Handbuch Sozialraumorientierung. Группа авторов

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nach außen betrachtet, ausgehend von den »Gegenständen« (z. B. Menschen, Aktionen, physische Körper, Organisationen, Regeln, Weltbilder) das Ergebnis der Beziehungen zwischen diesen »Gegenständen« beschrieben.

      Zur Darstellung der Vielschichtigkeit und Vielgestaltigkeit der Dynamik von Räumen verwendet Löw den Begriff der (An-)Ordnung von Lebewesen und sozialen Gütern an Orten. Diese Schreibweise in Klammern soll verdeutlichen, dass Räume gleichermaßen auf der Anordnungspraxis und auf gesellschaftlichen Ordnungen beruhen. Räumliche Strukturen würden demnach durch in Räume eingeschriebene Regeln konstituiert und durch Ressourcen gesichert. Löw schlägt vor, von einer durch die Relation zwischen Strukturen und Prozessen geprägten doppelten Konstituiertheit von Raum auszugehen. Zur Analyse von Raumkonstitutionen brauche es demzufolge Kenntnisse der »Bausteine« (soziale Güter und Menschen) und deren Beziehungen untereinander. Hilfreich hierzu sei nach Löw ein Rahmenkonzept unter Verwendung eines »Raum-Zeit-Relativs«, womit im Forschungsprozess der Ausgangspunkt wahlweise auf den »Bausteinen« oder den Beziehungen liegen könne, solange beide Perspektiven einbezogen würden. Im ersten Fall, der vorrangigen Betrachtung der Strukturen, seien für Operationalisierungen die materielle Gestalt, das soziale Handeln, die normative Regulation und die kulturellen Ausdrücke zu beachten.

      Aus dem Blickwinkel des Herstellungsprozesses von Raum sind nach Löw die beiden Prozesse »Syntheseleistung« und »Spacing« zu unterscheiden. »Syntheseleistung« meint das Schaffen von Räumen durch die Verknüpfung der Raumelemente (soziale Güter und Lebewesen) durch Menschen über Wahrnehmungs-, Erinnerungs- und Imaginationsprozesse. Unter »Spacing« wird der zweite Vorgang der Konstitution von Raum, das Platzieren von sozialen Gütern und Menschen und deren symbolischer Markierung, durch welche deren Zusammenspiel kenntlich gemacht würde, verstanden. »Syntheseleistung« und »Spacing« geschehen im Alltag der Konstitution von Raum gleichzeitig. Löw geht »(analytisch) von einem sozialen Raum aus, der gekennzeichnet ist durch materielle und symbolische Komponenten« (2001: 15).

      Räume sind für Löw aufgrund der in hierarchisch organisierten Gesellschaften meist ungleichen und unterschiedlichen Bevölkerungsteile begünstigenden bzw. benachteiligenden Verteilung oft Gegenstand sozialer Auseinandersetzungen.

      Schroer (2006) verweist auf die etymologische Herkunft des Raumbegriffs von »räumen/abräumen/Platz schaffen« und erklärt damit die Bedeutung des »Raum [S]chaffens« als sozialen Prozess. Mit Blick auf die historische Entwicklung der Rezeption des Begriffes konstatiert Schroer eine Veränderung von absoluten (Aristoteles, Newton, Kant) über relativistische (Leibniz, Einstein) zu relationalen Raum-Verständnissen (Elias, Lefèbvre, Löw). Schroer sieht » die besondere Bedeutung Simmels für eine Soziologie des Raums darin, dass er sowohl die strukturelle Seite des Raums betont als auch die Hervorbringung des Raums durch menschliche Aktivitäten« (2006: 78). Das Verdienst der Literaturwissenschaftler um Dünne und Günzel (2006) ist es, eine interdisziplinäre Übersicht der Theorien zu Raum erstellt und dabei eine wertvolle Sammlung von Originaltexten vom 17. Jahrhundert bis in die Gegenwart des 21. Jahrhunderts zusammengestellt, aufbereitet und kommentiert zu haben.

      Die oben aufgeführten raumtheoretischen Überlegungen sind für Soziale Arbeit deshalb besonders relevant, weil daraus klar ersichtlich wird, dass Räume von unterschiedlichen Bevölkerungsteilen unterschiedlich erlebt, erfahren und bestimmt werden. Wenn mit den Raumkonstitutionen auch Chancen auf Zugang und Ausschluss von Raum einhergehen, wie von Martina Löw (2001) beschrieben, kann die Konstitution von Raum als Gegenstand sozialer Aushandlungsprozesse und sozialer Konflikte im Allgemeinen sowie sozialer Benachteiligung im Besonderen betrachtet werden. So lassen sich bspw. Nutzungskonflikte, die aufgrund unterschiedlicher Interessenlagen und gesellschaftlicher Machtverhältnisse entstehen, als ver-/aushandelbare gesellschaftliche Prozesse zur Bearbeitung sozialer Probleme verstehen. Als Beispiel zur weiteren Veranschaulichung der empirischen Bedeutung der Raumtheorie eignet sich die Publikation von Emmenegger und Litscher (2011). Darin werden, in Auseinandersetzung mit öffentlichen Räumen, unterschiedliche Kontexte aus multidisziplinären Perspektiven beleuchtet und mit Beispielen von Forschungsprojekten aus der Schweiz belegt. Empirisch evident für die Lebenswirklichkeit und Lebensweise von Menschen dürften die Wohn- und Arbeitsorte sowie Orte der Freizeitbeschäftigung und Orte der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen sein. Die Verbindungen solcher Orte lassen sich analytisch als Aktionsräume be- und nachzeichnen (Kaschuba u. a. 2016), während sich die Fragen der individuellen und gruppenbezogenen Bedeutungszuschreibungen im Lebensweltansatz (Thiersch 1929) wiederfinden. Präsenz und Nutzungsverhalten von Menschen an Orten divergieren je nach Lebenslagen, Lebensstilen und Milieuzuschreibungen und sind daher als relevante Aspekte sozialräumlicher Konstellationen zu berücksichtigen. Ebenso prägen empirisch relevante (Ein-)Teilungsprozesse administrativer Art (wie amtlich festgelegte statische Stadtbezirke, Wahlbezirke, Schulbezirke etc.) oder Einteilungen je nach persönlichen Merkmalen und Organisierungsgrad (Kirchenbezirke) das soziale (Er-)Leben.

      Aus der Kombination der obigen (raum-)theoretischen Überlegungen mit empirischen Raumnutzungsprozessen lässt sich ein relationales (Raum-)Verständnis entwickeln, das soziale und räumliche Aspekte möglichst weitgehend einbezieht und sensibel für vorschnelle oder unpassende Verwendungen von Behälter- oder Gebietsbegriffen ist.

      Dementsprechend ist der Begriff Sozialraum im oben dargelegten und diesem Handbuch zugrunde liegenden Verständnis nicht als Gebietsbegriff synonym für einen geografisch oder administrativ begrenzten Perimeter zu verwenden, wie immer wieder zu lesen ist (»das Leben im Sozialraum«, »Menschen in ihrem Sozialraum«), sondern seine Bedeutung erscheint sinnvollerweise ohne die Verwendung des Substantivs am passendsten.

      Als Ergebnis der obigen begrifflichen und theoretischen Explikation wird im Rahmen des hier zu beschreibenden »Handlungskonzept Sozialraumorientierung«

      »Sozialraum« als sozial und räumlich strukturierter Kontext verstanden, der von Menschen und ihren Vergesellschaftungen unterschiedlich konstruiert, produziert und interpretiert wird und zu dem Menschen in unterschiedlichen Relationen (Aufenthalt, Begegnung, Interaktion, Zugehörigkeit etc.) stehen.

      Mit dem Begriffspaar Sozialraum-Orientierung wird deutlich gemacht, dass das hier zu beschreibende »Handlungskonzept Sozialraumorientierung« eine bestimmte Ausrichtung hat und die Perspektive auf den programmatischen Aspekt »Sozialraum«, in oben beschriebener Bedeutung, richtet. Diese spezifische Sichtweise bietet Orientierung im Sinne einer konzeptionellen Ausrichtung des Handelns (s. o. zu »Handlungskonzept«; image Kap. 1.5) auf Zusammenhänge sozialer und räumlicher Kontexte. Grundlage dieser Orientierung ist die Beschäftigung mit der sozialen Konstitution und Konstruktion von Räumen sowie deren unterschiedliche Bedeutungszuschreibungen und gesellschaftlichen Bedingtheiten. Dabei genügt es nicht, um die soziale Bedingtheit der Konstitution und Konstruktion von Raum, entsprechend der oben beschriebenen Raumtheorien, zu wissen, sondern zur Orientierung bedarf es ebenfalls der Kenntnis und des Verstehens unterschiedlicher Raumdefinitionen gesellschaftlicher Akteure (Institutionen und Bevölkerung) und deren zugrunde liegenden Interessen. Ganz gleich, ob es sich um ein territoriales Raumverständnis, wie z. B. für behördliche Planungsräume üblich, oder um Milieu bedingt unterschiedliche Aktionsräume von Bevölkerungsteilen handelt, lassen sich die jeweiligen Prozesse des »Raum [S]chaffens« (Schroer 2006) bzw. der »(An)Ordnung von sozialen Gütern und Lebewesen« (Löw 2001) sowie der sozialen »Syntheseleistungen« nach charakteristischen Merkmalen untersuchen.

      Mit dem Raumverständnis und -begriff sind

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