Wienerwald für Entdecker. Beppo Beyerl

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Wienerwald für Entdecker - Beppo Beyerl

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Gegenden des Wienerwaldes vorzudringen, oder aber dort, wo sie unter vielen anderen Ausflüglern ihren üblichen Sonntagsspaziergang absolvieren, einmal einen genaueren Blick auf all die seltsamen Ruinen, Gebäude, Denkmäler und Seltsamkeiten abseits des Weges zu werfen: wo seit dem 17. Jahrhundert vermögende Fürsten und altersmelancholische Feldherren riesige Landschaften inszenierten, wo arme Kränkelnde durch das Loch des Matterhörndls krochen, wo Sigmund Freud überreizte Damen auf Luftkur behandelte und zum ersten Mal einen Traum deutete, wo Mozart sich für seine Zauberflöte inspirieren ließ und Wäschermädeln nach Lottozahlen Ausschau hielten.

      Bei allen von uns erwähnten Orten wollen wir die Vielzahl von Deutungen und Bedeutungen ausforschen, die im Alltagswienerisch oft achtlos benützt und abgenützt werden. Wer weiß schon, was der Mars auf der Marswiese treibt, warum der Franz Karl auf der Franz-Karl-Fernsicht so gerne saß und warum der Wilhelminenberg überhaupt nicht Wilhelminenberg heißt.

      Keine Angst, Sie werden am Kahlenberg von den Türken weitgehend verschont bleiben und sich stattdessen den Eskapaden einiger Eisenbahn-Spekulanten widmen können, Sie bleiben weit weg von Gumpoldskirchen und seinen Heurigen und Sie werden im Lainzer Tiergarten nicht über etwaige Wildschweine stolpern. Dafür besuchen wir etwa die Elsbeerenbäuerin, kosten von der Quelle des Wienflusses und spüren einen k.-u.-k.-Offizier auf, der im Wienerwald in Eigenregie und mit Spendengeldern Kriegerdenkmäler baute.

      Freilich sind die Orte im Wienerwald zufällig ausgewählt, die Auswahl unterlag schlicht und einfach dem subjektiven Blick der Autoren – und ist ohne Ende erweiter- und ergänzbar. Sie sind übrigens von Norden, dem Leopoldsberg, nach Süden, Berndorf, gereiht. Für alle vom Leser schmerzlich vermissten, ganz persönlich hochgehaltenen Orte, Kunstschätze und Anekdoten entschuldigen wir uns schon im Vorhinein. Dafür wollten wir mit starkem Interesse am Detail und einem Bündel an historischen Referenzen die von uns ausgewählten Orte umso eindringlicher beschreiben. Für den Gesamteindruck wichtig sind auch die passgenauen Fotos von Hubert Peterka, bei dem wir uns an dieser Stelle höflich bedanken wollen, auch für die Stunden, die er uns mit der Kamera durch den Wienerwald folgen musste.

      Wer Lust und Laune hat, kann auf den von uns beschriebenen Touren auch wandern. Wer weniger Lust und weniger Laune hat, kann nur die halbe Tour absolvieren, oder dieselbe partout verkehrt herum anlegen, oder mit dem PKW die Ruinen und die Gaststätten besuchen, die längs unserer Spaziergänge stationiert sind. Vertrauliche Tipps folgen im Buch stets am Ende jeder Wanderung.

      Wer sich schlussendlich zu einer Wanderung entschlossen hat, der möge bitte beachten: Gutes Schuhwerk bildet selbst im stadtnahen Wienerwald die Voraussetzung für eine geglückte und zufriedene Heimkehr. Zudem möge der Wienerwaldwanderer unterscheiden: Da in der Flyschzone im Westen das Wasser im Sandstein nicht versickert, muss man damit rechnen, dass man auch Tage nach einem Regen durch tiefe Gatschlacken stapfen könnte. Ganz anders hingegen ist es im Thermenwienerwald in der südlichen Kalkzone: Schon kurz nach dem Ende der Niederschläge kann man mit Entzücken und Heiterkeit auf trockenen Wegen flanieren.

      Somit wünschen wir allen Leserinnen und Lesern eine delikate Lektüre und nach der Lektüre vielleicht auch eine delikate Wanderung!

      Konrad Kramar und Beppo Beyerl

      Für nützliche Hinweise bedanken sich die Autoren bei Karl Fahringer, Dieter Halama, Detlef Kapp, Lisbeth Mansbart, Jochen Müller, Eva Pappenscheller, Reinhold Posch, Wolfgang Schulz und Franz Vormaurer.

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      Kahlenberg und Leopoldsberg

      Eine Wanderung auf den Kahlenberg und den benachbarten Leopoldsberg ist in einem Buch wie diesem einerseits unumgänglich, andererseits ziemlich kompliziert. Nicht nur, dass es sich um die beiden Wiener Hausberge handelt, sie sind auch beide mit Geschichte und Geschichten gepflastert, und zwar in jedem Winkel. Für unsere Erkundung gilt also noch mehr, was für das ganze Buch gnädigerweise gelten möge: Auf einer Wanderung lässt sich nur ein Bruchteil von all dem entdecken, was da oben zwischen Weinbergen und Buchenwäldern verborgen liegt. So wird das, was wir uns vornehmen, immer nur eine kleine, ganz persönlich getroffene Auswahl sein.

      Allein die Namensverwirrung um die beiden Waldhügel, die den westlichen Wienerwald gewissermaßen an der Donau verankern, ließe sich nur in mehreren Abhandlungen aufklären. Für den Wanderrucksack genügt vorerst einmal die Kurzversion, nämlich, dass der heutige Leopoldsberg zuerst Kahlenberg hieß und der heutige Kahlenberg ursprünglich Sauberg. Erst als der Polenkönig Jan Sobieski die Türken aus Wien – samt berühmtem Sturm vom Kahlenberg (dem damaligen Kahlenberg) – vertrieben hatte, ließ der Habsburgerkaiser Leopold auf dem (heutigen) Leopoldsberg eine Kapelle errichten. Deshalb musste ein Namenstausch her. Denn das weithin sichtbare Schmuckstück wurde natürlich dem Namensvetter des Kaisers, dem heiligen Leopold, geweiht. Der – eigentlich ein ganz konventioneller Babenbergermarkgraf – ist bis heute Landespatron von Niederösterreich und auch der Berg durfte von da an seinen Namen behalten.

      Wir ahnen also jetzt schon, während wir uns noch im D-Wagen Nußdorf nähern, dass sich da oben einiges abgespielt hat. Kahlenberg und Leopoldsberg haben Türkenbelagerungen erlebt, ebenso wie die wildesten Auswüchse des Technikwahns im späten 19. Jahrhundert. Hier haben äußerst geschäftstüchtige Mönche ihre Spuren hinterlassen, ebenso wie ziemlich skrupellose Spekulanten. Man stößt auf legendär-verruchte Schönheiten aus der Zeit Napoleons, kann einiges über einen »rosaroten Prinzen« erfahren und findet Erinnerungen an Hitlers seltsame Hassliebe zu Wien, schamvoll verborgen in einem bemerkenswert seltsamen Denkmal. Leider versperrt heute ein Bauzaun den Weg dorthin.

      Am einfachsten, zumindest nach Meinung der Autoren, ist es noch, sich für den richtigen Ausgangsort zu entscheiden. Denn es geht kaum bequemer, als mit dem bereits erwähnten D-Wagen nach Nußdorf zu zuckeln, so wie das schon die Ausflügler vor mehr als hundert Jahren taten, wobei die meist die Franz-Josefs-Bahn wählten. Die hatte damals schon einen eigenen Bahnhof vor Ort. Wir sehen das typische Bahnhofsgebäude aus der Spätzeit der Monarchie rechter Hand, wenn wir die letzte Kurve zum Nußdorfer Platz nehmen.

      Die leichte Erreichbarkeit macht also Nußdorf als Ausgangspunkt zur ersten Wahl. Doch wenn wir einmal am Nußdorfer Platz die Bim verlassen haben, wird uns recht bald klar, dass für den Start unserer Wanderung hier noch einiges mehr spricht. In dem uralten Weinbauerndorf hat sich an mehreren Stellen die mittelalterliche Struktur weitgehend erhalten. Wir reden nicht nur von den wuchtigen, geduckten Winzerhäusern der Weinbauern, sondern von jenen Gebäuden, die die ersten Großgrundbesitzer, die es in diesen Weinorten gab, errichtet haben: die katholischen Orden. Von Nußdorf, wie von so vielen anderen heutigen Vororten Wiens, wurde der Wienerwald bewirtschaftet, wurden Weinbau und Forstwirtschaft im großen Stil vorangetrieben. Wenn wir vom Nußdorfer Platz aus ein Stückerl die Greinergasse bergauf gehen, zweigt rechts die Hackhofergasse ab und gleich am Eck steht ein Wirtschaftshof der Dominikanermönche aus dem späten Mittelalter.

      Bevor wir unseren Weg in der Hackhofergasse auf der Spur der Mönche fortsetzen, sollten wir einen Blick auf ein Stück jüngere Vergangenheit werfen. Einen kleinen Umweg ist es allemal wert. Aus dieser jüngeren Vergangenheit ist heute in Nußdorf deutlich weniger zu sehen als aus dem Mittelalter. Die Zahnradbahnstraße beginnt ein paar Schritte oberhalb des Nußdorfer Platzls und auf Nummer 8 steht das Gebäude, das die Erklärung zum Straßennamen liefert. Das »Gasthaus zur Zahnradbahn« trägt diesen Namen auch ganz zu Recht, ist es doch die ehemalige Talstation ebendieser Zahnradbahn. Da es denkmalgeschützt ist, betritt man heute noch die nur geringfügig umgebauten Räumlichkeiten, in denen sich Kartenschalter und Wartesaal befanden. Ruckerlbahn haben sie die Wiener genannt, weil sich die Züge aufgrund des gewaltigen Kraftaufwands, den

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