Wienerwald für Entdecker. Beppo Beyerl
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Wer sich für die Zahnradbahn näher interessiert, kann sich in dem übrigens sehr gut und kulinarisch ambitioniert geführten Gasthaus nicht nur zum Essen niederlassen, sondern auch die zahlreichen Ausstellungsstücke zum Thema Zahnradbahn in den Gasträumen inspizieren. Da gibt es Fotos, alte Fahrpläne und vieles andere, das einem dieses Eisenbahnprojekt ziemlich lebendig vor Augen führt. Und das ist gut so, denn erstaunlicherweise ist von dem groß angelegten Unternehmen, das immerhin von 1874 bis in die Zwanzigerjahre des letzten Jahrhunderts lief, kaum etwas übrig geblieben. Es ist dem engagierten Döblinger Heimatkundler Wolfgang Schulz und seinem Döblinger Heimat-Kreis zu verdanken, dass die Erinnerung an diese technische und touristische Meisterleistung heute wieder gepflegt wird. Eisenbahnenthusiasten und ambitionierte Lokalhistoriker erfahren mehr auf Schulz’ Homepage (www.döbling.com) und in einer eigens produzierten DVD, auf der er sich auf die Zahnradbahn-Spurensuche begibt. Dafür muss man aber nicht nur gut zu Fuß, sondern vor allem phantasiebegabt sein, denn es sind wirklich nur noch recht schäbige Reste der Bahn zu finden. Wer sich eine der vielleicht noch deutlichsten Spuren der alten Bahn gleich hier in Nußdorf anschauen will, der muss die Zahnradbahnstraße weitergehen. Sie folgt der alten Bahntrasse. Nach ein paar Hundert Metern quert die inzwischen zum Zahnradbahnweg degradierte Straße die Kahlenberger Straße, oder, besser gesagt, sie würde es, wäre die alte Eisenbahnbrücke über die Kahlenberger Straße heute nicht längst abgebrochen. Immerhin kann man dort noch die alten Brückenfundamente deutlich sehen.
Abfahrt vom Kahlenberg: Die Ruckerlbahn war über Jahre ein wahrer Tourismusmagnet, kam aber dann rasch aus der Mode.
Auf dem Kahlenberg kann man heute noch einen Waggon der alten Zahnradbahn bewundern. Viel mehr ist von der imposanten Anlage nicht geblieben.
Wer nicht so viel Gehzeit für Errungenschaften der Gründerzeit vergeuden will, kann gleich bei der ehemaligen Talstation kehrtmachen und wieder zum Anfang der Hackhofergasse und dem dortigen Dominikaner-Domizil zurückkehren. Wir wollen ohnehin in der Hackhofergasse weitergehen, ist sie doch eine jener Gassen, in der sich – wie vorher erwähnt – die alte Baustruktur weitgehend erhalten hat. Auf den Nummern 17 und 18 liegen einander zwei weitere Gebäude gegenüber, in denen die Geschichte von Nußdorf und den umliegenden Wäldern steckt. Links liegt der Zwettlhof, ein prächtiges barockes Schlösschen, dessen Geschichte weit ins Mittelalter zurückreicht. Denn schon damals erkannten die geschäftstüchtigen Mönche des nicht umsonst wohlhabenden Zisterzienserstifts Zwettl im Waldviertel, was es hier zwischen Wienerwald und Donau zu holen gab. Man war im Wettlauf der Orden lange vor den Dominikanern da, denen wir vorher begegnet sind. (Es gibt übrigens direkt am Stephansplatz ebenfalls einen Zwettlhof, nur als weiteren Beweis für die Finanzkraft dieses Stiftes.) Auch heute noch ist der Zwettlhof im kirchlichen Besitz, er gehört dem Schottenstift.
Das sogenannte Lehár-Schlössl auf Nummer 18 ist weit kleiner, aber ebenfalls von einem Orden als Wirtschaftshof gegründet worden. Ansonsten steckt, wie der Name deutlich macht, in diesem Haus eher Musikgeschichte. Dass der Komponist Franz Lehár hier einige Jahre lebte und ein paar ziemlich populäre Operetten verfasste, ist bei diesem Namen wenig überraschend. Deutlich früher aber wohnte hier schon Mozarts Libretto-Schreiber Emanuel Schikaneder. Mozart ließ sich nicht weit von hier auf dem Cobenzl für seine Zauberflöte inspirieren (siehe Kapitel »Von drei verschwundenen und einem ›gefälschten‹ Schloss«), deren Libretto ja Schikaneder verfasst hatte. Mozart, ebenso wie sein fürstlicher Gastgeber auf dem Cobenzl, und auch Schikaneder waren Freimaurer. Also muss man nicht allzu viel herbeidichten, um sich ein konspiratives Treffen aller drei Herren am Cobenzl, oder eben in Nußdorf, vorzustellen. Schikaneder konnten übrigens weder der enorme Erfolg der Zauberflöte noch seine Beziehungen zu den Freimaurern vor dem Absturz in die Armut bewahren. Das schicke Nußdorfer Schlössl war er irgendwann los und er beendete in einem ärmlichen Winkel des Wiener Alsergrunds sein Leben.
Mit einem Blick rechts auf die Donau, der wir hier in der Hackhofergasse fast zum Greifen nahe kommen, lassen wir die Vorstadt allmählich hinter uns und kommen in die mehr oder minder freie Natur. Denn obwohl wir inzwischen in der Eichelhofstraße ziemlich steil bergauf gehen und damit eigentlich im Wienerwald sein sollten, ist von dem hier noch nicht viel zu merken. Denn der Nußberg, quasi der Vorhügel zum Kahlenberg, hat seinen Waldbestand – jetzt kommen wieder die eifrigen Mönche ins Spiel – schon im Mittelalter weitgehend eingebüßt. Die Lage auf den steil zur Donau abfallenden Hügeln war günstig für Weinbau. Also ging man diesen gleich großflächig an. Das Erste, was wir in der Eichelhofstraße davon bemerken, sind mächtige alte Steinmauern auf beiden Seiten. Sie stützen die Weingärten ab, die sonst bei jedem Unwetter die Straße verschüttet hätten. Oberhalb dieser Steinmauern gab es übrigens noch in den Dreißigerjahren nicht nur Weingärten, sondern auch eines der bekanntesten Ausflugsrestaurants am Nußberg, den sogenannten Bockkeller. Dessen Keller ist übrigens heute noch erhalten, nur dass jetzt Luxusappartements darübergebaut sind.
Doch wir wollen ja ohnehin nicht einkehren, wenn wir noch so viel Steigung vor uns haben, und arbeiten uns deshalb die Eichelhofstraße weiter bergauf. Das nächste bemerkenswerte Stückchen Wienerwaldgeschichte auf unserem Weg ist zwar ein wenig älter als dieser Bockkeller, nämlich ein paar Millionen Jahre, aber trotzdem bedeutend besser erhalten. Im steilen Hang links von der Straße zeigen sich von großen Steinen umrahmte Öffnungen, die so angeordnet sind, als ob sie dort bewusst abgeladen worden wären. Wer sich die Mühe macht, zur ersten und größten der Öffnungen ein paar Meter den Hang hinaufzuklettern, findet dort eine Erklärung, welche Naturgewalt die Steine hierhergeschafft hat: Es war das sogenannte Badener Meer, das hier vor 15 Millionen Jahren seine Küste hatte und die Steine anschwemmte. Wer sich ein bisschen Zeit zur genaueren Betrachtung nimmt, findet rasch die Abdrücke fossiler Algen und mit ein bisschen Glück sogar von einer Muschel. Von der Tafel urzeitlich gut informiert, bemerken wir beim Vorbeigehen, wie viele dieser prähistorischen Gesteinsformationen in der steilen Wand zu sehen sind.
Wir aber wollen auf den Nußberg hinauf, und der öffnet sich, wenn wir die Steigung einmal hinter uns gelassen haben und aus der Eichelhofstraße in den Eichelhofweg abgebogen sind. Eindrucksvoll liegen vor uns Weinberge, wohin man schaut, rechter Hand tief unten die Donau und vor uns der Kahlenberg und der Leopoldsberg. Das Plateau, über das wir jetzt gemächlich weiter bergauf steigen, bietet tatsächlich einen der schönsten Ausblicke von Wien. Kein Wunder, dass das Heurigen-Angebot hier oben inzwischen ansehnlich ist. Man kann an Sommerwochenenden beim Mayer am Nußberg sogar im Liegestuhl Spritzer und Schinkenbrot zu sich nehmen. Der Klassiker am Nußberg aber bleibt der Heurige Sirbu, der sich dank seinem atemberaubenden Ausblick offensichtlich schon bis China und Japan herumgesprochen hat. Es macht manchmal Spaß zuzuschauen, mit welcher Begeisterung die zahlreichen asiatischen Touristen sich auf eine Blutwurst stürzen können – ansonsten ist das Lokal ein angenehm schlichter und authentischer Heuriger geblieben.
Wer sich bei so viel Gastronomie und Trubel in seiner Nußberg-Beschaulichkeit gestört fühlt, sollte wissen, dass hier vor 70 Jahren weit mehr los war als heute. Damals waren es Großgaststätten, wie der bereits erwähnte Bockkeller, die hier Wochenende für Wochenende Tausende Ausflügler versorgten. An das Wirtshaus »Zur Kleinen Schweiz« etwa, das einst am Eichelhofweg stand, erinnern heute nur noch die alten Bäume des Gastgartens, die sich am Wegrand bemerkbar machen. Von der Weberhütte ein Stückchen weiter oben sind nur ein