Lotte mischt mit. Klaus Heimann
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»Was ist mit der schwarzen Gestalt?«
»Meinst du wirklich? Meine Güte, ich bin im Urlaub.«
»Darauf können die Kollegen keine Rücksicht nehmen, Schatz. Die müssen ihre Arbeit machen und deine Beobachtung gehört dazu.«
Neue Tränen liefen ihr über die geröteten Wangen. Hoffentlich würde sie die grausamen Bilder irgendwann los.
In etlichem Abstand zum Ort des Geschehens bildete sich nach und nach wieder eine Traube Schaulustiger. Zum Teil kannten wir die Herrschaften von unserem Eintreffen an der Villa, andere Gesichter kamen neu hinzu. Insgesamt ein paar mehr als vorhin.
Einen Moment später hörte ich die Sirenen. Ein Sanitätsfahrzeug und ein Streifenwagen bogen in die Straße ein. Zwei uniformierte Beamte stiegen aus und traten auf uns zu. Einer von ihnen richtete das Wort an mich: »Haben Sie uns gerufen?«
»Nein. Das war einer der Herren von denen da hinten.« Ich wies unbestimmt mit der Hand in Richtung der Gaffer. »Wir haben die Leichen entdeckt.«
»Leichen? Uns wurde nur etwas von Schussgeräuschen durchgegeben. Waren Sie etwa da drin?«
»Ja, ich war im Haus. Die Gartentür steht offen. Ich konnte mir selbst ein Bild vom Tatort verschaffen.«
»Wie kommen Sie dazu?«, fragte der Polizist empört. Berechtigterweise.
»Ich bin bei der Kripo. Allerdings in NRW. Hätte ja sein können, dass jemand meine Hilfe benötigt.«
Der Polizist zuckte die Schultern. »Ich informiere gleich die Spurensicherung. Halten Sie sich bitte für Fragen zur Verfügung. Ist sonst noch jemand im Haus?«
»Keine Ahnung. Mir kam es so vor, als ob der Täter ausgeflogen ist. Die Risikoeinschätzung kann ich Ihnen nicht abnehmen.«
Der Mann wandte sich an seinen Kollegen. »Was meinst du? Sollen wir rein?«
»Der Sani sollte rein. Komm, wir begleiten ihn.«
Die beiden verschwanden mit dem Sanitäter hinterm Haus. Ziemlich bald kehrte der Medizinmann zurück. »Nix zu machen«, hörten wir ihn murmeln. Er setzte sich in seinen Wagen und telefonierte.
Einige Zeit verging, ehe auch die Polizisten zurückkehrten. Ein ziviler Wagen fuhr vor. Ihm entstieg eine etwas knittrig wirkende Erscheinung, ein Mann um die sechzig. Er beachtete uns nicht und ging gleich auf die Uniformierten zu. Den kurzen Wortwechsel konnte ich von meinem Standort gut mithören.
»Morgen die Herren. Lage?«
»Morgen Herr Staudinger. Zwei erschossene Frauen. Täter flüchtig.«
»Wer hat sie entdeckt?«
»Der Zeuge dort. Ist übrigens ein Kollege. Aus NRW.«
Der Polizist, der geantwortet hatte, zeigte auf Lotte und mich.
Der Neuankömmling kam zu uns herüber.
»Guten Morgen. Staudinger. Kriminalpolizei. Sie sind bitte?«
»Siegfried Siebert ist mein Name. Das ist meine Frau Charlotte. Ich arbeite bei der Kripo Essen.«
»Aha«, ging Staudinger leichthin über unsere Berufsverwandtschaft hinweg. »Dann muss ich ja nicht lange erklären, worauf es ankommt. Was ist Ihre Aussage zu dem Ganzen hier?«
»Da drin liegen zwei Frauenleichen, beide mit einem Einschussloch mitten auf der Stirn. Die Schüsse haben wir von weiter weg gehört und sind dadurch aufmerksam geworden. Es waren genau zwei und sie fielen kurz hintereinander. Wahrscheinlich ist der Täter zur Gartenseite hin geflüchtet. Die Schiebetür zur Hinterseite stand bei unserem Eintreffen so weit offen, dass eine Person knapp durchschlüpfen konnte.«
Staudinger war aus dem Konzept gebracht. Solch differenzierte Aussagen hörte er wahrscheinlich höchst selten bei der ersten Befragung eines Zeugen.
»Haben Sie den Täter gesehen?«
»Ich nicht. Vielleicht meine Frau.«
Der Kriminalbeamte sah zu Lotte, die immer noch auf der Mauer kauerte.
»Was haben Sie beobachtet?«
Lottes Stimme bebte vom Heulen. »Eine schwarze Gestalt.«
»Bitte beruhigen Sie sich. Geht es etwas genauer? Was verstehen Sie unter einer schwarzen Gestalt? Von wo kam sie? Was bringt Sie zu der Vermutung, dass diese Gestalt der Täter ist?«
»Ich bitte Sie. Schwarze Klamotten bei dem Wetter und eine Kapuze auf.«
»Das reicht wohl kaum aus für einen konkreten Verdacht. Warten Sie bitte hier. Und versuchen Sie, ruhig durchzuatmen. Ich will mir kurz den Tatort ansehen.«
Staudinger verschwand um die Hausecke.
»Komischer Kauz«, schluchzte Lotte.
»Der macht nur seinen Job. Spricht mit bayerischem Akzent. Was hat den wohl hierher verschlagen?«, rätselte ich.
Staudinger ließ uns nicht lange warten. Höchstens zwei Minuten später kehrte er von seiner Inaugenscheinnahme des Tatorts zurück. Er gab den Uniformierten ein paar kurze Anweisungen und richtete sich dann wieder an uns.
»So, von vorne und ganz in Ruhe. Was haben Sie gesehen, gnädige Frau?«
Lotte hatte sich mittlerweile etwas beruhigt. Ihre Stimme flatterte nicht mehr.
»Da war diese schwarze Gestalt. Wie gesagt: Mit einer Kapuze auf dem Kopf. Die hat hier am Haus geklingelt.«
»Ein Mann oder eine Frau?«
Lotte kam ins Grübeln – das sah ich ihr an. »Tja, so ganz eindeutig kann ich Ihnen das nicht beantworten …«
»Wie würden Sie die Figur dieser schwarzen Gestalt, wie Sie sie nennen, beschreiben?«
»Schlank, eher sportlich, würde ich sagen.«
»Irgendwelche Auffälligkeiten im Bewegungsfluss? Ein Hinken, eine hängende Schulter, gebeugte Haltung?«
»So was ist mir nicht aufgefallen.«
»Wie groß?«
»Ein bisschen größer als ich vielleicht. Eins siebzig?«
»Können es auch eins sechzig oder eins achtzig gewesen sein?«
Lotte wurde durch Staudingers Fragerei ganz unsicher.
»Möglich.«
»Komplett schwarz gekleidet? Keine Abzeichen, Streifen an den Hosennähten oder ähnliche Dinge? An den Füßen? Sockenfarbe? Schuhe? Auch schwarz?«
»Da habe ich nicht drauf geachtet.«
»Viel