Um Krone und Liebe. Sigrid-Maria Größing
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Bianca Maria war nicht ausgesprochen hübsch, aber wiederum auch nicht hässlich, es lag um sie der Goldschimmer der Dukaten, die der Oheim in großen Truhen schon für den zukünftigen Freier bereithielt. Da war es nicht unbedingt notwendig, dass das junge Mädchen mit Gelehrsamkeit überhäuft wurde, es konnte sich ganz seinen Neigungen hingeben, und die bestanden fast ausschließlich im Anfertigen feinster Handarbeiten, vor allem der Petit-Point-Stickerei.
Das Gerücht, dass Ludovico il Moro für seine reiche Nichte einen Ehemann suchte, war natürlich dem ewig sich in Geldnöten befindlichen Maximilian längst zu Ohren gekommen. Und obwohl er immer noch um seine geliebte Gemahlin Maria von Burgund trauerte, entschloss er sich doch, um die Hand Bianca Marias in Mailand anhalten zu lassen. Natürlich standen seine Chancen hervorragend, denn er konnte sich ausrechnen, dass sein Angebot, Ludovico il Moro im Falle einer Eheschließung die Herzogswürde zu verleihen, ihm alle Türen öffnen würde. Eine Hand wusch auch damals die andere, denn Ludovico ließ sich nicht nur die Hochzeit seiner Nichte und die Mitgift eine Unsumme kosten, er sonnte sich auch in dem Gefühl, der angeheiratete Oheim des mächtigsten Mannes seiner Zeit zu sein.
Die Hochzeit Bianca Marias fand in Mailand statt, allerdings ohne den Bräutigam, der nur einen Vertreter geschickt hatte. Maximilian war keineswegs daran interessiert, möglichst bald seine neue Ehefrau kennenzulernen, er vergnügte sich während der Hochzeitsfeierlichkeiten lieber in Wien mit einer seiner Geliebten. Hätte er allerdings gewusst, wie grandios Leonoardo da Vinci die Festlichkeiten in Mailand gestaltete, hätte er sich als kunstsinniger Mensch, der ein Leben lang pompöse Feste liebte, vielleicht auf den Weg nach Oberitalien gemacht. Denn Leonardo erwies sich als perfekter Verhüllungskünstler, der allein dem Mailänder Dom durch die Drapierung aus Samt und Seide zu einem völlig neuen Anblick verhalf. Der Künstler war es auch, der die junge Braut am längsten auf ihrem Weg in die neue Heimat begleiten durfte, in Spiegelschrift verfasste er Aufzeichnungen über die Reise bis an den Comer See.
Maximilian hatte wahrscheinlich noch nicht einmal das übliche Medaillon mit dem Konterfei seiner neuen Gemahlin zu Gesicht bekommen, da rollten schon 25.000 Dukaten in seine gähnend leeren Geldtruhen, denen nach zwei Monaten weitere 75.000 folgen sollten. Damit aber war nur eine Anzahlung geleistet, denn schon nach dem Jawort der Braut kassierte der abwesende Bräutigam nochmals 100.000 Goldstücke, die nächsten 100.000 aber sollten erst nach dem tatsächlichen Vollzug der Ehe folgen. Dass Ludovico nach seiner Belehnung zum Herzog von Mailand nochmals für diese Ehre 100.000 Dukaten flüssig machen würde, war für Maximilan beinahe eine Selbstverständlichkeit. Der König wäre praktisch mit einem Schlag ein reicher Mann gewesen, hätte er dieses Geld, das ihm wie ein Geschenk des Himmels hätte vorkommen müssen, besser angelegt. Aber Maximilian zerrann auch dieses Vermögen gleichsam in den Fingern, allein der Schuldenberg, den er abzutragen hatte, verschlang schon Unsummen.
Obwohl Maximilian wusste, dass der oberitalienische neue Oheim ein splendider Mann war, konnte er nicht ahnen, dass die Aussteuer, die Bianca Maria mit in die Ehe über die Alpen brachte, noch einmal einen Wert von 400.000 Gulden hatte. Allein die Edelsteine, die man der Braut zum Geschenk gemacht hatte, bedeckten einen ganzen Tisch. Zur Freude der Mailänder Bevölkerung stellte man den kostbaren Trusseau öffentlich aus, wobei die einfachen Leute über die riesigen Ballen Samt und Seide staunten, die die junge Frau mitnehmen sollte. Unterhemden und Nachthemden aus feinstem Linnen, eines reizvoller als das andere, wurden den Gästen gezeigt, 72 Paar seidene Schuhe, Bettwäsche, die genauso mit Edelsteinen besetzt war wie die Tischwäsche, die Dutzende Truhen füllte, Tausende Handtücher, schwere Gold- und Silbergeräte, dazu auch sehr intime Dinge wie drei Nachttöpfe aus massivem Silber. Für alle Eventualitäten in der Zukunft sollte gesorgt sein.
In Mailand hatte man an alles gedacht, nur nicht, dass der Bräutigam sehr viel Zeit verstreichen lassen würde, ehe er sich bequemte, seine junge Ehefrau nur zu begrüßen. Immer wieder wurden die Orte geändert, an denen das Beilager stattfinden sollte, schließlich – als es nicht mehr anders ging – zog Bianca Maria im Dezember 1493 in Innsbruck ein, wo sie allerdings auch vergebens nach dem Bräutigam Ausschau hielt. Erst Wochen später geruhte Maximilian, sich von seiner neuen Geliebten zu trennen und sich nach Hall zu begeben, wo er Bianca Maria nur kurz begrüßte, um sich eine halbe Nacht anschließend mit dem Bischof von Brixen und dem Mailänder Botschafter zu unterhalten. Plötzlich allerdings sprang er auf, so als würde er sich an etwas erinnern, verabschiedete sich kurz und verschwand in den Gemächern seiner jungen Frau, wo er sich eine Stunde aufhielt. So als wäre nichts gewesen, ging er am nächsten Morgen seinen Alltagsgeschäften nach, ohne sich weiter um seine Gemahlin zu kümmern.
Und so sollte es auch bleiben. So sehr sich Bianca Maria auch bemühte, die Liebe ihres Mannes zu gewinnen, so sehr zeigte es sich, dass dies ein hoffnungsloses Unterfangen war. Seine junge Frau war für Maximilian zu ungebildet, zu geschwätzig, zu naiv, zu schlampig, kurz, sie konnte ihm nicht das Geringste recht machen. Nicht einmal ein Kind konnte sie ihm schenken, obwohl sie etliche Fehlgeburten überstand. Anfangs war es nur große Traurigkeit, die die junge Frau über ihren stets abwesenden Gemahl empfand. Als sie aber Maximilians finanzielle Schwierigkeiten am eigenen Leib erfahren musste, indem man sie in einzelnen Städten als Pfand zurückbehielt, da überfielen sie schwere Depressionen. Sie begann sich zu vernachlässigen, in schäbigen Kleidern und halb verhungert fristete sie ihr Dasein, ohne Mann und Kind zog sie im Land umher und nirgendwo erkannte man in der heruntergekommenen Frau mit dem eisgrauen Haar die einstmals steinreiche Gemahlin des Kaisers.
Von Fieberattacken geschüttelt ging Bianca Maria unaufhaltsam dem Tod entgegen. Man benachrichtigte zwar den fernen Ehemann über den lebensbedrohlichen Zustand seiner Gemahlin, Maximilian schickte aber nicht die kleinste Zeile, um der Frau, die durch ihn so unglücklich geworden war, noch eine letzte Freude zu bereiten. Die Neujahrsglocken des Jahres 1511 waren zugleich die Sterbeglocken für die Kaiserin, die an gebrochenem Herzen gestorben war. In den Sternen war alles geschrieben gewesen!
Der Traum seines Lebens wurde vor 500 Jahren beinah wahr …
… und doch fehlte der Papst, die wichtigste Person, als sich Maximilian I. in Trient zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation ausrufen ließ. Aber Julius II. wäre der Letzte gewesen, der seinem Erzfeind die Kaiserkrone aufs Haupt gesetzt hätte.
Von allem Anfang an waren die Differenzen zwischen Maximilian und Julius II. groß gewesen, als das Ergebnis der Konklave bis nach Norden durchgesickert war, und sie verstärkten sich, je mehr Zeit ins Land strich. Denn der neue Papst hatte nicht nur die Absicht, die Kirche an Haupt und Gliedern zu erneuern, sondern vor allem das Territorium des Kirchenstaates zu vergrößern, wobei ihm jedes Mittel, jeder Wortbruch recht waren. Natürlich hatte er als Vertreter Gottes auf Erden die Möglichkeit, sowohl den allerchristlichsten König von Frankreich als auch den deutschen König in Schach zu halten, so dass Maximilian schon bald erkennen musste, dass Julius II. ihn niemals in Rom zum Kaiser krönen würde.
Maximilian hatte schon unmittelbar nach dem Tod seines Vaters Friedrich III. im Jahre 1493 begonnen, mit Rom in Verbindung zu treten, aber Papst Alexander VI. Borgia war ein moralisch abgrundtief verkommener Mann, der Maximilian in tiefster Seele so zuwider war, dass er sich dahingehend äußerte, der Papst wäre »ein Mensch, der Prügel verdiene«.
Maximilian hatte mit seinen derben Ausdrücken, mit denen er den Papst bedachte, nicht an die Mächtigkeit des Borgia gedacht, denn Alexander hatte nichts Eiligeres zu tun, als sich mit dem französischen König