Was uns geblieben ist. Georg Markus

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Was uns geblieben ist - Georg Markus страница 6

Автор:
Серия:
Издательство:
Was uns geblieben ist - Georg Markus

Скачать книгу

in jenen Tagen als übelriechende Ungeheuer, vor denen die Menschen mehr Angst als Respekt hatten und an deren Zukunft kaum jemand glauben wollte. »Wird aa wieder abkommen«, murrten die Dorfbewohner, wenn so ein stinkendes Gefährt unter enormer Lärm- und Staubentwicklung die Landstraße hinaufzuckelte.

      In Maffersdorf freilich, einem Vorort der sehr früh vom industriellen Zeitalter erfassten Stadt Reichenberg in Böhmen, gab es einen kleinen Buben, der sich nicht satt sehen konnte an den sonst so misstrauisch beobachteten Kraftfahrzeugen. Sie übten eine Faszination auf ihn aus, und er träumte von nichts anderem, als selbst einmal so einen Wagen fahren – oder gar bauen zu können.

      Da er mit vierzehn noch keine Autos chauffieren, geschweige denn konstruieren konnte, tröstete sich Ferdinand Porsche vorerst mit einer anderen technischen Spielerei, der die Menschen damals ähnlich skeptisch gegenüberstanden. Mit der Elektrizität. Und so brachte er auf dem Dachboden seines Elternhauses durch eine Batterie kleine Lämpchen zum Glühen. Mit unheilvollem Ausgang, denn als ihn sein als cholerisch verschriener Vater bei der Herstellung einer solchen Lichtquelle ertappte, zertrampelte er den »Firlefanz«, nannte seinen Sohn einen elenden Nichtsnutz und untersagte ihm jedwedes weitere Experiment.

      Ferdinand Porsche nahm diese Anordnung nicht besonders ernst, er setzte seine Experimente fort – und das für den Rest seines Lebens. Der Grund für die unbarmherzige Reaktion des Vaters Anton Porsche war sein Wunsch, dass der 1875 geborene Ferdinand das Spenglerhandwerk erlernen und später einmal seinen Betrieb übernehmen würde, statt unsinnige Flausen wie Autos und elektrisches Licht im Kopf zu haben, die ohnehin keine Zukunft hätten. Hinter der strengen Forderung des Vaters stand eine Familientragödie: Ferdinands für die Übernahme der Spenglerei ursprünglich vorgesehener älterer Bruder war bei einem Unfall in der familieneigenen Werkstatt ums Leben gekommen, weshalb nun der Zweitgeborene verpflichtet wurde, eine Spenglerlehre zu absolvieren.

      Kaum hatte sein Vater jedoch ein paar Tage außerhalb von Maffersdorf zu tun, wurden sie von Ferdinand genützt, um im ganzen Haus heimlich elektrischen Strom zu installieren. Als er heimkam, verfügten Wohnung und Werkstatt nicht nur über eine Klingel, sondern auch über elektrisches Licht. Das war der Moment, in dem Anton Porsche erkannte, dass der Bub für das »möglicherweise doch« anbrechende technische Zeitalter wie geschaffen – und für den Familienbetrieb verloren war. Und er ließ ihn schweren Herzens aus der Spenglerei ziehen, in der nun sein dritter Sohn Oskar ausgebildet wurde.

      Ferdinand Porsche ging in die Haupt- und Residenzstadt, mietete sich in einem kleinen Zimmer nahe der Matzleinsdorfer Kirche ein und wurde Praktikant der Vereinigten Elektrizitäts-AG, aus der später die Brown Boveri Werke hervorgingen. Béla Egger, der Chef des Unternehmens, zählte zu den technischen Pionieren der Gründerzeit und hatte sich auf die Elektrifizierung von Eisenbahnen, Fabriken sowie die Errichtung von Kraftwerksanlagen spezialisiert. Porsche beschäftigte sich als einer seiner dreihundert Mitarbeiter mit der Entwicklung des Radnabenmotors, einem revolutionären Elektroantriebssystem, nach dessen Prinzip siebzig Jahre später das erste Mondauto bewegt werden sollte.

      Wenn der junge Ferdinand Porsche von seinen Biografen als Workaholic beschrieben wird, der nichts anderes als die Konstruktion von Automobilen im Kopf hatte, dann stimmt das nur bedingt. Denn gerade in der Zeit, als er für Béla Egger tätig war, dachte er sehr wohl auch an sein privates Glück. Eines Tages fiel ihm auf dem großen Werksgelände eine junge Mitarbeiterin namens Aloisia Kaes auf, die 1895 im Alter von siebzehn Jahren als Lager-Buchhalterin bei der Vereinigten Elektrizitäts-AG begonnen hatte.

      Porsche zog es nun nicht nur auffallend oft ins Lager, sondern auch vor Aloisias Elternhaus, um das er seine Runden drehte. Zwei Kolleginnen machten die junge Buchhalterin auf den offensichtlichen Verehrer aufmerksam, der zu schüchtern war, sie anzusprechen. Stattdessen besorgte sich Ferdinand Porsche eine Fotografie, auf der alle weiblichen Mitarbeiter der Vereinigten Elektrizitäts-AG abgebildet waren und ließ daraus das Porträt der von ihm angehimmelten Aloisia vergrößern. Er zeigte es ihr – und sie war beeindruckt, dass der junge Mann sich so viel Mühe gegeben hatte, um mit ihr in Kontakt zu kommen. Der Bann war gebrochen, und in den nun folgenden Monaten konnten die beiden einander näherkommen.

      Aloisia Kaes war die Tochter eines in Wien ansässigen Schneidermeisters, der aus einer böhmischen Weberfamilie stammte, und auch ihre Mutter Margaretha war böhmischer Herkunft. Wie es sich gehörte, brachte Aloisia ihren Galan bald mit nach Hause, um ihn den Eltern vorzustellen. Ferdinand Porsche, der die nicht besonders zukunftsträchtige Position eines Montagetechnikers innehatte, wurde im Hause Kaes skeptisch betrachtet und von Aloisias Mutter mit den Worten empfangen: »Den hab ich schon öfter gesehen, er schleicht ja immer um unser Haus herum. Ich erkenne ihn an seinem steifen Kragen.«

      Tatsächlich legte Porsche mit seinen 22 Jahren Wert auf ein gepflegtes Äußeres, er kleidete sich eleganter als seine Kollegen in der Werkstatt und wurde, weil man ihn meist in schwarzem Anzug und weißem Kragen sah, von Aloisias Brüdern für einen Pfarrer gehalten. Das war er aber ganz sicher nicht, Ferdinand Porsche hatte ernste Absichten und besiegelte am 30. Mai 1897 auf einer Parkbank im Wiener Prater mit einem Kuss die Verlobung mit seiner Aloisia.

      In Maffersdorf hatte das heimliche Eheversprechen einen neuerlichen Wutausbruch zur Folge, da Anton Porsche seinen Sohn bereits einer Tochter der in Reichenberg beheimateten Familie Ginzkey versprochen hatte. Doch Ferdinand war nicht bereit, von seiner Aloisia zu lassen, und die beiden heirateten am 17. Oktober 1903 entgegen dem väterlichen Befehl in der Pfarrkirche von Maffersdorf. Die Hochzeitsreise führte das junge Paar durch Österreich, Frankreich und Italien und wurde vom frischgebackenen Ehemann zur Vorsprache bei diversen Automobilunternehmen genützt, bei denen er für seine technischen Innovationen warb.

      Das junge Paar bezog eine Wohnung in der Berggasse 6, was sich insofern als praktisch erwies, als Ferdinand Porsche mittlerweile bei der k. u. k. Hof-Wagenfabrik Jacob Lohner in der nahegelegenen Porzellangasse angeheuert hatte, die gerade dabei war, ihre Produktion von Pferdekutschen auf elektrisch betriebene Kraftwagen umzustellen. Nun war Ferdinand dort, wo er seit seinen Kindheitstagen hinwollte. Nach wenigen Monaten in den Lohner-Werken erregte er bereits bei der Pariser Weltausstellung des Jahres 1900 mit einem Elektromobil großes Aufsehen. Bald sprach sich seine außerordentliche Begabung als Konstrukteur, aber auch als Renn- und Herrenfahrer herum, sodass ihn der Thronfolger Franz Ferdinand aufforderte, ihn zu den Kaisermanövern zu chauffieren.

      In diesen Jahren wurde der Grundstein für den Aufbau des legendären Porsche-Clans gelegt, der heute zu den bedeutendsten und reichsten Dynastien der europäischen Industrie zählt: 1904 durch die Geburt der Tochter Louise, fünf Jahre später durch Sohn Ferry, die beide ein wesentliches Stück Automobil- und Unternehmensgeschichte schreiben sollten. Wie sehr Porsche den Automobilsport liebte, zeigt die Tatsache, dass er am 19. September 1909 – dem Tag, an dem sein Sohn in Wiener Neustadt zur Welt kam – ein Rennen am Wiener Exelberg absolvierte.

      Im Alter von 31 Jahren technischer Direktor der Austro-Daimler-Werke in Wiener Neustadt geworden, entwickelte Porsche bahnbrechende Auto- und Flugmotoren. Die beiden Kinder wurden auf dem Fabrikgelände groß, wodurch ihr Weg in die Fahrzeugindustrie vorgezeichnet war. »In dieser Welt des Automobils wuchs ich auf«, schreibt Ferry Porsche in seiner Autobiografie, »schon als Knirps fühlte ich mich zum Automobil hingezogen. Waren wir mit dem Auto unterwegs, dann hatte ich in Gedanken vor mir ein Lenkrad, mit dem ich während der ganzen Fahrt mitlenkte.«

      Als Porsche 1916 Generaldirektor der Austro-Daimler-Werke wurde, bot sich den beiden Kindern mehr denn je die Gelegenheit, den steten Fortschritt des Automobilbaues zu beobachten. »Wir wohnten in unmittelbarer Nähe des Werks, und es verging kein Tag, an dem ich dort nicht herumspazierte«, erinnert sich Ferry, der »mit allen Meistern gut Freund war und Zutritt zu den Werkstätten hatte. Am Sonntag ging mein Vater stets in das Konstruktionsbüro und nahm mich mit. Ich war noch ein kleiner Bub, von dem man annehmen hätte können, er wollte am Sonntag lieber spielen gehen; aber mich hat dieser sonntägliche Werksbesuch in keiner

Скачать книгу