Lotte mischt mit. Klaus Heimann

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Lotte mischt mit - Klaus Heimann Krimi

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mit Hut und Mantel. Die beiden baten sie, mit ihnen zusammen in ein Hinterzimmer der Halle zu gehen. Ihr wurde mulmig zumute. Was wollten die beiden von ihr?

      Sie setzten sich an einem Tisch zusammen. Bald sah sie klar. Der Formelle war Mitarbeiter der Stasi. Man verdächtigte eine ihrer Kameradinnen, politisch gegen die Interessen der DDR zu agieren. Sie bereitete angeblich eine Demonstration vor. Subtil versuchte der Stasi-Mann, sie zum Aushorchen der Kameradin zu bewegen.

      »Es wäre dein Schaden nicht. Du willst doch sicher weiter gefördert werden. Man könnte mehr für dich tun, als dich hier in der Provinz in einer zweitrangigen Staffel trainieren zu lassen. Es gäbe da Möglichkeiten«, deutete der Mann einschmeichelnd an. Sie solle an Los Angeles denken, spann er sein Spinnennetz fort. Wenn sie bewiese, dass sie die Heimat vor konterrevolutionären Umtrieben schützte, würden ihre Chancen für die Reise ins Vorreiter-Land des Klassenfeindes steigen.

      Roberts Gesicht blieb während dieser Unterredung wie versteinert. Sie schaute oft zu ihm hinüber. Er machte ihr nichts vor. Sie saß hier, weil er damit etwas gegenüber dem Apparat gutmachen wollte. Wieder war sie sein Opfer. Diesmal nicht das seiner Triebe, sondern das seiner eigenen Verpflichtungen oder gar Verfehlungen gegenüber der Obrigkeit.

      In ihr kroch Wut auf Robert hoch. Seine Gleichgültigkeit ihrem gemeinsamen Kind gegenüber, hatte sie ihm zwar nie verziehen, aber es war ihr gelungen, sie tief in ihrem Inneren einzukapseln. Dass er sie angeblich nicht liebte, darüber war sie hinweg. Sie kannte die Teamkollegin, um die es hier ging, recht gut. Sie waren Freundinnen. Das wusste Robert genau. Es war für sie unvorstellbar, ihre Vertrautheit mit der jungen Frau zu missbrauchen. Für Robert nicht und für diesen Bullen von der Stasi schon gar nicht.

      »Ich kann in dieser Sache nicht helfen«, sprudelte sie trotzig heraus.

      »Du weißt, was das bedeutet?«, fragte der Stasi-Arsch.

      Sie bejahte.

      »Du kannst es dir gerne ein paar Tage überlegen.« Der Typ schickte Robert einen intensiven Blick auf die andere Tischseite. Dieser Blick entlarvte das miese Spiel endgültig.

      Sie wurde hinausgeschickt und die beiden Männer blieben alleine zurück. Sollte sie an der Tür lauschen? Nein, so tief würde sie nicht sinken. Energisch reckte sie das Kinn und begab sich auf den Heimweg.

      Sie blieb auch auf zweifache Nachfrage von Robert standhaft. Er bekam zu verstehen, wie sie über die Angelegenheit dachte.

      »Du hast bei mir verschissen. Sieh zu, wie du aus dem Schlamassel, in dem du offensichtlich steckst, herausfindest. Wem bist du bei denen eigentlich etwas schuldig?«

      Robert kniff und trollte sich.

      Wie sehr sie selbst ins System verstrickt war, verstand sie, als ausgerechnet ihr eigener Vater ins selbe Horn stieß.

      »Du musst an die Republik glauben. Der Sozialismus ist gut für die Menschen. Wenn du unserem Staat helfen kannst, darfst du dich dem nicht verweigern.«

      Jedem dieser Versuche des Vaters, in sie zu dringen, begegnete sie nur mit schmallippigem Schweigen. Doch irgendwann platzte ihr der Kragen.

      »Bist du auch so einer?«

      Gespieltes Unverständnis. »Was für einer?«

      »So einer wie Robert, der für das Regime spitzelt. So einer wie diese Stasimumie, die Leute dazu aufwiegelt, Freunde auszuspionieren. Bist du so einer? Ein Spitzel?«

      Sie fing sich eine schallende Ohrfeige ein. Danach ließ er sie in Ruhe.

      Im Anschluss an diese Szene wurde das Schweigen zu Hause unerträglich. Nicht nur der Vater, auch die Mutter strafte sie, indem sie durch ihre Tochter hindurchblickte. Alle schienen verstrickt in diesen Sumpf. Sie vermisste jemanden, dem sie unbedingtes Vertrauen schenken konnte, ein Wesen, unverdorben und frei von kranker Ideologie. Jemanden, der ihr bedingungslos vertraute und dem sie ihre Liebe schenken konnte.

      Sie vermisste ihr Kind.

      Rein sportlich blieb sie auf der Höhe. Sie wurde sogar immer besser und überflügelte bald die beste Schützin ihrer Altersgruppe. Als in den Ferien ein Förderprogramm in der Hauptstadt ausgelobt wurde, schickte man jedoch nicht sie, sondern die Zweitbeste hin.

      Sie stellte ihre Trainerin zur Rede: »Was bezweckst du damit?«

      »Mir sind die Hände gebunden. Ich spreche nur Empfehlungen aus. Die Entscheidungen werden anderswo getroffen«, antwortete die Frau verlegen.

      »Ich bin die Beste! Das weißt du genau.«

      »Du triffst am genauesten. Die Beste bist du nach Ansicht der Vereinsleitung nicht.«

      »Worauf kommt es denn bitteschön beim Schießen an, wenn nicht auf das Treffen?«

      Der Gesichtsausdruck der Trainerin zeigte ihr, dass sie selbst peinlich berührt war von der Antwort, die sie ihr geben musste. »Auf Disziplin und Gehorsam.«

      Natürlich! Das wieder!

      »Ah, jetzt verstehe ich.«

      Der Gesichtsausdruck der Frau wurde weich.

      »Hör mir zu. Ich kann nicht so handeln, wie ich es gerne würde. Wenn die Sprache auf dich kommt, beiße ich auf Granit. Du wirst selbst am genauesten wissen, warum das so ist. Ich hätte jedenfalls dich geschickt.« Damit ließ sie die Trainerin stehen.

      Sie knabberte sehr an diesem Vorfall. Am Abend zog sie sich ohne Abendbrot in ihr Zimmer zurück und heulte.

      Doch sie war eine starke junge Frau. Ihre Verzweiflung währte nicht lange. Sie benötigte nur diesen einen Abend, um einen Schlussstrich zu ziehen. Am Folgetag beendete sie ihre Karriere als Sportschützin.

      Das Regime verzieh ihr das Wegwerfen ihres Talents nicht. Ihre Akte – wenn es so eine gab – schien eine Markierung zu tragen. Einen roten Punkt. Ein Minus. Wie immer sie solche Akten kennzeichneten. Leute stigmatisierten.

      Die ganzen nächsten Jahre über war sie gezwungen, gegen Widerstände zu kämpfen, wo andere leicht hindurchspazierten. Nur mit Mühe gelang es ihr nach dem Schulabschluss, einen Studienplatz zu ergattern. Sie wählte Chemie, weil das Fach als schwierig galt und deshalb von ihren Mitschülern gemieden wurde.

      Immerhin gab ihr das die Möglichkeit, der Enge des Elternhauses zu entfliehen. Sie zog zu einer Freundin in Halle und schlief die ersten beiden Semester auf deren Wohnzimmercouch. Ein eigenes Zuhause war ihr verwehrt worden.

      Ein Schießeisen nahm sie nie mehr in die Hand. Sie hatte abgeschlossen mit diesem Sport, ja, verachtete ihn mittlerweile. Waffen waren für sie zum Sinnbild des Gefängnisses geworden, in das unbequeme Geister eingesperrt wurden. Sie litt unter dem ständigen Gefühl, bespitzelt zu werden. Das empfand jedoch nur sie so. Ihre Freundin winkte ab, wenn sie das Gespräch auf die Stasi und ihre Spione lenkte.

      »Das wird maßlos übertrieben«, belehrte sie ihre Mitbewohnerin gerne.

      Sie sah es der Freundin nach. Ihr eigenes Schicksal repräsentierte nicht zwangsläufig das, was Otto Normalbürger in dieser DDR begegnete. Wer sich systemkonform und unauffällig verhielt, der entging den allgegenwärtigen Augen des Spitzelapparates. Ein Schuss Glaube an die heile Welt verstellte den meisten Zeitgenossen ohnehin den Blick dafür.

      Sie

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