Evas Geschichte. Eva Schloss
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Für Papi verschlimmerte sich die Situation, weil Nachbarn von Frau de Bruin holländische Nazis waren. Sie warnte Papi vor diesen Leuten und versicherte ihm, dass sie nur Umgang mit ihnen pflegte, um keinerlei Verdacht zu erregen. Die Lage spitzte sich zu, als die Nazis Frau de Bruin baten, in ihrem Haus übernachten zu dürfen, bis die Maler mit ihrem eigenen Schlafzimmer fertig waren. Wie sollte sie den beiden diese Bitte abschlagen?
Vollkommen außer sich kam sie daher eines Tages hinauf und bestand darauf, dass Papi und Heinz die ganze Zeit, in der dieser Besuch sich im Hause aufhielt, auf ihren Betten blieben. Sie brachte ausreichend Brot und Milch, stellte einen Nachttopf unters Bett und bat sie, keinen Laut von sich zu geben. Der Besuch blieb zum Glück nur zwei Tage, aber die ganze Situation setzte Papi mehr und mehr zu. Der Gedanke, vollkommen vom Wohlwollen und vom Mut Frau de Bruins abzuhängen, war ihm schier unerträglich.
2. Februar 1943:
Stalingrad: Die 6. Armee der Deutschen unter General Oberst Paulus kapituliert
Sehr lange hatte es so ausgesehen, als ob die Deutschen in Russland siegen würden, aber der Wendepunkt kam mit dem russischen Winter. Mit Papi hörten wir in den Nachrichten der BBC, dass einundneunzigtausend Deutsche gefangen genommen worden waren. Papi meinte, das Ende sei jetzt zumindest in Sicht.
Dennoch führten die Niederlagen der Deutschen in Afrika und Russland zunächst dazu, dass diese die Juden umso entschlossener verfolgten. Es wurden Belohnungen für den Verrat von Juden an die Gestapo ausgesetzt, und Papi war klar, dass Heinz und er in großer Gefahr schwebten, da es immer gefährlicher wurde, Juden versteckt zu halten.
Seine Angst wuchs, als Frau de Bruin zunehmend feindseliger wurde, ihnen immer weniger zu essen gab und hin und wieder beleidigende Bemerkungen machte. Zudem verlangte sie immer mehr Geld dafür, dass sie Papi und Heinz versteckt hielt, und unsere Reserven gingen langsam, aber sicher zur Neige. Diese belastende Situation dauerte ungefähr achtzehn Monate. Papi hielt es kaum noch aus. Er bat Mutti immer wieder, ein neues Versteck für ihn und Heinz zu suchen.
Mutti und ich befanden uns auch in einer heiklen Lage. Als wir nach einem unserer Wochenenden zurück nach Amsterdam kamen, trafen wir auf eine völlig verängstigte Frau Klompe. Die Gestapo hatte während unserer Abwesenheit noch mal ihr Haus durchsucht und ihr gedroht, sie festzunehmen, falls sie jüdischem Geschmeiß Unterschlupf gewährte.
»Euch beide zu verstecken wird mir zu gefährlich«, sagte sie und sah uns entschuldigend an. Aber ihr Entschluss stand fest: Wir mussten gehen.
Natürlich verstanden wir sie, aber wir mussten auf Hilfe der Untergrundbewegung warten, ehe wir »umziehen« konnten. Das Verhältnis zwischen uns und Frau Klompe hatte sich gründlich verändert, es war unterkühlt und gespannt.
Endlich brachte man uns zu Leuten, die wir schon von früher kannten.
Herr Reitsma, ein weiterer tapferer Friese, verheiratet mit einer sehr begabten jüdischen Künstlerin, gewährte uns Unterschlupf. Die beiden waren um die fünfzig, und ihr Sohn, Floris, wohnte bei ihnen. Sie waren alle überaus freundlich, und wir fühlten uns willkommen. Frau Reitsma war geschäftlich den ganzen Tag unterwegs und sehr froh, dass Mutti ihr das Kochen abnahm.
Lebensmittel waren mittlerweile äußerst knapp in Holland. Mutti beschloss daher, ein paar Sachen aus unserem geheimen Lager zu holen. Das war sehr riskant. Sie erklärte mir, dass es unnötig sei, uns beide in Gefahr zu bringen, und ging allein. Zitternd vor Aufregung wartete ich auf ihre Rückkehr. Schließlich kam sie mit ein paar Büchsen, Mehl, Reis, Zucker und Kakao zurück, und wir freuten uns schon auf das Freudenmahl. Aber obwohl die Lebensmittel nicht verdorben waren, schmeckte alles nach Mottenkugeln. Trotzdem waren wir alle froh, ausreichend zu essen zu haben. Mutti sparte für Papi und Heinz etwas auf, das wir ihnen bei unserem nächsten Besuch mitbrachten.
Ich erkannte Papi kaum wieder. Er war vollkommen mutlos und bat Mutti wiederholt, doch ein neues Versteck für ihn und Heinz zu finden.
Mutti sah ein, dass das Leben für ihn in diesem Haus unerträglich geworden war. Kaum hatten wir das Haus betreten, zog Frau de Bruin Mutti beiseite und bemerkte spitz: »Ihr Pelzmantel ist sehr hübsch. Eigentlich brauchen Sie ihn doch gar nicht, da Sie nur ein- oder zweimal im Monat auf die Straße gehen. Ich dagegen muss jeden Tag für Ihren Mann und Ihren Sohn einkaufen. Also schlage ich vor, Sie überlassen ihn mir.«
Das war mehr ein Befehl als eine Frage und Mutti gab ihr den Mantel. Schließlich waren wir in ihrer Hand. Wir wussten, dass es nicht einfach werden würde, für Papi und Heinz ein neues Versteck ausfindig zu machen. Als wir nach Amsterdam zurückgekehrt waren, erzählten wir Herrn Broeksma von der Misere. Er schien nicht sonderlich überrascht.
»Da kann ich leider nicht viel tun«, bedauerte er. »Im Übrigen ist es durchaus keine Seltenheit. Sehr viele Juden werden heutzutage auf diese Weise erpresst, und es kommt oft vor, dass sie gegen Geld an die Gestapo ausgeliefert werden.«
Mutti wurde kreidebleich, als sie das hörte, aber sie war entschlossen, Papis Leid zu lindern. Ohne jemandem etwas davon zu sagen, ging Mutti zu einer Freundin von früher, einer Holländerin namens Doortje, um sie um Rat zu fragen. Zufällig wohnte in der Wohnung ein Stockwerk tiefer eine Krankenschwester, von der Doortje wusste, dass sie Mitglied einer Untergrundorganisation war. Doortje versprach, mit dieser Organisation Kontakt aufzunehmen, und es dauerte nicht lange, bis wir Nachricht erhielten. Sie hatten in Amsterdam ein Versteck für die beiden gefunden, das zudem nicht weit von unserem entfernt lag.
Uns war klar, dass Frau de Bruin auf die Quelle ihres Einkommens nicht so einfach würde verzichten wollen. Papi und Heinz nahmen sich also vor, das Haus bei Nacht zu verlassen. Sie schlichen sich in der Dunkelheit davon, nahmen den ersten Frühzug in die Stadt, wo sie am Bahnhof von der Krankenschwester erwartet wurden, die sie eilig zu der neuen Zufluchtsstätte brachte.
Alles war planmäßig verlaufen. Als wir Papi und Heinz tags darauf besuchten, atmeten wir auf. Die beiden waren in einem geräumigen alten Haus mit riesigen Zimmern untergebracht. Das Ehepaar, dem dieses Anwesen gehörte, begegnete uns besonders freundlich und liebenswürdig. Uns fiel ein Stein vom Herzen. Beruhigt kehrten Mutti und ich an diesem Abend zu den Reitsmas zurück.
4. Gefangennahme
11. Mai 1944
Es war mein fünfzehnter Geburtstag, der dieses Jahr auf einen Dienstag fiel. Ich wachte sehr früh auf. Draußen zwitscherten die Vögel und die Sonne schien in das behagliche kleine Zimmer. Die Hände unter meinem Kopf verschränkt lag ich da, betrachtete die Bäume vor meinem Fenster und freute mich des Lebens. Die Gewissheit, dass Papi und Heinz in Sicherheit und ganz in der Nähe waren, trug wesentlich zu meinem Glücksgefühl bei. Wir hatten sie zwar erst vergangenen Sonntag besucht, aber ich hoffte doch, dass ich sie heute an meinem Geburtstag wiedersehen würde.
Um halb neun saßen wir mit den Reitsmas in deren Speisezimmer beim Geburtstagsfrühstück. Frau Reitsma hatte eine Vase mit Hyazinthen und Tulpen in die Mitte des Tisches gestellt, und Floris, ihr zwanzigjähriger Sohn, überreichte mir feierlich ein kleines Päckchen. »Lass dich überraschen«, sagte er, »und mach es erst nach dem Frühstück auf.«
Wie charmant er ist, dachte ich und wurde rot. Vorsichtig legte ich das Päckchen vor mir auf den Frühstückstisch. Auf dem Geschenkpapier leuchteten zarte, pinkfarbene Röschen, die Frau Reitsma selbst gemalt hatte. Ich war überwältigt und konnte es kaum erwarten, das Geschenk endlich auszupacken.
Plötzlich klingelte es an der Haustür. Erschrocken fuhren wir hoch. Wir erwarteten niemanden. Wer