Die Enkel der Tante Jolesch. Georg Markus

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Die Enkel der Tante Jolesch - Georg Markus

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Alter von 21 Jahren zugehörig fühlen durfte. Weit weniger Aufsehen erregte sein zweiter Roman »Die Mannschaft«, der – wie Torberg selbst bekannte – »für die Sportler zu g’scheit und für die G’scheiten zu sportlich« war.

      Auch wenn seine Liebe zum Sport für viele im Gegensatz zum intellektuellen Anspruch des Dichters stand, blieb der athletisch gebaute Torberg lange als Schwimmer und Wasserballer (der in seinen Jugendtagen für die »Hakoah« einen Meistertitel errang) aktiv. Seine fanatische Hingabe zum Fußballklub »Austria« spiegelt sich in einer skurrilen Episode im Exil wider: Als Fritz Molden 1947 nach New York kam, um dort im Auftrag der österreichischen Regierung die Zeitschrift »Austria Information« zu gründen, konnte sich Torberg des Eindrucks nicht erwehren, Molden würde seine Position dafür missbrauchen, die aus Wien eintreffenden Sportnachrichten in übler Weise zu manipulieren. Knappe Siege der von Molden bevorzugten »Vienna« seien in dem Blättchen aufgebauscht und deren Niederlagen vertuscht worden, wohingegen die Erfolge der von Torberg favorisierten »Austria« angeblich sträflich vernachlässigt wurden. In der »Austria Information«-Redaktion langten zahllose Leserbriefe eines James B. McNussenblatt ein, der sich als ausgezeichneter Kenner der österreichischen Fußballszene erwies. McNussenblatt ging so weit, die in der Zeitschrift wiedergegebene Tabelle der Fußballergebnisse als glatte Fälschung und Molden als »Agent eines primär zur Vernichtung der ›Austria‹ geschaffenen Geheimdienstes« zu bezeichnen.

      Nach intensiven Recherchen gelang es Fritz Molden, James B. McNussenblatt als Friedrich Torberg zu entlarven.

      Man stelle sich vor, wie groß die Liebe des aus der Heimat Vertriebenen zu Österreich gewesen sein muss, wenn ihm nach fast zehnjährigem Aufenthalt in der Fremde die Reputation des Fußballklubs »Austria« derartige Sorgen bereiten konnte. Darüber hinaus wurde das New Yorker Penthouse des Ehepaares Friedrich und Marietta Torberg in der 55. Straße, Ecke 7. Avenue, von Besuchern als bewohnbar gemachte Kopie des einstigen Café Herrenhof beschrieben.

      Torberg kehrte ein Jahr nach der McNussenblatt-Episode zurück nach Wien, um hier wieder als Kritiker zu arbeiten und die von ihm gegründete Kulturzeitschrift »Forum« herauszugeben. In Wien wurde, als Torberg bereits etabliert war, oft die Frage gestellt, ob der zum Romancier Berufene sein Genie vergeudet hätte, weil er im Journalismus verblieben war.

      »Nein«, antwortete Hans Weigel, »er hat zwar gewiss darunter gelitten, dass er vor lauter ›Forum‹ kaum zu anderer Arbeit kam, aber er hat es gleichzeitig genossen, dass er darunter gelitten hat.«

      In der Tat blieb für seine schriftstellerische Tätigkeit wenig Zeit. Einzig sein Roman »Süßkind von Trimberg«, die »Tante Jolesch« und deren »Erben« sowie die Übersetzungen der Satiren Ephraim Kishons zeugen von seinem späten literarischen Schaffen. Während Torberg gegen Ende seines Lebens »mit Entsetzen vermerkte, dass es sehr viele Leute gibt, die mich überhaupt nur als Kishon-Übersetzer kennen«, widerlegte Kishon dies mit der Feststellung, »dass Torberg gar nicht das übersetzt, was ich geschrieben habe, sondern das, was er übersetzen möchte«.

      Friedrich Torberg, der einstige Kaffeehausliterat, hatte sich mittlerweile in sein Landhaus in Breitenfurt bei Wien zurückgezogen, wo er täglich bei exzessivem Kaffee- und Zigarettenkonsum bis in die frühen Morgenstunden hinein schrieb und erst nach Mittag wieder aufstand. Er könnte seine Freunde »am Daumen einer Hand abzählen«, erklärte Torberg die Abgeschiedenheit seiner späten Jahre.

      Sollte er zeitweise wirklich einsam gewesen sein, dann dürfte wohl der von ihm inszenierte »Brecht-Boykott« einiges dazu beigetragen haben. Als der Schriftsteller und Parodist Robert Neumann in jenen Tagen vermutete, »dass Torberg zu jedem Frühstück einen Kommunisten verspeist«, entgegnete Marcel Reich-Ranicki:

      »Das stimmt natürlich nicht. Denn erstens ist Torberg Vegetarier und zweitens Feinschmecker.«

      Torbergs treuester Mitstreiter in der Ablehnung gegenüber Bert Brecht war Hans Weigel. So einig sich die beiden Kritiker in Sachen Brecht auch waren, so konträr dachten sie in anderen Fragen – ganz besonders in einer: Während man Weigel wiederholt seine Einstellung zum Judentum und die Bagatellisierung eines möglicherweise wieder aufkommenden Antisemitismus vorwarf, schrieb Torberg unermüdlich gegen das Vergessen in der Geschichte an. Und fand über seinen Widersacher die Worte:

      »Der Weigel ist der einzige Mensch in Österreich, der glaubt, dass der Weigel kein Jud ist!«

      Hans Weigel war zeitweise nicht nur auf Torberg, sondern – nebst anderen – auch auf Marcel Prawy schlecht zu sprechen. Das muss man wissen, um die folgende Geschichte, die sich in den fünfziger Jahren im Café Volksoper zugetragen hat, verstehen zu können.

      Als Weigel dort eines Abends neben der Schauspielerin Louise Martini saß, betrat ein stattlicher, gut aussehender Herr das Lokal und grüßte sehr höflich – zuerst Louise Martini und dann Hans Weigel. Worauf die beiden den Gruß ebenso höflich erwiderten.

      Kaum war der stattliche Herr außer Sichtweite, fragte Weigel – der extrem kurzsichtig war und daher oft gleichzeitig mehrere Brillen auf Stirn und Nase platziert hatte –, Weigel also fragte seine Tischnachbarin, wer der Herr gewesen sei, den sie gerade gegrüßt hätten.

      »Das war der Prawy«, antwortete Louise Martini.

      Nach Erhalt dieser Auskunft begann Weigel aufgeregt in seiner Aktentasche irgendwelche Papiere zu suchen. Als er sie endlich gefunden hatte, sprang er auf und lief Prawy nach. Sobald er ihn eingeholt hatte, hielt er diesem die mitgebrachten Unterlagen vors Gesicht und sagte:

      »Das sind ärztliche Atteste, die bescheinigen, dass ich schlecht sehe. Nur so konnte es passieren, Herr Doktor Prawy, dass ich Sie gegrüßt habe.«

      Sprach’s und ging – diesmal selbstverständlich grußlos – zurück an seinen Tisch.

      Wo bitte sehr, trifft man fünfzig Jahre später einen Herrn, der einer solchen Aktion fähig wäre?

      Zwei Begebenheiten noch, die typisch für Weigels Humor sind. In der Zeit, als Hans Dichand Chefredakteur des »Kurier« war, schrieben dort gleichzeitig Weigel, Torberg und Heimito von Doderer. Weigel ging des Öfteren mit Dichand und der Kulturredakteurin Hedi Schulz zum Mittagessen. Als er einmal, in einem Lokal am Stadtrand von Wien, Kaiserschmarrn bestellte, wunderte sich Dichand:

      »Herr Weigel, Sie essen Kaiserschmarrn? Es weiß doch jeder, dass Sie gegen die Monarchie sind!«

      »Schmarrn in Verbindung mit Kaiser«, replizierte Weigel, »das geht!«

      Und als der durch seine Fernsehserien populär gewordene Schauspieler und Regisseur Fritz Eckhardt mit dem Ehrentitel »Professor« ausgezeichnet wurde, telegrafierte ihm Weigel:

      »Hiermit lege ich meinen Professorentitel zurück. Albert Einstein.«

      Zu Weigel fällt mir aber auch eine Begebenheit ein, die ich aus nächster Nähe miterlebte. Im Gegensatz zu Torberg – den ich nur einige wenige Male getroffen hatte – kannte ich Weigel sehr gut, fast könnte ich sagen, mit ihm befreundet gewesen zu sein. Das war wohl auch der Grund, weshalb ich einige Jahre nach seinem Tod von einem Grazer Verlag eingeladen wurde, einen Beitrag über den Doyen der Wiener Theaterkritik zu schreiben.

      Ich war einer von mehreren Autoren, die sich in dem geplanten Buch an Weigel erinnern sollten. Zu ihnen zählten neben seiner Lebenspartnerin Elfriede Ott auch die Schauspieler Otto Schenk und Helmuth Lohner, die Kabarettisten Gerhard Bronner, Georg Kreisler und Werner Schneyder, die Journalisten und Autoren Hans Dichand, Trude Marzik und Marcel Reich-Ranicki. Aber auch die Politiker Rudolf Kirchschläger, Franz Vranitzky, Peter Marboe, Helmut Zilk.

      Und Franz

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