Eisernes Verderben. Franziska Franz

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Eisernes Verderben - Franziska Franz

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Wenn du mir nun noch sagst, dass dein Vorname Harald ist, dann falle ich auf der Stelle um.“ Sein Lächeln wurde breiter.

      Jetzt war ich es, der verdutzt reagierte. Woher kannte er mich?

      „Siehst verdammt gut aus, jetzt, wo deine Haare langsam grau werden, Harald. Ist doch so, ich habe mich nicht getäuscht, oder?“

      „Ich bin wahrscheinlich nicht mehr der Jüngste, aber ich brauche noch einen Moment, um mich zu erinnern.“

      „Also habe ich tatsächlich recht?“

      Jetzt klopfte mir der Typ auf die Schulter. „Mensch, Harald, ich kann es kaum fassen, aber habe ich mich denn tatsächlich so verändert? Ich bin’s, Jan – Jan Hohmeister.“

      Ich fiel aus allen Wolken. „Moment mal – Jan? Etwa der Jan, mit dem ich studiert habe?“ Ich hatte ihn tatsächlich nicht mehr erkannt.

      Hohmeister schickte sich an, Platz zu nehmen. „Na ja, Hohmeister heißen schließlich nicht allzu viele Jans. Darf ich mich setzen?“ Er nahm Platz, bevor ich reagieren konnte.

      „Bitte sehr.“

      Hohmeister hatte mit mir zusammen Psychologie studiert und war einmal so etwas wie ein Freund gewesen. Allerdings hatte diese Freundschaft ein unglückliches Ende genommen. Ich kannte seine Lebensgeschichte und hatte sie bis heute nicht vergessen. Er hatte eine lieblose Kindheit gehabt, mit einer Mutter, die sich immer ein Mädchen gewünscht hatte und mit ihm nichts anfangen konnte. Als kleiner Junge musste er lange Haare tragen und in seinen ersten Lebensjahren steckte ihn seine Mutter in Mädchenkleider. Sein Vater wirkte dem entgegen, indem er ihn besonders hart anpackte. So wurde Hohmeister jahrelang gedemütigt und gezüchtigt. Liebe erfuhr er nie, und darunter litt er sehr. Als er älter wurde, verließ sein Vater die Familie und Hohmeister blieb mit seiner lieblosen Mutter allein zurück. Von Anfang an stand ich seiner Berufswahl skeptisch gegenüber, denn ich befürchtete, er wollte einige seiner Defizite im Berufsalltag aufarbeiten – so etwas kam manchmal sogar bei uns Psychologen vor. Hohmeister hatte damals eine Freundin gehabt, Lena. Einige Male wandte sie sich an mich, da sie Hohmeister oft nicht einzuschätzen vermochte. So nett er sein konnte, so jähzornig war er bisweilen. Außerdem engte er sie ein, war krankhaft eifersüchtig und ertrug es nicht einmal, wenn Männer sie freundlich ansahen – das behauptete sie zumindest. Ihre Verzweiflung darüber führte dazu, dass sie sich von ihm trennen wollte. Wie es geschah, vermochte ich heute nicht mehr zu sagen, jedenfalls verliebten wir uns irgendwann ineinander, und schließlich verließ sie ihn für mich. Sie war die erste Frau in meinem Leben, die mir etwas bedeutete, so, wie sie vorher Hohmeister etwas bedeutet hatte. Doch eines Tages verschwand sie spurlos. Hohmeister verdächtigte mich, ihr etwas angetan zu haben. Lange Zeit ermittelte die Polizei gegen mich, denn Lena und ich hatten ja bereits zusammengelebt. Eines Abends war sie nach einer Joggingrunde einfach nicht mehr nach Hause gekommen. Jedoch fand man nicht die geringste Spur, die auf ihren Verbleib hätte hinweisen können, leider bis heute nicht. Auch ich hatte damals alles Menschenmögliche versucht, um sie zu finden – vergebens.

      Die Freundschaft mit Hohmeister jedenfalls ging daraufhin in die Brüche und wir brachen jeglichen Kontakt ab.

      Seit der Zeit war ich keine Beziehung mehr eingegangen, zu tief saß der Schmerz. Noch heute plagten mich Albträume. Der Gedanke daran, dass Lena noch lebte, womöglich in Gefangenschaft, brachte mich fast um den Verstand.

      Dass Hohmeister sich hier nun so vertraut zu mir setzte, löste gemischte Gefühle in mir aus und ließ alte Wunden aufbrechen. Er hatte mir damals übel mitgespielt.

      „Da sagt man nun, Frankfurt sei ein Dorf, in dem man sich irgendwann unweigerlich begegnet, und trotzdem bist du mir in all den Jahren nicht über den Weg gelaufen. Oder hast du dich vor mir versteckt?“ Hohmeister lachte laut.

      Mir fiel ein leichtes Nervenzucken über seinem rechten Auge auf. Er versuchte locker zu wirken, doch hinter der Fassade schien er angespannt zu sein, das spürte ich als Psychologe deutlich.

      „Hast du eine Zeit lang in einer anderen Stadt gewohnt?“, fragte er.

      „Nein, nein, ich habe hier sogar meine Praxis“, antwortete ich. „Im Holzhausenviertel.“

      „Mensch, ich hätte ja auch mal ins Telefonbuch gucken können, schließlich habe ich oft an dich gedacht. Na ja, weißt du, bei mir ist inzwischen so viel passiert. Übrigens – ich wohne gleich hier nebenan, in der Lenaustraße.“ Er deutete auf das Nachbarhaus.

      „Aha“, kommentierte ich das Gesagte und fuhr fort: „Was macht eigentlich deine Mutter?“

      „Sie ist vor drei Jahren schwer erkrankt und leider verstorben.“

      „Das tut mir leid.“

      „Ach was, wir hatten auch in späteren Jahren kein besseres Verhältnis. Hinterlassen hat sie mir auch nichts, bloß ihren Schrebergarten.“ Er lachte. „Hab ihn immer noch. Der verwildert total, aber ich habe keine Zeit, mich darum zu kümmern. Bringe nur hin und wieder etwas Gerümpel in die Laube. Dafür ist es gut genug.“

      „Ich kann mich noch gut daran erinnern“, sagte ich. „Der Garten ist am Rebstock, oder? Haben wir da nicht ein paarmal heimlich gekifft?“

      Hohmeister lachte erneut und nickte. „Genau. Damals hat uns das Ehepaar von gegenüber verpfiffen. Hat das einen Ärger gegeben! Schon weil wir uns abends da rumtrieben. Da sind die Spießer ja fast ausgerastet.“

      „Ja, ich erinnere mich“, antwortete ich, ohne in sein Lachen einzustimmen.

      „Ich habe übrigens inzwischen geheiratet. Außerdem habe ich meinen Beruf nie wieder aufgenommen.“ Er sah mich an. „Du warst sowieso immer der Bessere von uns beiden. Am besten wäre es gewesen, ich hätte nie Psychologie studiert und dann, nach alldem … Ach, was soll’s, Schwamm drüber, alles Schnee von gestern.“

      „Ja, das war eine schlimme Zeit damals“, pflichtete ich ihm bei.

      „Ganz genau habe ich zwar bis heute nicht verstanden, was sich damals bei euch abgespielt hat, aber wie gesagt, Harald, lassen wir es gut sein. Es war ja nur die Erklärung für meinen Berufswechsel. Ich hätte dich doch nicht angesprochen, wenn ich dir noch immer böse wäre. Abgesehen davon kannst du nichts dafür, dass Lena verschollen ist, wie du immer behauptet hast. Vielleicht lebt sie ja irgendwo ein zufriedenes und glückliches Leben. Nein, statt weiter darüber zu grübeln, habe ich mich dem Sport verschrieben, verstehst du? Das ist unkomplizierter und stimmt mich zufrieden. Erinnerst du dich noch an unsere gemeinsamen Marathonläufe?“

      Natürlich tat ich das. Wir waren beide sehr ehrgeizig gewesen und hatten uns gegenseitig angespornt. „Wie könnte ich die vergessen haben“, antwortete ich. „Und wie verdienst du nun deine Kohle?“

      „Verena und ich haben keine großen Ansprüche, verstehst du? Wir arbeiten beide in einem Fitnessstudio in Bockenheim.“

      Ich war verblüfft. „Ist ja nicht dein Ernst! Dann hättest du wohl besser Sportwissenschaften studieren sollen.“

      „Ach was, doch nicht als Trainer. Und außerdem heißt das ja nicht, dass ich das ewig machen werde. Im Moment macht es mir Spaß und ich hab eine ganze Menge Freizeit, da kann ich gut für mich selbst trainieren. Ich will im nächsten Jahr beim Ironman dabei sein, verstehst du?“

      Erstaunt antwortete ich: „Das gibt’s ja nicht! Ich habe mich ebenfalls dazu angemeldet, wenngleich ich mir deswegen noch völlig unschlüssig bin. Aber wegbleiben kann

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