Denkwürdigkeiten des Pickwick-Klubs. Charles Dickens

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Denkwürdigkeiten des Pickwick-Klubs - Charles Dickens

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fragte die alte Dame.

      »Jawohl«, versetzte Herr Pickwick. »Double, simple – und den Rubber!«

      »Solches Glück ist mir noch nicht vorgekommen!« rief Herr Miller.

      »Und mir sind nie so schlechte Karten in die Hände gekommen«, meinte der dicke Herr.

      Es folgte feierliches Schweigen: Herr Pickwick zeigte gute Laune, die alte Dame Ernst, der dicke Mann Verdruß, und Herr Miller Verlegenheit.

      »Ein zweiter Double«, rief die Dame aus, und bezeichnete diese Tatsache triumphierend damit, daß sie einen Sixpence und einen abgenutzten halben Penny unter den Leuchter legte.

      »Ein Double, Sir«, sagte Herr Pickwick.

      »Habe es schon gesehen«, erwiderte der dicke Herr in scharfem Tone.

      Ein zweites Spiel hatte denselben Mißerfolg durch ein Versehen Millers, worüber der dicke Herr ganz außer sich geriet. Er konnte seine Wut über das ganze Spiel nicht mehr unterdrücken. Nach Schluß der Partie zog er sich für eine ganze Stunde und siebenundzwanzig Minuten nach einem Winkel zurück, wo er seinen Ärger stumm austoben ließ. Endlich kam er wieder aus seinem Schmollwinkel hervor und bot Herrn Pickwick eine Prise an mit der Miene eines Mannes, der es über sich gewonnen hatte, das erlittene Unrecht mit dem Mantel der christlichen Liebe zu bedecken. Das Gehör der alten Dame hatte sich indessen merklich gebessert, und der unglückliche Miller fühlte sich so ganz außer seinem Element, wie ein Delphin in einem Schilderhaus.

      Mittlerweile nahm das Gesellschaftsspiel am andern Tische desto munterer seinen Fortgang. Miß Isabelle Wardle und Herr Trundle wurden Kompagnons: desgleichen Emilie und Herr Snodgraß, und selbst Herr Tupman und die alte Tante fanden sich zusammen. Der alte Wardle war in seiner besten Laune und handhabte die Tafel so spaßhaft, und die Damen strichen ihren Gewinn so eilig ein, daß an dem Tisch fortwährend ein schallendes Gelächter herrschte. Eine alte Dame hatte stets ein halbes Dutzend Karten zu bezahlen, worüber jedesmal alles lachte, und sah sie dabei verdrießlich aus, so wurde nur noch lauter gelacht. Wenn sie es merkte, so heiterte sich ihre Mene allmählich auf, und sie lachte noch lauter als alle übrigen. Bekam die Tante »Ehestand«, so kicherten die jungen Damen von neuem, und die Tante schien dann empfindlich werden zu wollen, bis sie Herrn Tupmans Händedruck unter dem Tische fühlte und eine heitere Miene annahm, als ob sie sagen wollte, daß sie wohl nicht so gar ferne vom Ehestand wäre, als vielleicht manche Leute meinen möchten.

      Dann lachten alle, und besonders Herr Wardle, der, wo es einen Spaß galt, so heiter wie der jüngste war, abermals. Herr Snodgraß flüsterte Emilien fortwährend poetische Phrasen ins Ohr, und das veranlaßte einen alten Herrn zu vielen Bemerkungen und Anspielungen auf Kompagniegeschäfte im Spiel und Leben, worüber die Gesellschaft aufs neue in ein herzliches Gelächter ausbrach, namentlich die Ehehälfte des alten Herrn. Auch Herr Winkle tat sich in Witzen hervor, die in der Stadt abgedroschen, aber auf dem Lande noch unbekannt waren, und da alle darüber lachten und sie ganz köstlich fanden, so tat er sich viel darauf zugute. Der wohlwollende Geistliche sah heiter zu, denn die vielen glücklichen Gesichter, die er an dem Tische sah, erwärmten das Herz des guten alten Mannes. Wenn auch die Lust etwas lärmend war, so kam sie doch aus dem Herzen, nicht bloß von den Lippen, und darin besteht doch eigentlich die wahre Heiterkeit.

      Bei dieser fröhlichen Unterhaltung verstrich der Abend sehr schnell, und als die Gesellschaft nach dem zwar ländlichen, aber schmackhaften Abendessen einen Halbkreis am Kamin bildete, war es Herrn Pickwick, als hätte er sich in seinem ganzen Leben nicht so glücklich und so geneigt gefühlt, den Zauber des Augenblicks in so vollen Zügen zu genießen.

      »Gerade so,« sagte der gastliche Wirt, der neben dem Lehnstuhl der alten Dame saß und ihre Hand in der seinigen hielt – »gerade so habe ich es gern. Die glücklichen Augenblicke meines Lebens entschwanden mir an diesem Kamine, und ich liebe ihn darum so sehr, daß ich jeden Abend Feuer machen lasse, bis man es vor Hitze fast nicht mehr aushalten kann. Meine gute alte Mutter freute sich schon auf jenem kleinen Stuhl dieses Kamins, al» sie noch ein Kind war – nicht wahr, Mutter?«

      Die Träne, die unwillkürlich bei der Erinnerung an vergangene Zeiten und das Glück früherer Jahre das Auge schimmern machte, glitt über die Wange der alten Dame, als sie mit melancholischem Lächeln den Kopf schüttelte.

      »Sie müssen mir mein Schwatzen über diesen alten Ort zugute halten, Herr Pickwick«, hob der Wirt nach einer kleinen Pause wieder an: »aber ich liebe dergleichen und kenne fast keine andere. Die alten Gebäude und Felder sind mir wie lebende Freunde, und so auch unsere kleine Kirche mit dem Efeu, den, beiläufig bemerkt, unser vortrefflicher Freund hier bei dem Antritt seiner Stelle durch ein Gedicht verherrlichte. – Herr Snodgraß, haben Sie etwas in Ihrem Glas?«

      »Es ist noch voll, ich danke«, erwiderte der Gentleman, dessen poetische Neugier durch die letzte Bemerkung des Sprechers im höchsten Grade rege gemacht worden war. »Ich bitte um Verzeihung, Sie erwähnten da ein Gedicht über den Efeu?«

      »Sie müssen sich deshalb an unsern, Ihnen gegenübersitzenden Freund wenden«, sagte der Wirt, indem er mit einer leichten Verbeugung auf den Geistlichen deutete.

      »Dürfte ich Sie wohl um die Mitteilung desselben bitten?« sagte Herr Snodgraß.

      »Ach, es ist nicht viel daran,« versetzte der Geistliche, »und ich kann die Abfassung nur damit entschuldigen, daß ich, als ich es dichtete, noch Jüngling war. Doch wenn Sie es wünschen, so sollen Sie es hören: ich muß aber um Nachsicht bitten.«

      Auf diese Worte folgte ein neugieriges Gemurmel, und nun begann der alte Herr mit einiger Hilfe seiner Frau die betreffenden Verse zu rezitieren. »Ich habe sie betitelt«, sagte er:

      »Der Efeu.«

      »Ein köstlich Gewächs ist der Efeu grün,

       Der das alte Gemäuer umspannt.

       Ein leckeres Mahl ist bereitet für ihn

       An der kalten, einsamen Wand.

       Er höhlt die Mauer, durchwühlt den Stein,

       Der verzehrenden Gier nur bedacht.

       Welch herrliches Mahl der Staub muß sein,

       Den Jahrhunderte ihm vermacht!

       Wo kein Leben mehr will erblühn,

       Blüht noch der alte Efeu grün.

      Fest klammert er sich auch ohne Arm,

       Hat ein kräftiges altes Herz;

       Er ranket sich und schmiegt sich warm

       An die Freundin, die Eiche, himmelwärts;

       Ihn überwölbend still mit Laub,

       Wo er sich um die Gräber schmiegt.

       Sich nährend von moderndem Staub,

       Wo der grimmige Tod erschien.

       Blüht noch der alte Efeu grün.

      Wenn Menschenalter der Tod entführt.

       Wenn Völker mit ihren Werken verblühn,

       Sein saftig lebendiges Grün.

       In seinen einsamen Tagen lebt

       Unsterblich er

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