nur auf einen Bildschirm starren und darum kämpfen würde, nicht einzuschlafen, zur Kaffeemaschine.
***
Die Jiang Li, ein dreißig Jahre alter chinesischer Fischtrawler mit Stahlhülle war vor drei Wochen entführt worden. Die Crew hielt man als Geisel, während die Piraten die undichte Schaluppe als Mutterschiff benutzten. Zwei schnelle Motorboote waren am Heck vertäut, und die ursprünglichen fünfzehn Besatzungsmitglieder machten sich inzwischen keine Illusionen mehr um ihr Schicksal. Man zahlte ihnen nicht genug, um sich mit den Piraten anzulegen, und ebenso unwahrscheinlich war es, dass ihr Arbeitgeber ein Lösegeld für sie zahlen würde. Also blieb ihnen nichts anderes übrig, als einen Tag nach dem anderen zuzusehen, wie die einundzwanzig somalischen Piraten sie an Deck in Schach hielten, wo man sie gegebenenfalls als menschliche Schilde nutzen konnte, falls Kriegsschiffe auftauchen sollten, obwohl das bislang noch nicht der Fall gewesen war. Eine multinationale Eingreiftruppe hatte zwar einige Patrouillen in diese Gegend entsandt, doch der Ozean war groß. Allein das Gebiet, in dem die Piraten unterwegs waren, war größer als ganz Europa. Dadurch würden etwaige Erfolge ihrer Bemühungen nichts weiter als reiner Zufall sein.
Zwei Männer, deren Hautfarbe dunkel wie Ebenholz war, machten sich jetzt an der Vertäuung zu schaffen, dann ließen sie die Beiboote zu Wasser. Nur Minuten später waren achtzehn Bewaffnete an Bord. Ihr Ziel war die Salome, ein mittelgroßer Frachter, der auf dem Weg in den Mittleren Osten war. Ein Komplize, der in Mogadischu Zugriff zum Internet hatte, hatte ihnen einen Tipp gegeben und der Anführer der Piraten hatte daraufhin beschlossen, dass das Schiff ein geeignetes Ziel war.
Die Salome gehörte einer prominenten israelischen Firma, die in den meisten europäischen Häfen Büros unterhielt, was sie zu einem exzellenten Adressaten für Lösegeldforderungen machte. Die Fracht allein war schon mehrere Millionen wert, vielleicht sogar über zehn, sodass man garantiert eine niedrige siebenstellige Summe erwarten konnte. Das würde einen stattlichen Lohn ergeben, auch noch, nachdem die Hintermänner bezahlt worden waren. Inzwischen konnte man die Piraterie schon fast als boomende Branche bezeichnen, und deshalb hatten Informationen mittlerweile auch ihren Preis. Jetzt erwachten die kraftvollen Außenbordmotoren röhrend zum Leben und wenige Minuten später durchschnitten die Boote die Wellen, auf direktem Abfangkurs zur Salome, die nichts von der Bedrohung, die sich ihr von Süden her näherte, ahnte.
***
»Verdammt! Zwei Fremdkörper haben sich von dem Fischkutter abgekoppelt und halten jetzt direkt auf uns zu«, sagte der Wachmann, wobei sein Blick den Lichtpunkten auf dem Radarschirm folgte.
»Wie schnell?«, fragte Barry, der hastig aufstand und dabei bemerkte, wie sich sein Herzschlag angesichts des drohenden Angriffs beschleunigte. Der Himmel begann gerade erst, von zarten roten und orangefarbenen Bändern erhellt zu werden, während die Sonne sich über den Horizont kämpfte. Normalerweise würde es ein weiterer, wunderschöner Sonnenaufgang auf See werden, doch die näherkommenden Schnellboote stellten ihn in den Schatten.
»Ziemlich schnell. Mindestens fünfundzwanzig Knoten. Sie bewegen sich im rechten Winkel auf unsere Position zu, also werden sie uns in ein paar Minuten erreicht haben. Das Fischerboot ist auch nur noch wenige Meilen entfernt; den Rest können Sie sich also selbst ausrechnen.«
»Jemand muss Ari aufwecken. Ich gehe derweil runter aufs Deck, um eine gute Schussposition einzunehmen. Ich werde nicht warten, bis sie in Reichweite sind. Ab sechshundert Metern Entfernung fange ich an, zu schießen. Das sollte reichen, um sie in die Flucht zu schlagen«, erklärte Barry, während er sich sein Gewehr schnappte.
»Alles klar, ich kümmere mich um Ari«, sagte der Maat, als er sich aus seinem Drehstuhl erhob und ihm folgte. »Ich wecke besser auch mal den Captain.«
Sobald sie die Treppe erreicht hatten, räusperte sich der Maat. »Warum schießen Sie denn nicht von hier oben aus? Ist das nicht die bessere Position? Ich meine, vom höchstmöglichen Punkt aus?«
»Es geht mir dabei um die Flexibilität. Ich möchte in der Lage sein, sowohl beide Seiten des Schiffes als auch Bug und Heck abdecken zu können, und das kann ich von hier oben nicht machen. Außerdem gibt es hier viel weniger Deckung.« Er blieb abrupt stehen, wobei sein Fuß in der Luft über der nächsten Stufe schwebte. »Tun Sie mir den Gefallen und holen Sie Ari. Sagen Sie ihm auch, er soll noch mehr Munition und unsere Pistolen mitbringen«, befahl Barry harsch, um den Maat in die Schranken zu weisen. Jetzt, wo der erste ernsthafte Piratenangriff bevorstand, wollte er bestimmt keine Fragerunde abhalten.
Ein salziger Wind peitschte Barry über das Gesicht, als er das Deck erreichte. Er schaute sich eine Weile um, bis er den besten Punkt gefunden hatte, um sich flach hinlegen und schießen zu können. Er musste zusehen, dass er ein möglichst kleines Ziel abgab, so wie er es einst gelernt hatte. Sein Kriegsdienst war zwar schon sieben Jahre her, und natürlich war ein Einsatz auf dem Wasser etwas vollkommen anderes als ein Kampf in der Wüste, doch die Grundlagen blieben die gleichen. Ein Gewehr war ein Gewehr, auch wenn es sich auf einem schwimmenden Stahlkoloss befand, und es kam darauf an, immer die Oberhand zu behalten. Ganz egal, in was für einer Umgebung man sich befand.
Drei Minuten später war Ari an seiner Seite und reichte ihm mit aufgeregtem Gesichtsausdruck zwei volle Magazine und eine Pistole. Barry hob das neopren-ummantelte Fernglas und deutete wenig später in die Ferne. »Da sind sie! Ich kann sie gerade so erkennen. Es sind definitiv Piraten und das Boot ist voll mit Gewehren. Ferngläser haben sie auch. Scheiße, jetzt teilen sie sich auf! Wahrscheinlich wollen sie von beiden Seiten gleichzeitig angreifen. Die sind nicht dumm, das muss man ihnen lassen. Die werden wohl eher vom Heck her kommen, das ist momentan nämlich die angesagte Methode. Wie weit sind sie noch weg?«, fragte Barry.
»Etwa neunhundert Meter. Ich würde noch eine Minute warten und ihnen dann ein paar