Das Geheimnis von Cloomber-Hall. Arthur Conan Doyle

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Das Geheimnis von Cloomber-Hall - Arthur Conan Doyle

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würde, was ich selbst darüber weiß, so würden Sie doch nicht viel klüger sein als jetzt. Nur eins kann ich Ihnen versichern: mein Vater ist gerade so vernünftig wie Sie oder ich, und hat sehr gute Gründe für alles, was er tut und wenn es auch noch so widersinnig erscheinen mag. Sein einziger Beweggrund für diese eingemauerte Einsamkeit ist der Selbsterhaltungstrieb, nicht etwa unlautere oder unehrenhafte Motive.«

      »Er befindet sich also in Gefahr?« rief ich aus.

      »Ja, in fortwährender Gefahr!«

      »Aber weshalb wendet er sich dann nicht an die Obrigkeit um Schutz?« fragte ich. »Wenn er von irgend jemand bedroht wird, braucht er das ja nur zu sagen, und man wird sofort die nötigen Schritt für seine Sicherheit tun.«

      »Mein lieber West,« sagte da der junge Heatherstone, »die Gefahr, von der mein Vater sich bedroht sieht, kann durch keine menschliche Dazwischenkunft abgewandt werden. Sie ist aber nichtsdestoweniger vorhanden, und wir stehen vielleicht jetzt gerade nah vor einer Krisis!« –

      »Sie wollen doch nicht etwa sagen, daß sie eine übernatürliche ist?« fragte ich ungläubig.

      »Kaum,« entgegnete er zögernd. »Aber,« fuhr er fort, »ich habe jetzt schon mehr gesagt, als ich eigentlich darf. Ich weiß jedoch, daß Sie mein Vertrauen nicht mißbrauchen werden. Gott befohlen!«

      Er machte sich auf und davon und war meinen Augen bald hinter einer Krümmung der Landstraße verschwunden.

      Eine drohende und vielleicht nahe bevorstehende Gefahr, durch keine menschliche Dazwischenkunft abzuhalten und doch wieder kaum übernatürlich zu nennen! Wer löste das Rätsel? –

      Ich hatte mich daran gewöhnt, die Heatherstones einfach für exzentrisch zu halten; aber nach dem, was der junge Mordaunt mir erzählt hatte, konnte ich nicht länger zweifeln, daß etwas Dunkles und Unheilvolles alle ihre Handlungen bestimmte. Je mehr ich aber über sie nachdachte, desto unheimlicher wurden sie mir nur, und doch konnte ich mir die Geschichte nicht aus dem Kopfe schlagen.

      Das einsame stille Schloß und die furchtbare Katastrophe, die wie ein Damoklesschwert über den Häuptern seiner Bewohner hing, hatten meine Einbildungskraft fieberhaft erregt. Den ganzen Abend und bis tief in die Nacht hinein saß ich am Kamin, in Nachdenken versunken über alles, was ich gehört hatte, aber außerstande, eine Lösung zu finden für das rätseldunkle Geheimnis.

      Fünftes Kapitel.

      Es ist wohl kein Wunder, daß ich mich mehr und mehr mit General Heatherstone und dem Geheimnis, das ihn umgab, beschäftigte, als Wochen vergingen, ohne daß ich von den Bewohnern von Cloomber-Hall etwas sah oder hörte. Vergebens strebte ich durch Arbeiten aller Art und strenge Hingabe an meine Pflichten als Gutsverwalter meinen Gedanken wieder eine andere Richtung zu geben. Was ich auch tun mochte, zu Wasser oder zu Land, immer und immer wieder grübelte ich über das Rätsel nach, bis es mir endlich klar wurde, daß es vergebens sei, mich mit irgend etwas anderem zu beschäftigen, solange ich das Problem nicht gelöst haben würde. Nie konnte ich an der langen, düstern, fünf Fuß hohen Umzäunung und dem großen eisernen Tore mit seinem massiven Schlosse vorbeigehen, ohne stehen zu bleiben und mir über das Geheimnis, das hinter diesem unübersteigbaren Hindernis verborgen sein mußte, den Kopf zu zerbrechen.

      Aber mit allen meinen Mutmaßungen konnte ich zu keiner Schlußfolgerung gelangen, die auch nur einen Augenblick als eine Erklärung der Tatsachen hätte gelten können. –

      Meine Schwester war eines Abends ausgegangen, um einen kranken Bauern zu besuchen, oder sonst irgendeinen der vielen Liebesdienste zu verrichten, durch welche sie sich weit und breit im Lande bald beliebt gemacht hatte.

      »John,« sagte sie, als sie heim kam, »hast du Cloomber-Hall heute abend beobachtet?«

      »Nein,« erwiderte ich, das Buch, in welchem ich gerade las, niederlegend, »abends überhaupt nicht seit dem Abend, an welchem der General und Mc. Neil herüberkamen, um sich das Haus anzusehen.«

      »Willst du dann, bitte, deinen Hut holen und einen kleinen Spaziergang mit mir machen?« entgegnete Esther.

      Ich konnte ihr ansehen, daß sie irgend etwas aufgeregt und nervös gemacht haben mußte.

      »Aber, gütiger Himmel,« rief ich, »was ist denn mit dir los? Das alte Schloß brennt doch wohl nicht? Du siehst ja aus, als ob ganz Wigtown in Flammen stände!«

      »Ganz so schlimm ist es wohl nicht,« erwiderte sie lächelnd. »Aber, bitte komm, John. Du mußt es dir ansehen.«

      Ich hatte, aus Furcht, sie zu beunruhigen, meiner Schwester nie etwas von dem fast krankhaften Interesse, das ich für unsere Nachbarn hatte, gesagt. Auf ihre Bitte nahm ich meinen Hut und folgte ihr in die Dunkelheit hinaus. Sie ging auf einem schmalen Fußpfade durch das Moor voran, bis wir auf eine kleine Anhöhe kamen, von welcher wir über die das Schloß umsäumenden Fichten hinweg auf dieses hinunterblicken konnten.

      »Sieh doch nur!« sagte meine Schwester, während sie auf der Spitze des kleinen Hügels stehenblieb.

      Cloomber lag wie in einem Lichtmeer gebadet vor uns. In der unteren Etage verdunkelten die Fensterläden den Schein, aber von den breiten Fenstern des zweiten Stockwerkes bis zu den engen Gucklöchern des Turmes war nicht ein Schlitz, nicht eine Spalte, die nicht einen Strom von Licht ausstrahlte.

      So blendend war die Wirkung, daß ich zuerst überzeugt war, das Haus brenne; aber die ruhige und klare Helle enthob mich bald dieser Sorge. Es war augenscheinlich das Resultat einer systematischen Aufstellung von Lampen in dem ganzen Gebäude. Was aber die eigentümliche Wirkung noch erhöhte, war, daß alle diese glänzend erleuchteten Zimmer augenscheinlich unbewohnt und einige, soviel ich sehen konnte, nicht einmal möbliert waren. In dem ganzen großen Hause sah man kein Zeichen von Leben, nichts als die klare und stetige Flut gelben Lichtes.

      Ich hatte mich von meinem Erstaunen noch nicht erholt, als ich ein kurzes, krampfhaftes Schluchzen neben mir hörte.

      »Was fehlt dir denn, liebe Esther?« fragte ich besorgt.

      »Ich fürchte mich so! O John, bringe mich nach Hause. Mir ist so bange!« klang die zitternde Antwort.

      Sie hing sich an meinen Arm und zog in wahnsinniger Angst an meinem Rocke.

      »Es ist ja alles ganz in Ordnung, Liebling,« sagte ich beschwichtigend. »Worüber regst du dich denn nur so auf?«

      »Ich fürchte mich vor ihnen, John! Ich fürchte mich vor den Heatherstone! Weshalb ist ihr Haus jeden Abend so erleuchtet? Ich habe von anderen gehört, daß es immer so ist. Und weshalb läuft der Alte davon wie ein erschreckter Hase, wenn ihm unverhofft jemand begegnet? Es ist etwas nicht richtig mit ihnen, John, und das beängstigt mich.«

      Ich beruhigte sie, so gut ich konnte, und nahm sie mit nach Hause, wo ich ihr, ehe sie zur Ruhe ging, etwas Glühwein bereitete. Aus Furcht, sie noch mehr aufzuregen, vermied ich es, von den Heatherstones zu sprechen, und sie kam selbst nicht darauf zurück. Ich war jedoch überzeugt, daß sie schon seit einiger Zeit ihre eigenen Beobachtungen angestellt hatte, und daß sie schließlich ängstlich geworden war. Ich konnte wohl sehen, daß die allnächtliche Beleuchtung des Schlosses an und für sich diese außerordentliche Aufregung nicht verschuldet haben konnte, und daß diese in ihren Augen nur dadurch Wichtigkeit erhielt, daß sie ein Glied in einer Kette von Ereignissen bildete, die alle einen mehr oder weniger unheimlichen und ängstlichen Eindruck auf sie gemacht hatten. Zu dieser Schlußfolgerung kam ich schon damals, und ich habe jetzt gute Gründe, zu

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