Sophienlust Staffel 14 – Familienroman. Elisabeth Swoboda
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Alexander legte sanft und zärtlich seine Lippen auf Denises hübsch geformten Mund. Voll Innigkeit küsste er seine Frau.
Martha, die Köchin, die gerade mit dem heißen Kaffee in den kleinen Salon kam, musste sich mehrmals räuspern, ehe das Paar ihre Anwesenheit bemerkte. Doch weder Martha noch Denise und Alexander wurden verlegen. Denn es war ein offenes Geheimnis, dass die beiden sich liebten und scheuten nie, sich ihre Zuneigung zu zeigen. Auch für die Kinder war es ganz natürlich, die Eltern hin und wieder in zärtlicher Umarmung anzutreffen.
»Ganz frisch aufgebrüht«, verriet Martha und füllte die Tassen. »Moment, ich hole noch rasch die Sahne.«
»Bringen Sie noch ein Gedeck mit und trinken Sie mit uns Kaffee«, rief der Gutsherr seiner rundlichen Angestellten nach.
Martha kam der Aufforderung nur zu gern nach. Die Kaffeestunde im kleinen Salon war immer eine gemütliche Sache.
»Also gestern«, berichtete die rotwangige Köchin eifrig, »war ich bei meiner Schwester in Sophienlust drüben. Sie kocht ja dort vier Jahre länger als ich hier.«
Martha rührte ein bisschen verlegen in ihrer Tasse, sodass Denise sie nachdenklich ansah. »Ich glaube fast, Sie sind ein wenig eifersüchtig, weil Magda die größeren Töpfe hat«, meinte sie.
Martha nickte bekümmert. »Bei ihr kommt ein Schokoladenkuchen ganz anders an.«
»Na, loben wir nicht immer das gute Essen, das Sie uns vorsetzen?«
Alexander blinzelte wie ein Verschwörer.
»Ich möchte mich ja nicht beklagen«, druckste Martha herum. »Das wäre ungerecht. Ich bin mit meiner Stellung hier sehr zufrieden. Aber ich dachte nur … es wäre schön, wenn …, wenn wir auch wieder einmal eine so muntere kleine Schar am Tisch hätten.«
»Genügen Ihnen Nick und Henrik nicht mehr?« Alexander blies die Backen auf und verdrehte die Augen. Es sah sehr lustig aus.
Doch Martha dachte gar nicht daran zu lachen. »Das ist es ja eben. Sie sind so oft in Sophienlust drüben. Wenn wir einen so drolligen kleinen Kerl wie Uwe hätten, wäre das sicher nicht mehr der Fall.«
»Uwe ist ja nur vorübergehend in Sophienlust. Seine Eltern werden ihn bald wieder abholen.«
Martha schüttelte bedächtig den Kopf. »Das glaube ich nicht. Ich habe da einen Artikel in der Zeitung gelesen. Der Dirigent Hellbach ist gar nicht in England, sondern hier. Er hat in Stuttgart ein Konzert gegeben. Und das Kind wollten die Eltern doch nur loswerden. Der Kleine kann einem leidtun.«
Überrascht sah Denise ihren Mann an. Siehst du, ich habe mich doch nicht getäuscht, schien ihr Blick zu sagen. Ich habe Inge Hellbach in der Stadt gesehen!
»Vielleicht könnte man mit diesen Rabeneltern sogar über eine Adoption verhandeln«, spann Martha ihren Gedanken weiter.
»Sie meinen, dass wir …?« Alexanders Augen wurden groß und fragend.
»Warum nicht? Sie würden es bestimmt nicht bereuen. Uwe ist ein so liebes Kind. Nick und Henrik würden sich freuen.«
Alexander von Schoenecker schüttelte den Kopf. »Martha, ich habe den Eindruck, Sie haben Ihr Herz an einen kleinen Lausbuben verloren.«
»Darf ich das nicht? Magda hat so viele Kinder, die sie verwöhnen kann. Und ich?«
»Sie haben dafür viel mehr Ruhe«, vermittelte Denise lächelnd.
*
Norbert Hellbach ließ die Hände sinken. Entspannt lehnte er sich zurück.
Sofort war Inge neben ihm, legte liebevoll den Arm um seine Schultern. »Möchtest du eine Tasse Tee? Er ist gleich fertig. Du hast vier Stunden ununterbrochen gespielt. Du wirst müde sein.«
»Nein. Es hat mir viel Spaß gemacht. Ich fühle mich frei und froh, seit wir wieder allein sind.« Norbert lehnte seinen Kopf zurück, berührte Inges Oberkörper. »Ich danke dir«, sagte er und fasste nach den Händen seiner Frau. »Du bist eine wundervolle Frau. So zart und gefühlvoll, wie ich sie mir immer ersehnt habe.«
»Ich habe dich gern«, gab Inge Hellbach leise zurück. Sie beugte sich über ihren Mann, zwang sich zu einem Lächeln. Seit mehr als zwei Wochen spielte sie ihm die glückliche Partnerin vor. Dabei war sie alles andere als glücklich. Nachts lag sie neben ihm und fand keinen Schlaf. Und wenn sie endlich für Sekunden die Augen schließen konnte, hörte sie Uwes helles Kinderstimmchen. Manchmal sah sie den Kleinen, wie er sehnsüchtig die Arme nach ihr ausstreckte. Doch noch bevor sie ihn berühren konnte, brach der Traum jäh ab. Sie wurde wach, wurde sich ihrer Sehnsucht, ihres Schmerzes bewusst.
Wenn es dunkel war und Norbert fest schlief, rannen oft heiße Tränen über ihre Wangen. Dann drückte sie ihr Gesicht in die Kissen, um ihr qualvolles Schluchzen zu unterdrücken. Wie lange würde sie noch die Kraft haben, ihren Kummer vor ihrem Mann zu verbergen? Wie lange würde sie noch Gleichgültigkeit heucheln können, wenn er von dem kleinen Jungen sprach?
Inge Hellbach wusste, dass sie am Ende ihrer Kraft war. Sie konnte nicht mehr lange Fröhlichkeit mimen, wie es Norbert von ihr erwartete. Er bot ihr ein schönes, luxuriöses Leben, aber er verlangte unmenschliche Opfer von ihr. Aus Liebe hatte sie ihrem Mann bisher jeden Wunsch erfüllt. Sie hatte sogar etwas getan, wozu eine Mutter kaum fähig war. Doch sie fühlte, dass sie sich damit zu viel zugemutet hatte. Irgendwann würde sie unter der Last der Selbstvorwürfe zusammenbrechen. Irgendwann würde ihre Sehnsucht stärker sein als ihre Beherrschung.
»Wir haben einen Fehler gemacht damals, bevor Uwe zur Welt kam. Aber jetzt ist alles wieder gut. Jetzt bin ich wieder in Form, habe meine Depressionen überwunden. Ich werde Erfolge haben, Inge. Alle Welt wird mir zujubeln. Ich fühle es. Und du wirst meine Königin sein. Ich werde dich hinauftragen in die höchsten Gipfel des Glücks. Wir werden zu den Großen, den ganz Großen gehören. Was es auf der Welt an Schätzen gibt, werde ich dir zu Füßen legen.«
Inge dachte an den größten Schatz, den es für sie gab: das Kind. Es war nicht mit Geld zu bezahlen. Uwe zu besitzen kostete nur ein wenig guten Willen und ein bisschen Selbstüberwindung. Doch gerade das wollte Norbert nicht aufbringen. Sah er denn nicht, dass die Erfüllung dieses Wunsches für sie viel wichtiger war als aller Reichtum dieser Erde?
»Wenn wir demnächst in London spielen, werden wir in den Buckingham-Palast eingeladen werden und mit Königin Elizabeth Tee trinken. Na, freust du dich?« Ein glückliches Lächeln flog über Norberts blasses Gesicht.
»Sehr«, schwindelte Inge und streichelte das fast schwarze lockige Haar ihres Mannes. Er sah gut aus, besonders dann, wenn er den dunklen Frack trug. Dann jubelten ihm die Damen zu und sahen ihn vielversprechend an. Doch Norbert Hellbach hatte nur Augen für seine hübsche blonde Frau.
Musste Inge darüber nicht glücklich sein? Musste sie dafür nicht zu jedem Opfer bereit sein?
»Alle Welt wird uns beneiden«, spann Norbert seine Gedanken weiter. Spielerisch fuhren seine Finger über die Tasten des Klaviers, schlugen einige Töne an.
Inge liebkoste sein Haar, küsste seine Stirn. Am liebsten hätte sie sich wie eine Ertrinkende angstvoll an ihn geklammert, hätte ihm gestanden, dass sie so nicht weiterleben könne. Doch sie durfte es nicht. Norbert war unglaublich empfindlich. Jede Gefühlsschwankung warf ihn zurück. Nur in einer