Was uns geblieben ist. Georg Markus
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Das ist natürlich noch immer kein Beweis für John F. Kennedys Vaterschaft, aber ein weiteres Indiz dafür, dass Lisa Lanett jedenfalls keine Märchenerzählerin ist.
Bei unserer zweiten Begegnung, diesmal in der Wohnung ihrer Freundin Verena Fischer, ging Mrs. Lanett auf ihre Verbindung zum österreichischen Kaiserhaus ein. »Meine Großmutter Marie Schleinzer war eine berühmte Tänzerin«, setzte Lisa die Erzählung aus ihrem Leben fort. »Eines Abends bemerkte sie nach der Vorstellung, dass ihr ein eleganter Herr von der Oper bis zur Straßenbahnstation gefolgt war. Er stieg in denselben Tramwaywagen ein und sprach sie an. Der Mann hatte sie während der Aufführung im Opernhaus beobachtet und an ihr Gefallen gefunden.«
Der elegante Herr war Erzherzog Otto, eine der schillerndsten Figuren des österreichischen Kaiserhauses:
•Er war der Neffe Kaiser Franz Josephs,
•der jüngere Bruder des 1914 in Sarajewo ermordeten Thronfolgers Franz Ferdinand,
•der Vater des späteren Kaisers Karl und
•der Großvater Otto von Habsburgs.
Die Beziehung zwischen Erzherzog Otto und Marie Schleinzer dauerte von 1891 bis zu seinem Tod im Jahre 1906. Damit erlebte die Tänzerin an seiner Seite die wohl aufregendsten Jahre im Leben des Habsburgers, da dieser 1896 – sieben Jahre nach dem Tod Kronprinz Rudolfs und unmittelbar nach dem Tod seines Vaters Karl Ludwig – an die zweite Stelle der Thronfolge rückte. Besonders dramatisch wurde die Situation, als sein älterer Bruder Franz Ferdinand an einer lebensbedrohlichen Tuberkulose erkrankte und man Otto schon als künftigen Kaiser sah, was in der Monarchie angesichts seines ausschweifenden Lebenswandels für gehörige Unruhe sorgte.
»Aus der Beziehung meiner Großmutter mit dem Erzherzog gingen mein Vater und dessen Schwester Hildegard hervor, die vom Erzherzog beide offiziell als seine Kinder anerkannt wurden.«
Marie Schleinzer war eine von vielen Affären des Erzherzogs, eine weitere hatte er mit der Schauspielerin Louise Robinson. Und verheiratet war er natürlich auch – und zwar mit der sächsischen Königstochter Maria Josepha, die er ständig mit seinen außerehelichen Skandalen brüskierte. Zur berühmtesten Eskapade kam es in einem Séparée des Hotel Sacher, das er fluchtartig verließ, als ihn ein eifersüchtiger Ehemann in den Armen seiner Frau ertappte. Das Pikante an der Szene war, dass Otto beim Verlassen des Hotels nur mit einem Säbel »bekleidet«, ansonsten aber splitternackt gewesen ist. Der »Auftritt« des Erzherzogs machte noch am selben Abend in Wien die Runde.
Offiziell wohnte Otto mit seiner Frau und seinen beiden ehelichen Söhnen – unter ihnen der spätere Kaiser Karl – im Augartenpalais, tatsächlich aber mit Marie Schleinzer und den unehelichen Kindern Alfred und Hildegard in einer Villa in der Anton-Frank-Gasse in Wien-Währing.
Marie Schleinzer hat im Übrigen den Beweis erbracht, dass sie mehr als eine Mätresse war: Sie pflegte den Erzherzog in seinen letzten Lebensjahren aufopfernd, ehe er im November 1906 qualvoll an den Folgen seiner Syphiliserkrankung zugrunde ging.
Dabei hatte die Tänzerin noch zu Ottos Lebzeiten den angesehenen, in Abbazia ordinierenden Kurarzt Julius Hortenau geheiratet, der später von Kaiser Franz Joseph in den erblichen Adelsstand erhoben wurde. Derartige »Vorgänge« waren durchaus üblich, um den Konkubinen des Kaiserhauses und ihren Nachkommen eine gutbürgerliche Existenz zu ermöglichen. Den Namen »von Hortenau« nahmen dann auch Ottos und Marie Schleinzers Kinder an.
Stammbaum (Auszug)
Lisa Lanett hat ihre Großmutter Marie Schleinzer noch in guter Erinnerung, »schon weil ich nach der Scheidung meiner Eltern bei ihr aufwuchs. Sie kannte Gott und die Welt, und als ich zwölf war, besuchten wir gemeinsam ihre Freundin Katharina Schratt in deren Villa in der Gloriettegasse, wo sie uns eine Jause mit Guglhupf servierte, genau wie früher dem Kaiser, wie sie uns sagte.«
Lisas Vater Alfred von Hortenau »führte ein ähnlich unstetes Leben wie sein Vater, Erzherzog Otto. Er hat sein ganzes Geld auf dem Spieltisch verloren und soll sogar mein Gitterbett verspielt haben. Wie der Erzherzog hatte auch er zahllose Affären. Die Ehe meiner Eltern wurde geschieden, als ich zwei Jahre alt war, danach war er zwei weitere Male verheiratet.«
Kaum hatte ich Lisa Lanetts Aussage, dass John F. Kennedy der Vater ihres Sohnes war, in meiner Kolumne im Kurier am 22. März 2009 veröffentlicht, berichteten Medien aus aller Herren Länder darüber: amerikanische Blätter und Fernsehstationen ebenso wie die Süddeutsche Zeitung, der Daily Telegraph, The Sun, Le Soir, La Repubblica und Le Figaro, ja sogar eine chinesische Zeitung vermeldete das Auftauchen von »John F. Kennedy’s Austrian Son«. Während der Name Lisa Lanett vor Erscheinen meines Artikels in der Internet-Suchmaschine Google kein einziges Mal aufschien, findet er sich danach in rund 40 000 Einträgen.
Jetzt einmal abgesehen von ihren Verbindungen zu den Häusern Kennedy und Habsburg, hat Lisa Lanett auch sonst ein spannendes Leben hinter sich. Der erste ihrer sechs Ehemänner war Mexikaner, der letzte hieß Joe Lanett und fand ein tragisches Ende: »Er wurde am 4. März 1974 in einer Bar in der kalifornischen Stadt Sacramento erschossen. Er saß dort zufällig als Gast, als eine Schießerei losging, mit der er absolut nichts zu tun hatte.«
In Mexiko hat Lisa Lanett als Schauspielerin unter dem Namen Isabel del Puerto zwölf Spielfilme gedreht, ohne eine große Karriere zu schaffen. Und doch: Ihre betörende Schönheit und ihr Sexappeal waren wohl der Grund, dass der Frauenheld Kennedy bei ihr Feuer fing. Er hatte ein Faible für Schauspielerinnen und solche, die es werden wollten – wobei die anderen wesentlich berühmter waren als Lisa. Sie hießen Sophia Loren, Zsa Zsa Gabor, Lee Remick, Marilyn Monroe …
Dass Kennedy keine Schauspielerin, sondern Jacqueline Bouvier heiratete, lag wohl auch daran, dass sich in den Fünfzigerjahren sein politischer Höhenflug abzuzeichnen begann und »Jackie« aus einer erstklassigen Familie stammte. »Sie war die ideale Frau für ihn«, sagt Lisa Lanett, »ich wäre als seine Frau ungeeignet gewesen, ich war ein bunter Vogel und hätte ein Leben am Rande der Politik nicht ertragen. Abgesehen davon hätte er nie Präsident werden können, wenn bekannt geworden wäre, dass wir ein uneheliches Kind haben. Daher haben wir unsere Affäre immer privat gehalten. Dass ich mit Ihnen darüber spreche, ergab sich nur, weil ich über meine Beziehungen zur Familie Habsburg reden wollte.«
Einen Nachweis für John F. Kennedys Vaterschaft gibt es bis zum heutigen Tag nicht, zumal kein Mitglied der First Family in den USA bereit ist, sich einem DNA-Test zu stellen.
Eigentlich schade. Käme es bei einer solchen Analyse zu einem positiven Ergebnis, wäre dieses wohl auch mit einer kleinen genealogischen Sensation verbunden.
Dann wären nämlich die Habsburger mit den Kennedys verwandt.
* Paul B. Fay (1918–2009) war ein enger Freund Kennedys und wurde von diesem nach seiner Wahl zum US-Präsidenten als Marine-Staatssekretär in die Regierung geholt.
»AUCH SEIN BETT SOLLTE
RÄDER HABEN«
Vom Entstehen