Der Kettenträger. James Fenimore Cooper

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Der Kettenträger - James Fenimore Cooper

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Anfang gemacht. Ich weiß kaum, was ich aus Deiner Freundin machen soll, Kind; entweder ist sie die Vollendung von Natur und Einfachheit, oder die Vollendung von Kunst und Verstellung.«

      »Von Kunst! Priscilla Bayard sich verstellen! Mordaunt, nie habt Ihr einem menschlichen Wesen ärgeres Unrecht gethan; ein Kind kann nicht wahrhafter und aufrichtiger seyn als Toms Schwester!«

      »Ja, das ist es gerade; Tom's Schwester ist ex officio vollkommen; aber Du wirst Dich erinnern, daß auch manche Kinder sehr gewandt sind, sich zu verstellen. Alles, was ich für jetzt über die Sache sagen kann, ist, daß mir Tom gefällt und seine Eltern mir gefallen; aber was ich von Deiner Freundin halten soll, weiß ich noch nicht.«

      Kate war etwas beleidigt, denn sie gab mir keine Antwort. Ihre gute Laune stellte sich jedoch wieder binnen Kurzem ein, und unser übriger Ritt war ganz angenehm und vergnügt, indem der Name Bayard gar nicht mehr erwähnt wurde, obwohl, bin ich überzeugt, meine Begleiterin gar viel an einen gewissen Tom dieses Namens dachte, so wie ich allerdings auch an seine schöne und unerklärliche Schwester.

      Beim Gasthause zu Kingsbridge hatten wir wieder eine kurze Unterredung mit der unermüdlichen Schwätzerin, der Wirthin.

      »Eine recht vergnügte Zeit ist es drüben auf dem Toe gewesen, ganz gewiß!« rief Mrs. Light, sobald sie den Kopf zur Thüre herausgestreckt; »eine recht angenehme und unterhaltende Zeit für den jungen Gentleman sowohl als für die junge Lady. Mr. Thomas Bayard und Miß Pris Bayard sind Tage lang bei Euch gewesen, und die alte Madame Littlepage ist entzückt. Oh! der 'Toe ist immer ein glücklicher Ort gewesen, und glückliche Gesichter bin ich schon lange gewohnt dorther kommen zu sehen, und glückliche Gesichter sehe ich auch heute! Ja, ja, der 'Toe hat immer glückliche, zufriedene Gesichter die Straße daher gesandt; und ein glückliches Dach ist es jetzt schon hundert Jahre in alle Wege.«

      Ich darf wohl sagen, das Alles war ganz wahr. Ich habe immer gehört, das alte Haus habe zufriedene Herzen beherbergt, und zufriedene Herzen machen glückliche, vergnügte Gesichter. Kate'ns Gesicht war das Glück selbst, wie sie im Sattel sitzend der Alten zuhörte; und mein Gesicht verrieth auch nichts von Mißmuth und übler Stimmung. Der »Toe war immer ein glückliches Haus!« Es erinnert einen an alte Zeiten, wenn man von einem Hause so vertraulich sprechen hört; denn es kommt unter uns eine Klasse von Leuten auf, welche viel zu fein und vornehm ist, als daß sie zugäbe, es habe Jemand, Mann, Weib, Kind oder der Satan ein so wenig anständiges Glied wie eine Zehe (Toe)!

      Sechstes Kapitel.

      Ihr Land sie lieben, weil's ihr Land ist, schon;

       Zu stolz, noch andre Gründe anzugeben;

       Schütteln die Hand dem König auf dem Thron;

       An ihm ist es, nach solcher Ehr' zu streben!

       Ein streng Geschlecht, dem fremd des Schmeichlers Ton

       Und Menschenfurcht, im Tode wie im Leben, –

       So Alle, bis auf wenige Apostaten

       Von Krämern, Wechslern, Mäklern, Plutokraten.

      Halleck.

      Ein paar Tage nach meiner Rückkehr nach Lilaksbush fand eine jener Familienscenen statt, welche so gewöhnlich sind in dem freundlichen milden Juniusmonat an den Ufern des herrlichen alten Hudson. Ich nenne den Fluß den alten Hudson, denn er ist gerade so alt wie die Tiber, obgleich die Welt nicht so viel und nicht so lange von ihm gesprochen hat. In tausend Jahren wird dieser Strom auf der ganzen Welt bekannt seyn, – und die Menschen werden davon sprechen wie jetzt von der Donau und vom Rhein. So guter Wein mag an seinen Ufern nicht wachsen, als er auf den Höhen des letztern Flusses wächst; aber schon heutzutage wird ein besserer, sowohl was Qualität als Mannigfaltigkeit betrifft, dort wirklich getrunken. Hierüber sind alle Reisenden von Sachkenntniß einverstanden. Auf dem Rasenplatze von Lilaksbush steht eine stattliche Linde, nicht weit entfernt vom Hause und ebenso nicht weit vom Wasser. Der Baum war vom Vater meines Großvaters Mordaunt gepflanzt worden, welchem das Gut einst gehört hatte, und er hatte eine vortreffliche Lage, darunter einen müssigen Sommernachmittag hinzubringen. Unter seinem Schatten tranken wir oft den Wein zum Nachtisch während der warmen Monate, und dahin pflegten auch General Littlepage und Oberst Dirck Follock sich mit ihren Pfeifen zu begeben, und unter Besprechung eines Feldzugs oder einer Schlacht zu rauchen, wie eben der Zufall das Gespräch lenkte. Und kein Schlachtfeld war je so in Rauch gehüllt gewesen, als dies der Fall gewesen wäre mit der in Rede stehenden Linde, wenn all der Dampf, welcher um sie aufwirbelte, in eine Masse hätte zusammengedrängt werden können.

      Am Nachmittag des erwähnten Tages saß die ganze Familie unter dem Baume zerstreut, je nachdem Neigung und Schatten Jedes seinen Platz wählen ließ, obgleich ein kleiner Tisch mit Früchten und Wein beladen, zeigte, daß man die gewöhnliche Beschäftigung dieser Stunde nicht vergessen hatte; die Weine waren Madeira und Claret, das gewöhnliche Getränke des Landes, und die Früchte waren Stachelbeeren, Kirschen. Orangen und Feigen – die zwei letzteren Gattungen natürlich eingeführt. Es war etwas zu frühe, um Ananasse von den Inseln zu haben, eine Frucht, die zu einer bestimmten Jahreszeit so gewöhnlich ist, daß man in der Stadt ganz leicht je vier recht ansehnlich große um einen Dollar kauft. Aber der Ueberfluß, ja der Luxus besserer Art des gewöhnlichen amerikanischen Tisches ist nichts Neues; Fleischspeisen, Liqueure und Früchte erscheinen darauf, wie man sie in Europa nur auf den Tischen sehr luxuriöser Reichen findet. Wenn die Art des Servirens ebenso geschmackvoll, die Art des Kochens so gut wäre bei uns, wie beides in Frankreich zum Beispiel ist, so würde Amerika das wahre Paradies des Epikuräers seyn, mögen oberflächliche Reisende so viel sie wollen das Gegentheil behaupten. Ich bin in den neuesten Zeiten in anderen Ländern gewesen und spreche aus Erfahrung.

      Niemand saß förmlich am Tische, obgleich mein Vater, Oberst Dirck und ich demselben nahe genug waren, um nöthigen Falles unsere Gläser mit der Hand zu erreichen. Meine Mutter saß mir zunächst und hielt sich aus triftigen Gründen in meiner Nähe, denn ich rauchte nicht; und Tante Mary und Kate hatten gerade außerhalb der Sphäre des Tabaksqualms Posto gefaßt. Am Ufer lag ein großes Boot, worin ein paar ziemlich umfangreiche Koffer und eine Art Kleidersack sich befanden. In den ersteren war ein Theil meiner Kleider, während die Jaaps den Sack füllten. Der Neger selbst lag auf dem Gras ausgestreckt, etwa in der Mitte zwischen dem Baum und dem Ufer, und zwei oder drei Enkel von ihm wälzten sich zu seinen Füßen, um ihn herum. In dem Schiffe saß sein Sohn, bereit die Ruderschaufeln in Bewegung zu setzen, sobald der Befehl gegeben würde.

      Alle diese Anstalten deuteten auf meine bevorstehende Abreise nach dem Norden hin. Der Wind wehte von Süden, und Schaluppen von verschiedenen Graden der Güte und Schnelligkeit kamen um die Landspitzen herum und näherten sich, eine im Kielwasser der andern, so wie sie im Stande gewesen die Werften zu verlassen, um den günstigen Wind zu benützen. Zu jener Zeit besaß der Fluß noch nicht den zehnten Theil der Schiffe die er jetzt zählt, aber doch schon genug, um eine kleine Flotte zu bilden in solcher Nähe von der Stadt und in einem Augenblick, wo Wind und Fluth günstig waren. Zu jener Zeit gehörten die meisten Schiffe auf dem Hudson den Anwohnern des obern Flusses, und die Schiffsleute hatten ganz die Art und den Geschmack unserer holländischen Ahnen. Ausgezeichnete Seeleute vor frischem Wind, wußten sie mit widrigen Winden gar wenig anzufangen, und brauchten gewöhnlich acht bis vierzehn Tage, um von Albany herunter zu kommen, wenn der Wind irgend südlich wehte. Dennoch dachten wenige Personen daran, die Reise zwischen den zwei größten Städten des Staates (York und Albany) zu machen, ohne sich einer dieser Schaluppen zu bedienen. Ich erwartete in diesem Augenblick das Erscheinen eines gewissen Adlers, von Albany,

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