Mit Feuer vom Himmel. Ruth Zenkert
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Der Ratschlag Jesu lautet: keine großen Sprünge, keine Überforderung, sondern sich behutsam bewegen von der Stelle, an der du stehst. Und zweitens, das Licht nützen, solange es da ist. Es sind glückliche und kurze Zeiten, in denen wir eine faszinierende Lehrerin, einen guten Freund, unsere Eltern haben – und Jesus, der von sich sagt: Ich bin der Weg. Ich bin das Licht.
Das eigene Leben ist der Weg. Wo stehe ich jetzt? Wo bewegt sich etwas? Wer begleitet mich?
Geht euren Weg, solange ihr das Licht habt, damit euch nicht die Finsternis überrascht!
JOHANNES 12,35b
Der Umschwung in einem explosiven Haufen
Liebe kann man nicht befehlen. Doch ich kann den Punkt erkennen, an dem sie sich durchsetzt. Dann strahlt sie aus.
Ruth Zenkert
Bald ist es ein Jahr, dass wir in unser Haus Ilie in Hosman eingezogen sind. Wir – das waren Kathy, die erste Volontärin, und ich. Es gab viel Arbeit mit den zahlreichen Kindern und armen Familien im Dorf. Wir suchten Mitarbeiter und nahmen, ohne lange zu fragen, jeden, der sich meldete. Praktikanten für zwei Wochen, eine frustrierte Frau auf der Flucht vor sich selbst, einen Studienabbrecher, einen arbeitslosen Handwerker. Es gab immer wieder Konflikte wegen der Hausordnung und wegen vieler Kleinigkeiten, die nicht der Rede wert sind. Ziemlich lähmend, auch für unsere Arbeit. Doch bald kamen Rumänen in die Gemeinschaft, die sich leicht in die Lebensbedingungen einfügten und sprachlich keine Probleme hatten. Das Kinderprogramm gewann an Qualität und Disziplin. Immer mehr Kinder gingen in Casa Ilie aus und ein, sie kamen auch außerhalb des Programms. Die Familien begannen, in Haus und Hof mitzuarbeiten. Ein lettischer Student machte Musik mit uns, jeden Abend lernten wir im Hof Roma-Lieder. Neugierige Nachbarn schauten herein und sangen mit. Wir feierten ein »Sommernachtsfest« mit unseren Freunden, einer brachte ein altes Saxophon, ein anderer sein Akkordeon, wieder ein anderer den Speck vom frisch geschlachteten Schwein. Aus dem auseinanderstrebenden Haufen wurde eine Gemeinschaft. Wir hatten große Ziele.
Letzte Woche nahm Genica uns mit ins Nachbardorf Tichindeal, wo sie aufgewachsen ist. Sie zeigte uns am Ende des Dorfes eine Siedlung mit Roma-Familien. Arm und verwahrlost, in jeder Hütte verzweifelte Mütter und viele Kinder. Als wir am nächsten Tag wiederkamen, lief uns ein junger Bursche entgegen. Nicolae, stellte er sich vor. Er hatte sich aus Lehm und Zweigen ein Häuschen gebaut, in das genau ein Bett und ein Regal passten, für sich und seine schwangere 15-jährige Freundin. Nicolae zeigte uns, wo die Ärmsten lebten, sagte, wie viele Kinder sie hätten. So war es für uns Fremde leicht, die mitgebrachten Lebensmittel gut einzuteilen, damit alle genug bekamen. Wir fragten Nicolae, ob er uns helfen wolle. Damit wir uns besser kennenlernen könnten, solle er mitkommen und bei uns wohnen.
Zwei Tage später ging die Tür auf – Nicolae war da. Ein großes Haus, mit fließendem Wasser und Heizung, viele neue Gesichter – das war für ihn eine fremde Welt. Iulian gab ihm Seife und ein Paar Jeans. Sie redeten in ihrem Zimmer die halbe Nacht, jeder hatte eine schwere und spannende Lebensgeschichte. Schon am nächsten Tag merkte ich gar nicht mehr, dass ein Neuer unter uns war, er arbeitete fleißig mit und fühlte sich wohl in der Gemeinschaft. Am Freitag ging er nach Hause. Ich fragte ihn, ob er am Sonntag wiederkommen würde. Selbstverständlich, strahlte er.
Heute waren wir wieder in Tichindeal. Aurel, der Nachbar von Nicolae, hat der Familie im letzten Haus einen Ofen gesetzt. Und wir haben noch einen Mitarbeiter gefunden. Ovidiu will die Häuser renovieren. Einer steckt den anderen an. Einer bringt den anderen mit.
Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt.
JOHANNES 13,35
Der Winzer ist Gott
Mit wem bin ich verbunden? Welche Beziehung trägt Früchte? Wer ist in einem Unternehmen so verwurzelt, dass um ihn herum Neues wachsen kann?
Ruth Zenkert
Ein alter Kommunist, eine blutjunge Studienabsolventin mit glitzerbesetzten langen Fingernägeln, die weder mit einem Putzlappen noch mit Computertasten hantieren können, eine ewig Arbeitslose, die dringend Geld für ihre vier kleinen Kinder braucht, ein Manager, der mir versichert, alles zu können, eine Lehrerin, ein junger, dynamischer Ingenieur – das waren die letzten Kandidaten, mit denen ich ein Bewerbungsgespräch für die Leitung unseres neuen Sozialzentrums im Roma-Milieu geführt hatte. Selbst bei den sympathischen und begabten Personen spürte ich, dass es nichts werden könne. Wie soll jemand in einer Umgebung, die ihm völlig fremd ist, ein Projekt aufbauen? Es gibt noch keine Schule, in der man diese Form der Sozialarbeit lernen kann. Wo sollte ich Kandidaten für das Roma-Projekt suchen? Da wurde mir klar: Antoaneta muss die Leiterin werden. Seit zwei Jahren arbeitet sie mit uns. Sie hat im Roma-Milieu Freunde gefunden. Sie versteht, was wir brauchen, wir sind uns nahe im Denken. Sie setzt Initiativen, weil sie selbstsicher geworden ist. Sie lässt sich von mir helfen, wenn sie nicht weiterweiß oder ich es für notwendig halte. Ihr traue ich zu, dass sie mit einem starken Team die vielen Kinder im Zentrum aufnehmen kann, damit sie bei uns eine Heimat finden, lernen, musizieren, ihre jungen Mütter zum Waschen holen; sie kann mithelfen, dass das Haus immer voll Leben sein wird – und dass es nicht gleich auseinanderfällt. Weil zwischen Antoaneta und unserem Werk eine enge Verbundenheit gewachsen ist, kann sie das Neue aufbauen.
Eine solche Verbundenheit hat Jesus mit seinen Schülern. Er erklärt die enge Beziehung mit dem Bild des Weinstocks und der Rebe. Leicht verständlich für einen Galiläer, denn überall sind Weinberge. Jeder kennt die mühsame Arbeit des Weinbauers, wenn er die einzelnen Stöcke beschneiden muss. Das unbrauchbare Gestrüpp wird weggeschnitten und ins Feuer geworfen. Die Reben, die am Weinstock bleiben, tragen im Herbst süße Früchte. Dann wird aus den Trauben Wein, der Trank der Freude, bereitet. Die Propheten bezeichnen das Volk Israel als Weinstock, auch Jesus versteht sich als Weinstock – der Winzer ist Gott, der ihn eingepflanzt hat und sich liebevoll um jede Rebe kümmert. Wie der Winzer in seiner Sorge um die Rebe am Weinstock, so verbunden ist Jesus mit seinem Vater. Das gibt ihm den Lebenssaft, mit dem er sein Werk aufbauen konnte. Unter seinen Anhängern findet er die Schüler, die mit ihm ebenso verbunden sind. Ihnen übergibt er sein Werk, sie gründen Neues. Antoaneta kann unser neues Sozialzentrum leiten, weil sie bei uns und mit unseren Schützlingen verwurzelt ist. Die Verbundenheit, die zwischen uns gewachsen ist, gibt nicht nur ihr, sondern auch mir viel Kraft.
Mit wem bin ich verbunden? Welche Beziehung trägt Früchte? Wer ist in einem Unternehmen so verwurzelt, dass um ihn herum Neues wachsen kann?
Wie die Rebe aus sich keine Frucht bringen kann, sondern nur, wenn sie am Weinstock bleibt, so auch ihr, wenn ihr nicht in mir bleibt.
JOHANNES 15,4
Von dem Versuch, Engel zu sehen
Barrieren lösen sich auf. Menschen bekommen stärkere Konturen. Es stärkt das positive Denken.
Georg Sporschill
Mittags zieht eine Karawane von Kindern von der Dorfschule in unser Sozialzentrum. Unterwegs reihen sich einige kleine wilde Gestalten ein, ohne Schultasche. Die Schülerinnen in unserer Haushaltsschule